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28.10.2005

Adipositas: Als Problem erkannt, aber was nun?

Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage an der bundesdeutschen Bevölkerung

Adipositas, d. h. starkes Übergewicht oder Fettleibigkeit, hat sich in den letzten Jahren zu einem weltweiten Gesundheitsproblem entwickelt. In Deutschland sind gegenwärtig mehr als ein Drittel der Erwachsenen übergewichtig (Body Mass Index 25.0-29.9 kg/m 2 ), weitere 20% sind stark übergewichtig, d. h. adipös (Body Mass Index e 30.0 kg/m 2 ). Bei den Kindern und Jugendlichen sind zurzeit etwa ein Fünftel von Übergewicht oder Adipositas betroffen, wobei ihre Zahl rapide zunimmt. Die möglichen Folgen sind gravierend: Adipositas gilt zwar offiziell nicht als Krankheit, aber erhöht bei Erwachsenen und Kindern das Risiko für die Entstehung einer Vielzahl von Erkrankungen, z. B. Diabetes mellitus Typ 2 oder Herz-Kreislauf-Krankheiten. Weitere Folgen können in Stigmatisierung, sozialer Diskriminierung und Einschränkungen der Lebensqualität bestehen. Zahlreiche Anstrengungen zur Adipositasprävention wurden bereits unternommen, darunter schulbasierte Präventionsprogramme oder Kurse zu gesunder Ernährung und Bewegung durch Krankenkassen. Obwohl bisherige präventive Ansätze, wie wissenschaftliche Studien zeigen, insgesamt wenig erfolgreich waren, gilt die Adipositasprävention als Public-Health-Priorität. Denn eine Adipositas ist schwer behandelbar.

In einer repräsentativen Telefonumfrage haben Marburger und Leipziger Wissenschaftler untersucht, welches Wissen und Problembewusstsein in der bundesdeutschen Bevölkerung über die Adipositas vorhanden ist und welche Ansätze zur Adipositasprävention Unterstützung finden. Insgesamt 1000 Personen wurden für diese Studie im August 2005 durch ein Meinungsforschungsinstitut im Auftrag der Universitäten Marburg und Leipzig befragt. Die Wissenschaftler verzeichnen ein insgesamt hohes Problembewusstsein in Bezug auf die Adipositas: 75% der Befragten halten die Adipositas für eines der wichtigsten Gesundheitsprobleme in Deutschland derzeit. 48% der Befragten sehen Adipositas sogar als Krankheit, während nur 30% dem nicht zustimmen. "Allerdings," so Dr. Anja Hilbert, Leiterin einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Nachwuchsforschergruppe zur Adipositas an der Philipps-Universität, "wird auch ein Aufklärungsbedarf zur Adipositas erkennbar. Beispielsweise wissen viele Befragte nicht, dass Adipositas genetisch bedingt sein kann. Diejenigen, die um genetische Ursachen wissen, haben jedoch weniger stigmatisierende Einstellungen gegenüber adipösen Menschen. Stigmatisierende Einstellungen im Übrigen sind mit einer Befürwortung drastischerer Maßnahmen zur Adipositasprävention, z. B. Besteuerung von ungesundem Essen oder Begrenzung von Fernsehwerbung für ungesundes Essen, assoziiert."

Insgesamt jedoch treffen viele Maßnahmen zur Adipositasprävention auf deutliche Zustimmung in der bundesdeutschen Bevölkerung: Besonders starke Unterstützung finden Angebote für Kinder, z. B. Unterrichtseinheiten über gesunde Ernährung und Bewegung von den Krankenkassen, freiwillige Bewegungsangebote in den Schulen, oder eine Aufklärung der Eltern, mehr auf ein gesundes Ess- und Bewegungsverhalten ihrer Kinder zu achten (Zustimmung von jeweils über 90% der Befragten). Als geeignet erachtet werden außerdem Kampagnen über gesundes Ess- und Bewegungsverhalten, Aufklärungskampagnen über die gesundheitlichen Risiken bei Adipositas sowie Kurse über gesunde Ernährung und Bewegung von den Krankenkassen (Zustimmung von jeweils mehr als 80% der Befragten). Regulierende Maßnahmen wie eine Besteuerung von ungesundem Essen, z. B. von Fast Food, werden hingegen stärker abgelehnt als unterstützt (56% Ablehnung vs. 26% Zustimmung). "Dies zeigt," so Prof. Dr. Elmar Brähler von der Universität Leipzig, "dass die Bevölkerung deutlich zwischen Einschränkungen, die die gesamte Population betreffen würden, und zusätzlichen, z. T. aber auch verpflichtenden Angeboten zur Bewegungssteigerung und Ernährungsumstellung unterscheidet. Auch Fernsehwerbung für ungesundes Essen zu begrenzen oder den Verkauf ungesunder Nahrungsmittel in Schulen zu verbieten, trifft in der Mehrheit nicht auf Zustimmung."

Wenn es um die Finanzierung der Vorbeugungsmaßnahmen zur Adipositas geht, herrscht insgesamt Zurückhaltung: 61% der Befragten sind nicht bereit, zusätzlich etwas zur Vorbeugung der Adipositas auszugeben oder wollen allenfalls bis zu 20 EUR pro Jahr beisteuern. "Dies ist vom Haushaltseinkommen abhängig," erläutern die Forscher. "Diejenigen mit einem höheren Haushaltseinkommen zeigen eine höhere Bereitschaft, eine Reihe von Maßnahmen zur Adipositasprävention finanziell zu unterstützen. Hingegen hängt die Befürwortung präventiver Maßnahmen nicht generell vom Haushaltseinkommen ab."

Weitere Informationen:
http://www.staff.uni-marburg.de/%7Eobesity/

Kontakt

Dr. Anja Hilbert
Leiterin der BMBF-Nachwuchsforschergruppe "Psychosoziale, ethische und rechtliche Konsequenzen genetischer Befunde bei Adipositas"
Fachbereich Psychologie/Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie
Philipps-Universität Marburg
Gutenbergstraße 18, 35032 Marburg

Tel.: Tel.: 06421-2823787
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