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11.06.2008

Marburger Summer School geht in die zweite Runde

Internationale Doktoranden arbeiten zu „Menschenbildern“

Das Marburger Promotionskolleg für Geistes- und Sozialwissenschaften veranstaltet vom 14. bis 27. Juni 2008 seine zweite International Summer School unter dem Titel „Menschenbilder / Images of Human Nature“. „Inzwischen haben wir so viele Anmeldungen, dass wir etliche Bewerber nicht mehr aufnehmen konnten“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Winter, Geschäftsführender Direktor des Promotionskollegs. In diesem Jahr nehmen die Teilnehmer zudem weite Wege aus China, Russland, Kanada und den Vereinigten Staaten in Kauf, um sich hier in Marburg mit ihren Kolleginnen und Kollegen auszutauschen und dabei wichtige neue Impulse für ihre Forschungen zu finden. Die diesjährige Summer School, die in Kooperation mit dem Projekt Menschenbilder des Fachbereichs Evangelische Theologie stattfindet, gibt 30 jungen Promovendinnen und Promovenden die Gelegenheit, vor dem Hintergrund ihrer verschiedenen Dissertationsprojekte mit ausgewiesenen Experten über den Stand der aktuellen Forschung zu debattieren und im Rahmen der Tagung die eigenen Projekte vorzustellen.

„Der Begriff ‚Menschenbild’ ist nicht so einfach zu erklären, wie es auf den ersten Blick scheint“, skizziert der Theologie-Professor Dr. Dietrich Korsch das Problemfeld. Angefangen bei ganz konkreten medizinischen Zusammenhängen, wie etwa Ultraschallaufnahmen oder Röntgenbildern, umfasse das Thema auch sehr komplexe theologische, philosophische und kunsthistorische Fragestellungen. Diesem attraktiven Spannungsfeld aus aktuellen Forschungsströmungen trägt das Marburger Promotionskolleg für Geistes- und Sozialwissenschaften in seiner vom Deutschen Akademischen Auslandsamt (DAAD) geförderten Summer School Rechnung.

Drehte sich im letzten Jahr noch alles um die historische Epoche der frühen Neuzeit, konzentriert sich die Summer School in diesem Jahr mit den „Menschenbildern“ auf ein genuin Marburger Thema. Die gleichnamige Projektgruppe am Fachbereich für Evangelische Theologie beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit dieser Fragestellung und kann somit eine besondere fachliche Expertise vorweisen. Neben dem intensiven fächerübergreifenden Gedankenaustausch in vier unterschiedlichen Seminargruppen sollen die Gäste aber auch die Vorzüge Hessens und der Universitätsstadt Marburg kennen lernen. Eine Reihe von Exkursionen führt die jungen Wissenschaftler unter anderem nach Frankfurt und Kassel, aber auch zu einer Wanderung in den Marburger Wäldern, zum Anatomicum der Universität und in die verwinkelten Gänge des Hessischen Staatsarchivs in Marburg.

Die Marburger Öffentlichkeit kann sich in drei öffentlichen Abendvorträgen am 16., 18. und 23. Juni 2008 der Thematik aus theologischer, kunsthistorische rund philosophischer Sicht nähern.

Öffentliche Abendvorträge

Philipp Stoellger: „Theologie als Bildwissenschaft“
am 16. Juni 2008 um 20:00 Uhr in der Alten Aula der Universität

Professor Dr. Philipp Stoellger von der Universität Rostock verbindet in seinem Vortrag die Bildwissenschaft mit der Theologie. Die protestantische Theologie wirft ein Problem auf, da ihre Hauptströmungen bildlich ausgerichtet sind, die jüdischen Ursprünge jedoch hauptsächlich „nicht-bildlich“, während die katholische Tradition hingegen recht „bilderfreundlich“ ist. Im Vortrag soll die Frage erörtert werden, ob eine protestantische Perspektive inmitten von bildlichen, nichtbildlichen und „bilderfreundlichen“ Ansichten zu finden ist. Dieser Frage soll an Hand von Handlungen innerhalb der Theologie und Religionspraxis nachgegangen werden.

Christiane Kruse: „Das ‚Leben’ der Bilder – und die Kunst der Bild-Überwindung in Mythos, Robotik und Gentechnologie“
am 18. Juni 2008 um 20:00 Uhr, Konzertsaal im Ernst-von-Hülsen-Haus

Die westliche Kulturgeschichte des Bildes hat sich seit jeher mit der Frage beschäftigt, wie das Artefakt bzw. das Bild zum Beispiel durch die Erfindung neuer Technologien zur Abbildung oder Simulation der natürlichen Welt, bewältigt werden kann. Die Kunsthistorikerin Privatdozentin Dr. Christiane Kruse, Philipps-Universität Marburg, widmet sich dem, was die Referentin den transikonischen Impuls in der antiken und modernen Kunsttechnologie nennt, beginnend mit Pygmalions Skulptur, einer Arbeit von perfekter Darstellung.

Im Zeitalter neuer Technologien, von Klonen und Nanotechnologie, scheinen wir eine neue Stufe der Darstellung erreicht zu haben. Dolly oder Polly, die ersten Klon-Schafe, haben einen alten Traum der Menschheit wahrgemacht: die Schaffung künstlichen Lebens. Bald könnte es möglich sein, Menschen von unserem eigenen Antlitz zu schaffen. Das andere Phänomen des Artefakts, verstanden als Lebewesen, verdeutlicht einen allgemeinen Aspekt der westlichen Bildkultur in Abhängigkeit von Platons dichotomischem Konzept von Kunst und Natur, Tod und Leben, Erscheinung und Realität. Es soll gezeigt werden, dass das Bild, das Werk der Kunst, der Klon, zwischen diesen Dichotomien sein eigenes Leben führt – in unserer Vorstellung.

Paul Ziche: Man as man's model – Human models in our scientific self-interpretation
am 23. Juni 2008 um 20:00, Konzertsaal im Ernst-von-Hülsen Haus

Der Philosophie- Professor Dr. Paul Ziche von der Universität Utrecht (Niederlande) referiert zum Versuch einer Erforschung des Menschen durch den Menschen. . Ausgehend von der Komplexität des Menschen und einer scheinbar intimen Vertrautheit mit seinen Möglichkeiten, erscheint es als eine attraktive Strategie, sich die noch komplexeren Leistungen des Menschen ebenfalls nach dessen Vorbild zu denken: So stellen sich die Menschen zum einen die Seele mit Kopf und Füßen vor oder zum anderen durch die Neurowissenschaften werden die Prozesse im Gehirn mit Hilfe von Homunculi sichtbar gemacht.

Die Philosophie des Geistes hingegen wehrt sich gegen diese Art von Visualisierung; der Entwurf des Menschen durch den Menschen erscheint als ein unverfrorener Fall von circular reasoning . Der Vortrag erörtert diese widerstreitenden Haltungen mit Bezug auf den Selbstentwurf des Menschen durch den Menschen und diskutiert die Plausibilität dieses Vorgehens mit einem Fokus auf historischen und aktuellen Entwurfstrategien in den Naturwissenschaften. Ziche wird auf englisch referieren.

Kontakt:

Susanne Löhr, Promotionskolleg für Geistes- und Sozialwissenschaften der Philipps-Universität Marburg
Tel.: +49 (0) 6421/28-26264, Fax: +49 (0) 6421/28-26099
E-Mail: susanne.loehr@staff.uni-marburg.de
http://www.summerschool-marburg.de