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05.01.2007

Herbert Wulf erhält Peter-Becker-Preis für Friedens- und Konfliktforschung

Höhlt die Privatisierung von Militäreinsätzen das staatliche Gewaltmonopol aus? – Philipps-Universität Marburg würdigt Werk des Friedensforschers und Experten für Sicherheitspolitik – Mit 10.000 Euro Preisgeld eine der höchstdotierten sozialwissenschaftlichen Auszeichnungen in Deutschland

Herbert Wulf
Herbert Wulf, Träger des Peter-Becker-Preises 2006. Foto: privat
Der Peter-Becker-Preis für Friedens- und Konfliktforschung 2006 der Philipps-Universität Marburg wird dem Politikwissenschaftler Professor Dr. Herbert Wulf zuerkannt. Der im Jahr 2004 gestiftete und nun zum zweiten Mal verliehene Preis ist mit 10.000 Euro honoriert. Die öffentliche Preisverleihung findet am 9. Februar 2007, 18 Uhr c.t. in der Aula der Alten Universität, Lahntor 3 in Marburg statt.

Der Begrüßung durch den Präsidenten der Philipps-Universität, Professor Dr. Volker Nienhaus, und den Geschäftsführenden Direktor des Zentrums für Konfliktforschung der Universität, Professor Dr. Ulrich Wagner, wird unter anderem eine Ansprache des Preisträgers und die Festrede des ehemaligen Koordinators des UN-Hilfsprogramms für den Irak, Hans-Christof Graf von Sponeck, folgen. Den Programmablauf finden Sie unter www.uni-marburg.de/aktuelles/events/peterbecker/festakt

Auf der Marburger Konferenz „Perspektiven für den Irak“ am Folgetag werden der Preisträger ebenso wie der Preisstifter ebenfalls sprechen ( siehe Veranstaltungshinweis ).

Neben Wulfs Lebenswerk galt der aus Mitgliedern des Zentrums für Konfliktforschung der Philipps-Universität zusammengesetzten Jury vor allem das jüngste Buch des Friedensforschers und Experten für Sicherheitspolitik als preiswürdig. In seinem 2005 veröffentlichten Werk „Internationalisierung und Privatisierung von Krieg und Frieden“ widmet er sich einem der wichtigsten sicherheitspolitischen Probleme unserer Zeit, nämlich der Infragestellung der demokratischen Kontrolle über die Streitkräfte durch die Privatisierung und Internationalisierung weltweiter Militäreinsätze und der damit einhergehenden Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols. Das auch auf Englisch erschienene Werk („Internationalizing and Privatizing War and Peace“) behandle sein Thema mit großer wissenschaftlicher Stringenz und richte sich gleichzeitig an ein breites Publikum, so die Jury.

International ausgewiesener Friedensforscher und Experte für Sicherheitspolitik

Der 1939 geborene Preisträger, der Anfang 2005 in den Ruhestand trat, war lange Jahre als Praktiker in der Entwicklungszusammenarbeit tätig und arbeitete als Wissenschaftler am Institut für Friedensforschung und Sicherheits­politik an der Universität Hamburg sowie am renommierten internationalen Friedens­forschungs­institut SIPRI in Stockholm. Als Gastdozent lehrte er an verschiedenen Universitäten in Deutschland, Skandinavien und den USA. Zu seinen Forschungsgebieten, auf denen er zahlreiche deutsch- und englischsprachige Bücher und Aufsätze veröffentlichte, gehören Rüstungskontrolle, Abrüstung, Rüstungskonversion, UN Peace Keeping, Entwicklungstheorie und internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt Asien.

1994 wurde Herbert Wulf zum Gründungsdirektor des Internationalen Konversionszentrum Bonn – Bonn International Center for Conversion (BICC) berufen und leitete das Institut, das sich Abrüstungsfragen und deren praktischer Umsetzung widmet, bis 2001. Herbert Wulf war als Gutachter und Berater verschiedener UN-Organisationen tätig, etwa für die Abrüstungsabteilung der UN (UN-Waffenregister und Kleinwaffenkontrolle), für UNDP zur Erstellung des jährlichen Berichts zu menschlicher Entwicklung (Human Development Report 1991 – 2002), für die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und die UNESCO.

