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31.10.2008

„Exemplarische Ethik in globaler Verantwortung“

Professor Dr. Volker Gerhardt hält Christian-Wolff-Vorlesung 2008

Professor Dr. Volker Gerhard ist Mitglied des Hochschulrats der Philipps-Universität, war von 1996 bis 2002 Vorsitzender der Kommission für die Förderinitiative Bioethik der Deutschen Forschungsgemeinschaft und seit 2001 zudem Mitglied des Nationalen Ethikrates sowie seit 2008 des Deutschen Ethikrates. Neben diesen und weiteren Ämtern sei Gerhardt jedoch „in allererster Linie Philosoph“, betonte Professor Dr. Christoph Demmerling vom Marburger Institut für Philosophie. Gerhardt, der als Professor für Praktische Philosophie mit dem Schwerpunkt Rechts- und Sozialphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin lehrt, hielt am 30. Oktober die Christian-Wolff-Vorlesung 2008 in der Alten Aula der Philipps-Universität.

Die Professoren Dr. Christoph Demmerling und Dr. Volker Gerhardt (v.l.n.r.) in der Alten Aula
In seinem Vortrag „Exemplarische Ethik in globaler Verantwortung“ bezeichnete Gerhardt Globalisierung als „Institutionalisierung der Inbesitznahme der Erde durch den Menschen“ – sie sei also kein Phänomen, das „plötzlich und unerwartet“ eingetreten sei. Zu den „Generatoren der weltweiten Verständigung“ gehöre die Wissenschaft; Globalisierungsgegner hätten „Vorbehalte gegenüber dem Wissen“. Als historisches Beispiel für ein positives Verhältnis zum Phänomen der Globalisierung führte Gerhardt den Aufklärer Christian Wolff an. Wolff hatte 1721 in einer Rede an der Universität Halle die Chinesen mit ihrer konfuzianischen Philosophie als den Christen mindestens ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen, bezeichnet. Um der Todesstrafe für diese Äußerungen zu entgehen, musste Wolff fliehen. An der Marburger Universität wurde er auf eine Professur berufen und lehrte dort von 1723 bis zu seiner Rehabilitierung 1740 durch Friedrich II.

Die exemplarische Ethik der Chinesen, mit der Wolff sich seinerzeit befasste, muss heute laut Gerhardt als „Ethik in globaler Verantwortung“ verstanden werden. Die Menschheit sei zu einem „präsenten Subjekt des Lernens“ geworden; Kants kategorischer Imperativ bedeute verkürzt „Sei exemplarisch für das, was du sein willst“. Gerhardt appellierte an die Eigenverantwortung und die Vorbildrolle eines jeden Menschen, der sich „als Exemplar und als Repräsentant der Menschheit“ begreifen solle.

Die nach Christian Wolff benannte Vorlesungsreihe wurde 1999 von Professor Dr. Peter Janich, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie, initiiert. Seitdem veranstaltet der Fachbereich regelmäßig Vorträge, die den Ideen der Philosophie der Aufklärung und ihren in der philosophischen Diskussion aktuellen Fortführungen verpflichtet sind. Zu den früheren Rednern gehören unter anderem Professor Dr. Jürgen Habermas, Professor Dr. Julian Nida-Rümelin und Altbundeskanzler Dr. h.c. mult. Helmut Schmidt. Demmerling, der seit der Emeritierung Janichs für die Organisation der Vortragsreihe zuständig ist, bezeichnete sie als „wertvolles Erbe, welches es nun zu bewahren gilt“.

Christian Wolff (1679-1754) hat der Philosophie der Neuzeit maßgebliche Impulse verliehen und ist einer der bedeutendsten Philosophen der europäischen Aufklärung. Wesentliche Errungenschaften wie etwa die Begründung einer säkularen Moral oder die Öffnung des europäischen Denkens gegenüber außereuropäischen Kulturen gehen auf ihn zurück. Sein Wirken an der Lahn verlieh der Marburger Universität internationalen Rang. Die Christian-Wolff-Vorlesung findet mit freundlicher Unterstützung des Marburger Universitätsbundes e.V. und der Stadt Marburg statt.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner ist Professor Dr. Christoph Demmerling vom Institut für Philosophie.
Tel.: 06421 28-24406 (Sekretariat)
E-Mail: demmerling@staff.uni-marburg.de