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12.09.2006

„Prayer as Interaction“: erfolgreiche deutsch-japanische Tagung

Erste wissenschaftliche Veranstaltung mit japanischer Partner-Universität Tenri – Kontakte bestehen bereits seit 1958 – Gebet als „zentrale Äußerung“ von Religion

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Der Präsident der Tenri-Universität, Professor Dr. Taketo Hashimoto, wird von der Vizepräsidentin der Philipps-Universität, Professorin Dr. Babette Simon, mit einem Gastgeschenk begrüßt. Foto: hg
Am gestrigen Sonntag endete eine Tagung der besonderen Art. Zehn Religionswissenschaftler der japanischen Universität Tenri hatten sich mit zehn Marburger Kollegen aus Religionswissenschaft, Theologie, Soziologie und Psychologie getroffen, um eine Woche lang über „Prayer as Interaction“, Gebet als Interaktion zu diskutieren. „Dies war das erste Mal“, so Professor Dr. Gerhard Marcel Martin vom Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg, „dass wir mit dieser renommierten Universität eine wissenschaftliche Veranstaltung durchführten.“

Schon seit 1996 besteht ein offizieller Partnerschaftsvertrag, in dessen Rahmen eine Reihe von Professoren einige Zeit an der jeweiligen Partneruniversität verbrachten und zahlreiche Studierendengruppen das jeweils andere Land zu Sprachkursen besuchten. Selbst ein an der Universität Tenri lehrender japanischer Weltmeister in Judo unterrichtete bereits ein Semester lang in Marburg, und auch das Marburger Studentensinfonieorchester gab schon ein Konzert an der Universität Tenri.

Organisatoren der Tagung waren neben Professor Dr. Gerhard Marcel Martin auch Dr. Martin Kraatz, ehemaliger Leiter der Religionskundlichen Sammlung der Philipps-Universität, und Professor Dr. Yoshitsugu Sawai, der an der Universität Tenri Religionswissenschaft und Theologie der Tenrikyo lehrt. Sawai war in den Tagen des Symposiums zudem als ordentliches Mitglied an zwei religionswissenschaftlichen Prüfungsverfahren der Philipps-Universität beteiligt.

Religion Tenrikyo zählt zwei Millionen Gläubige

Tenrikyo ist eine erst im Jahr 1838 gestiftete Religion –  der Name bedeutet etwa „Religion (kyo) der himmlischen (ten) Vernunft/Wahrheit (ri)“ –, die sich als unabhängig von Shinto und Buddhismus versteht und heute rund zwei Millionen Gläubige zählt. Das zweite religiöse Oberhaupt in der Geschichte der Tenrikyo hatte im Jahr 1925 eine Fremdsprachenschule gegründet, aus der 1949 dann die private (und staatlich anerkannte) Universität Tenri hervorging.

Begrüßt hatte die japanische Delegation, welche der Präsident der Tenri-Universität, Professor Dr. Taketo Hashimoto, leitete, die Vizepräsidentin der Philipps-Universität, Professorin Dr. Babette Simon. Nach einleitenden Worten in der Sprache der Gäste würdigte Simon vor allem die vergangenen zehn Jahre erfolgreicher und lebendiger Kooperation. Hashimotos Ausführungen griffen sogar noch weiter in die Vergangenheit zurück, nämlich bis ins Jahr 1958, als der Marburger Religionsgeschichtler Professor Dr. Friedrich Heiler und der Kirchengeschichtler Professor Dr. Ernst Benz anlässlich eines internationalen Kongresses erstmals zu Besuch in Tenri waren und damit Initiatoren für die zahlreichen Kontakte, Besuche und Gegenbesuche der folgenden Jahrzehnte wurden.

Begruessung
„Erfolg auch auf persönlicher Ebene“. Eine Woche lang besuchten zehn Wissenschaftler der Tenri-Universität die Universität Marburg. Neben Professor Hashimoto und Professorin Simon ebenfalls im Bild: Professor Dr. Yoshitsugu Sawai (vorne, 2. v. r.), Mitorganisator der Tagung von japanischer Seite, Professor Dr. Gerhard Marcel Martin (2. Reihe, rechts) und Dr. Martin Kraatz (2. Reihe, 2. von rechts) sowie Professor em. Dr. Dr. h.c. Michael Pye (hintere Reihe, 2.v.l.). Foto: hg
„Besonders spannend in den vergangenen Tagen“, so Martin, „war die Tatsache, dass fast alle Referenten eines der Hauptwerke von Friedrich Heiler, nämlich ‚Das Gebet’ von 1918, als Grundmodell aufgegriffen haben.“ Darin werde insbesondere das spontane gegen das ritualisierte Gebet, die elementare subjektive Frömmigkeit gegen den Kult kontrastiert. „Und immer wieder wurde deutlich“, berichtet Martin, „dass die vielfältigen Gebetsformen, die ja vom freien Gebet über Stoßgebet, Anrufung, Bittgebet bis hin zur Lobpreisung reichen, nicht gegeneinander ausgespielt werden können.“ Zumal auch ganz andere Sichtweisen ins Spiel gebracht wurden wie etwa die der Diplompsychologin Dr. Monika Lang, die das Gebet aus psychologischer Sicht als Bewältigungsstrategie für schwierige Lebenslagen darstellte.

Workshop zu Gebetshaltungen

Für Martin, der in den kommenden drei Jahren auch eine Gastprofessur an der Universität Otani in Kyoto wahrnehmen wird, hatte das Thema der als „Joint Research Project“ bezeichneten Tagung jenseits von konkreten wissenschaftlichen Interessen eine ganz besondere Bedeutung, denn schließlich sei „das Gebet zentrale Äußerung von Religion, es ist Religion im praktischen Vollzug.“ Der praktische Theologe bot im Rahmen der vergangenen Woche darum unter anderem auch einen Workshop zu verschiedenen Gebetshaltungen an, der Japaner wie Deutsche gleichermaßen ansprach: „Dabei ging es nicht um das Beten selbst, sondern vielmehr um die Frage, wie der Körper geöffnet und zentriert werden kann.“

Dass die erfolgreiche Tagung zustande kommen konnte, ist indessen vor allem auch Dr. Martin Kraatz zu verdanken. Bereits 1960 hatte der seit 1998 pensionierte Religionshistoriker, der in der vergangenen Woche über „Prayers as Rituals“ sprach, den 10. Internationalen Kongreß für Religionsgeschichte in Marburg mitorganisiert, an dem auch der damalige Shimbashira (etwa: „Mittelpfosten“, das religiöse Oberhaupt) der Tenrikyo teilnahm. Als Leiter der Marburger Religionskundlichen Sammlung hielt Kraatz stets den Kontakt zur Universität Tenri und zu deren Präsidenten, organisierte 1975 in Kooperation mit der Tenrikyo – damals ein Novum im Ausstellungswesen – die Marburger Ausstellung „Yokigurashi. Frohes Leben“ und gab durch seine persönlichen Kontakte letztlich den Ausschlag dafür, dass eine offizielle Partnerschaft zwischen Marburg und Tenri angestrebt und realisiert wurde.

Weitere Informationen

Professor Dr. Gerhard Marcel Martin: Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Evangelische Theologie, Fachgebiet Praktische Theologie, Lahntor 3, 35032 Marburg
Tel.: (06421) 28 22458/24284, E-Mail: marting@staff.uni-marburg.de

Dr. Martin Kraatz: Tel./Fax: (06421) 67836