Seit 2001 führt Wulf ein Forschungsprojekt zur Internationalisierung und Privatisierung von Krieg und Frieden durch. Er ist derzeit auch Berater für Rüstungskontrollfragen des UN-Entwicklungsprogramms in Pjöngjang, Nordkorea und Gastprofessor an der University of Queensland im australischen Brisbane. Unter anderem ist Wulf Mitglied des Stiftungsrats der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF), Vorsitzender des Herausgebergremiums der Vierteljahreszeitschrift Wissenschaft und Frieden (W&F), Associate Editor der Vierteljahreszeitschrift Economics of Peace and Security Journal, Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Konfliktforschung (AFK), Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des SIPRI, der Pugwash Conferences on Science and World Affairs sowie der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) sowie Vorsitzender des Kuratoriums des Informationsdiensts International Security Information Service in Brüssel. Für hervorragende wissenschaftliche Arbeit verlieh ihm die Regierung Nordrhein-Westfalens im Jahr 2002 den Titel eines Professors.

Wulf hatte in Köln Betriebswirtschaft und in Mannheim und Hamburg Soziologie studiert und wurde an der Freien Universität Berlin in Politikwissenschaft promoviert. Sein Berufsleben hatte er mit einer Banklehre und als Bankangestellter in Deutschland und den USA begonnen, später war er vier Jahre Beauftragter des Deutschen Entwicklungsdiensts in Indien.

Herbert Wulf habe seine Arbeit im Bereich von Konflikten, Frieden und Sicherheit nie ausschließlich als rein wissenschaftliche Tätigkeit verstanden, so die Jury weiter, sondern stellte seine Expertise der Friedensbewegung, den Gewerkschaften (vor allem in der Frage der Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie), politischen Parteien und Stiftungen sowie in der politischen Bildung und Beratung zur Verfügung. Neben Publikationen in wissenschaftlichen Fachorganen habe er seine Forschungsergebnisse in allgemein verständlicher Form auch in zahlreichen Zeitschriften sowie in Rundfunk- und Fernsehbeiträgen veröffentlicht.

Der Peter-Becker-Preis

Der Peter-Becker-Preis der Philipps-Universität Marburg wird für Arbeiten oder Projekte vergeben, die wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entstehung, den Verlauf und die Bearbeitung von Konflikten vorantreiben und eine praktische Umsetzung im Sinne der Konfliktregelung ermöglichen beziehungsweise durchführen. Der Preisträger wird von einer Kommission des Zentrums für Konfliktforschung vorgeschlagen. Das Präsidium der Universität, das über die Vergabe des Preises entscheidet, unterstützt den Peter-Becker-Preis als Zeichen für das zivilrechtliche Engagement der Universität.

Der mit einem Geldbetrag von 10.000 Euro verbundene Preis gehört zu den bestdotierten deutschen sozialwissenschaftlichen Auszeichnungen. Stifter des Preises ist der Marburger Rechtsanwalt Dr. Peter Becker. Ziel des Preises ist die Förderung der aktiven Mitarbeit an zivilen Friedensprozessen und die Ehrung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die ihre Theorien in die Tat umsetzen.

Weitere Informationen

Programm der Preisverleihung: www.uni-marburg.de/aktuelles/events/peterbecker/festakt

Die jüngsten Publikationen von Herbert Wulf:
Die Internationalisierung und Privatisierung von Krieg und Frieden, Nomos-Verlag, 2005
Internationalizing and Privatizing War and Peace, Palgrave Macmillan, 2005

Kontakt

PD Dr. Johannes M. Becker
Philipps-Universität Marburg, Zentrum für Konfliktforschung, Ketzerbach 11, 35032 Marburg
Tel.: (06421) 28 24503
E-Mail