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26.10.2006

Forschung für den Regenwald: BMBF-Projekt in Brasilien

Wie lassen sich die gefährdeten Küstenregenwälder Brasiliens erhalten oder regenerieren? – Marburger Tierökologen an deutsch-brasilianischem Verbundprojekt beteiligt – Untersuchungen gelten biogeochemischen Prozessen und der Fauna des Atlantischen Regenwalds

Regenwald
Komplexes Ökosystem: die Küstenregenwälder Brasiliens. Hier ein Einblick in einen Primärwald. Foto: AG Allgemeine Ökologie und Tierökologie
Für ein auf drei Jahre angelegtes Projekt, das Marburger Tierökologen im Rahmen des deutsch-brasilianischen Verbundprojekts SOLOBIOMA II (Soil Biota and Biochemistry in Southern Atlantic Rainforests of Brazil) durchführen werden, bewilligte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) rund 310.000 Euro. Ziel des interdisziplinären Vorhabens ist die detaillierte Untersuchung der Ökosystemprozesse des Atlantischen Regenwalds (Mata Atlântica) und die Entwicklung praxisgerechter Klassifikationssysteme, die den Schutz der stark bedrohten Küstenwälder unterstützen können.

An dem vom BMBF mit insgesamt zwei Millionen Euro ausgestatteten Verbundprojekt beteiligen sich Botaniker, Zoologen, Ökologen und Bodenkundler verschiedener deutscher und brasilianischer Forschungseinrichtungen. Leiter des Marburger Projekts ist Professor Dr. Roland Brandl, Leiter der Arbeitsgruppe Allgemeine Ökologie und Tierökologie des Fachbereichs Biologie der Philipps-Universität Marburg. Der Arbeitsgruppe gehören auch der Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Martin Brändle und der Diplombiologe Jochen Bihn an.

Biodiversity Hotspot am Atlantik in Gefahr

Der Atlantische Regenwald erstreckt sich entlang der brasilianischen Ostküste und umfasst aufgrund seiner großen Ausdehnung verschiedene tropische und subtropische Küsten- und Gebirgsregenwälder. Die als „biodiversity hotspot“ geltende Region ist durch sehr hohe Artenvielfalt sowie zahlreiche endemische, also nur hier vorkommende Pflanzen- und Tierarten gekennzeichnet. Die Biodiversität der brasilianischen Küstenregenwälder ist allerdings in Gefahr: Nur noch fünf bis zehn Prozent der ursprünglichen Bewaldung ist im Zuge der Umwandlung in Nutzflächen erhalten geblieben.

Wie können diese Restgebiete auf Dauer als Lebensraum für Pflanzen und Tiere gesichert werden? Und wie lassen sich degradierte Flächen wieder in ein ökologisch funktionierendes Regenwaldsystem umwandeln? Fragen wie diese soll SOLOBIOMA II beantworten, indem biogeochemische Kreisläufe und insbesondere der Abbau pflanzlichen Materials und die Wiederbereitstellung von Nährstoffen untersucht werden. Darüber hinaus geht es um die Frage der Biodiversität in den verschiedenen Stadien der Regeneration von Wäldern: Wie schnell also kehrt die Vielfalt von Organismen wie Pilzen oder Insekten, die in und auf dem Boden leben, wieder in die Wälder zurück, wenn letztere auf degradierten Böden neu entstehen? Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen schließlich in ein biologisches Klassifikationssystem fließen, das es erlaubt, die ökologische Funktionsfähigkeit der Regenwälder schnell und einfach zu beurteilen. Ein solches System kann als künftige Basis für politische Entscheidungen im Sinne von Umweltschutz und Nachhaltigkeit dienen.

Neben klassischen Methoden der Zoologie und Freilandökologie wird das interdisziplinäre Projekt auch moderne mikrobiologische und genetische Methoden zum Einsatz bringen, die vor allem die Abschätzung der Biodiversität von schwer zugänglichen Gruppen von Organismen – insbesondere Pilze und andere Mikroorganismen – erleichtern.

Freilanderfahrung in Brasilien auch für Marburger Studierende

Leiter des Verbundprojekts SOLOBIOMA sind Dr. Hubert Höfer und Dr. Manfred Verhaagh vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe und Professor Dr. Renato Marques von der Universidade Federal do Paraná im brasilianischen Curitiba. Den wissenschaftlichen Austausch der Kooperationspartner sollen umfangreiche gemeinsame Feld- und Laborarbeiten ebenso fördern wie regelmäßige Treffen und Tagungen in Brasilien und in Deutschland. Austauschprogramme von Bachelor- und Masterstudierenden werden es auch Marburger Studierenden ermöglichen, im Rahmen von Praktika und Abschlussarbeiten Freilanderfahrungen in Brasilien zu sammeln. Geplant sind darüber hinaus Workshops in Brasilien und Deutschland sowie die Durchführung von nationalen und internationalen Symposien. Erste Ergebnisse will das Projektteam im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie (GfÖ) vorstellen, die im kommenden Jahr in Marburg stattfinden wird.

SOLOBIOMA ist Teil des brasilianisch-deutschen Forschungsprojekts „Science and Technology for the Mata Atlântica“, das im Jahr 2002 vom Brasilianischen Wissenschafts- und Technologierat, dem Conselho Nacional de Desenvolvimento Científico e Tecnológico (CNPq), und dem deutschen BMBF ins Leben gerufen worden war.

Weitere Informationen

Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Biologie, Arbeitsgruppe Allgemeine Ökologie und Tierökologie, Karl-von-Frisch-Straße 8, 35032 Marburg
Professor Dr. Roland Brandl: Tel.: (06421) 28 23386, E-Mail: brandlr@staff.uni-marburg.de
Dr. Martin Brändle:
Tel.: (06421) 28 26607, E-Mail: braendle@staff.uni-marburg.de
Dipl.-Biol. Jochen Bihn:
Tel.: (06421) 28 23490. E-Mail: bihn@staff.uni-marburg.de

Homepage des Verbundprojekts SOLOBIOMA : www.solobioma.ufpr.br

Homepage von Jochen Bihn über Ameisen in der Projektregion: www.ants-cachoeira.net