Zurück zur Übersicht

31.10.2008

Forschungszentrum für Impfstoffe gegen neue Krankheitserreger geplant

Berliner Wissenschafts-Staatssekretär besichtigt Marburger Hochsicherheitslabor

Allein schon mit seinem Hochsicherheitslabor, dem einzigen deutschen Labor der höchsten Sicherheitsstufe, überzeugt der Standort Marburg in der Erforschung hoch pathogener Viren. Angedacht ist nun eine Kompetenzbündelung in einem Forschungszentrum für Impfstoffe gegen neue Krankheitserreger. Deshalb informierte sich Andreas Storm, Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft (BMBF), am 30. Oktober in Marburg sowohl über die Arbeit des einzigen deutschen BSL 4-Labors, als auch über eventuelle Kooperationsmöglichkeiten. „Das BMBF setzt eine hohe Priorität auf die Förderung der Gesundheitsforschung“, erklärte Storm. Bis zum Jahr 2012 werden allein aus diesem Ministerium über eine Milliarde Euro in diesen Bereich fließen. Storm würdigte die Leistungen Marburger Virologen, die unter anderem bei der SARS-Epidemie wegweisend in der Krankheitsbekämpfung aktiv waren.

BMBF-Staatssekretär Andreas Storm (li.) lässt sich das BSL 4-Labor erklären von Prof. Dr. Stephan Becker (re.)
Die Erfahrungen mit dem Ausbruch von SARS im Jahre 2003 sowie das fortwährende Auftreten hoch gefährlicher Vogelgrippe-Viren haben gezeigt, dass die moderne Gesellschaft durch neu auftretende Krankheitserreger extrem gefährdet ist. Der Ausbruch neuer Krankheitserreger erfolgt plötzlich und ist in der Regel weder vorhersagbar noch durch Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes zu verhindern. Daher ist es umso wichtiger, Strategien zu entwickeln, die eine sofortige Reaktion auf neue Ausbrüche ermöglichen. „Zwei Faktoren sind hierfür von entscheidender Bedeutung“, sagt Prof. Dr. Stephan Becker, der Leiter des Instituts für Virologie der Philipps-Universität Marburg: „Zum einen muss die Aufmerksamkeit des öffentlichen Gesundheitssektors für ‚Emerging Pathogens’ erhöht werden, zum anderen müssen Voraussetzungen geschaffen werden, die die biomedizinische Erforschung neuer Krankheitserreger im Ausbruchsfall massiv beschleunigt und so die zeitnahe Produktion von Impfstoffen und Therapeutika erlaubt.“

Impfstoffe stellen mit Hinblick auf die Sicherheit und das Kosten-Nutzen-Verhältnis den effektivsten Weg dar, um Krankheiten zu verhindern. Ziel der Marburger Wissenschaftler ist nun, gerade für neu ausbrechende lebensbedrohende Infektionserkrankung den Zeitraum zwischen Entwicklung neuer Impfstoffe bis zur Anwendung am Menschen zu verkürzen. „Wir müssen Strategien entwickeln, die im Ernstfall einen sofortigen Start standardisierter Forschungsprogramme ermöglichen, welche in kürzester Zeit Kandidaten-Impfstoffe hervorbringen können“, so Becker. Dieses Ziel könnte erreicht werden, wenn man die Flexibilität akademischer Forschergruppen mit Zugang zu BSL-3/4 Einrichtungen mit der technologischen Expertise innovativer Impfstoff-Hersteller kombiniert.

Deshalb planen die Marburger Virologen eine verstärkte Kooperation mit Novartis Behring, der deutschen Niederlassung von Novartis Vaccines & Diagnostics. Gute Erfahrungen in der erfolgreichen Zusammenarbeit gab es bereits bei SARS: Das Marburger Institut für Virologie war an den Untersuchungen beteiligt, die zur Entdeckung des SARS Coronavirus im Jahr 2003 führten. Im Zuge dieser Untersuchungen wurde deutlich, dass die enge Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Virologie und Chiron-Behring (jetzt Novartis Behring) entscheidend für die schnelle Umsetzung der Grundlagenforschungsergebnisse war: Innerhalb weniger Wochen konnte ein Kandidaten-Impfstoff gegen das SARS Coronavirus hergestellt werden.

„Diese erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Hochschule und pharmazeutischer Industrie gilt es auszubauen“, sagt Becker. In dem geplanten „Emergency Vaccines Research Center (EVRC)“ soll sich eine strategische Allianz bilden mit dem Ziel, die Fähigkeit zur schnellen Produktion effektiver Impfstoffe gegen neue Krankheitserreger zu verbessern.