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24.01.2006

X. Marburger Ökumenegespräch: "Leistung als Maß"

Thema ist die Spannung zwischen Menschlichkeit und den Anforderungen einer globalen Wirtschaft


Etwas leisten zu wollen, ist zutiefst menschlich; etwas zu tun oder herzustellen, dem ein Sinn innewohnt, das für einen selbst und für andere nützlich ist. Mit seiner Leistung anerkannt zu werden, entspricht einem unstillbaren menschlichen Verlangen. Darin wird nicht nur der Sinn und der Nutzen des Hergestellten bejaht, Menschen erfahren sich darin auch zu ihrer sozialen Welt zugehörig. Menschsein und etwas leisten wollen – das ist aber auch ein zerbrechlicher Zusammenhang. Denn Menschen sind mehr als sie leisten können; das zeigt sich in Kindertagen, in Krankheitsfällen, bei abnehmenden Kräften. Auf der anderen Seite wird die eigene Leistungsfähigkeit auch nicht immer ausgeschöpft; durch Faulheit, durch Unterforderung, durch falschen Einsatz der Kräfte. Es bedarf einer genauen Aufmerksamkeit, um das richtige Maß der Leistung zu bestimmen, das Ausdruck der Menschlichkeit ist.

In den Debatten über die globalen Bedingungen der Wirtschaft, die gegenwärtig geführt werden, hat der Begriff der Leistung eine prominente Stelle erhalten. Nicht nur der Ertrag von Unternehmen und die Beiträge der Beschäftigten werden nach Leistung zu messen versucht, auch Schulen, Universitäten und Verwaltungen werden auf ihre Leistung hin befragt. Darin liegt die Gefahr, Leistung nicht mehr als Ausdruck von Menschlichkeit, sondern als Maß für Anerkennung überhaupt zu verstehen. Die christlichen Kirchen haben schon immer daran erinnert, daß die Menschen als Gottes Geschöpfe die Grundlage aller wirtschaftlichen und technischen Leistungen sind. Darum geht ihre Anerkennung durch Gott auch dem Maß der Leistung voraus. Wie ist dieser Gesichtspunkt so in die aktuellen Diskurse einzubringen, daß er auch angesichts der globalen Herausforderungen gehaltvoll ist?

Diese Frage werden die Hauptreferenten des X. Ökumenegesprächs aus unterschiedlichen Blickwinkeln erörtern. Ludwig Georg Braun, Jahrgang 1943, ist als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages einer der profiliertesten Vertreter der deutschen Wirtschaft. Er ist Vorstandsvorsitzender eines weltweit agierenden erfolgreichen Unternehmens, der B. Braun AG in Melsungen, und verbindet globale Perspektiven mit lokalem Handeln; B. Braun Melsungen steht zugleich für internationale Investments und für menschengerechte Industriearchitektur, für Leistungsfähigkeit und für flache Führungshierarchien. Ludwig Georg Braun ist seit 1986 berufenes Mitglied der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Friedhelm Hengsbach S. J. ist einer der führenden Vertreter katholischer Soziallehre in der Tradition Oswald von Nell-Breunings. Er lehrt an der Universität St. Georgen in Frankfurt am Main. „Die Arbeit hat Vorrang“, war der Titel seine Habilitationsschrift von 1982. Damit profilierte der die Ansätze katholischer Wirtschaftsauffassung in pointierter Weise unter aktuellen Bedingungen. Sein jüngstes Buch von 2004 ist ebenfalls von größter Aktualität. Es heißt: „Das Reformspektakel. Warum der menschliche Faktor mehr Respekt verdient.“

Seiner Tradition entsprechend bietet das Ökumenegespräch, nach der Diskussion der Referenten im Plenum, am Nachmittag die Möglichkeit zu Gesprächsgruppen, die das Thema vertiefen. Unter kompetenter Doppel-Leitung werden von 14.00-15.30 Uhr die Aspekte „Arbeit“, „Bildung“, „Männer und Frauen“ sowie „Alter“ erörtert. Wie immer schließt das Marburger Ökumenegespräch mit einem ökumenischen Gottesdienst, den Dechant Franz Langstein und Dekan Helmut Wöllenstein um 15.45 Uhr in der Universitätskirche gestalten.

Weitere Informationen:
Das X. Marburger Ökumenegespräch beginnt am Samstag, 28. Januar 2006, um 9 Uhr in der Alten Universität.