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23.11.2009

Seit zwei Jahrzehnten gegen Homophobie

„Autonomes Schwulenreferat“ feierte 20-jähriges Bestehen

Seit 20 Jahren haben Homosexuelle eine Stimme im Allgemeinen Studierendenausschuss der Philipps-Universität: Am vergangenen Samstag feierte das „Autonome Schwulenreferat“ sein Jubiläum mit einem Festakt in der Aula der Alten Universität.

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Der frühere AStA-Präsident Stefan Mielchen hielt den Festvortrag. (Foto: Eva Berendsen/Oberhessische Presse)
Regenbogenfahnen in der Alten Universität? Der altehrwürdige Saal als Feststätte schwulenpolitischen Engagements? „Das hätte vor zwanzig Jahren niemand für möglich gehalten“, bekräftigte Marburgs Bürgermeister Franz Kahle in seinen Grußworten anlässlich des Doppeljubiläums der Hochschulgruppe Rosa Liste und des Autonomen Schwulenreferates. Studenten und Ehemalige blickten zurück auf zwanzig Jahre schwulenpolitische Arbeit in Stadt und Universität, zwanzig Jahre Patriarchatskritik, Engagement gegen anti-schwule Gewalt und für die Stärkung von Homosexuellen in der Provinz. Zeit für Anekdoten, aber auch zum Nachdenken über den gesellschaftlichen Stand von Homosexuellen.

Alexander Klock von der Rosa Liste machte auf Kontinuitäten aufmerksam: Damals wie heute steht die Auseinandersetzung mit konservativen Teilen von Kirche und Gesellschaft im Fokus der politischen Arbeit der Marburger Schwulenaktivisten – sei es in den 1990er Jahren anlässlich zweier Besuche des Fuldaer Titular-Erzbischofs Johannes Dyba in Marburg, sei es in Hinblick auf den „6. Internationalen Kongress für Psychotherapie und Seelsorge“, zu dem im Mai dieses Jahres Referenten nach Marburg geladen worden waren, die Homosexualität als Folge einer psychischen Störung betrachten.

Im Festvortrag von Stefan Mielchen, ehemals Präsident des Allgemeinen Studierendenausschusses und heute Journalist in Hamburg, ging es um die Widersprüche bei der Frage nach der Anerkennung von Homosexualität in der deutschen Gesellschaft. Zwar habe man es mit einer dramatischen Verbesserung der rechtlichen Situation zu tun, indem Homosexualität etwa seit 1994 nicht mehr als Straftat behandelt wird; dennoch: „Die Homophobie in der deutschen Öffentlichkeit existiert in Form verkleideter Toleranz.“ Mielchen veranschaulichte dies am Beispiel der medialen Debatte um Auslandsreisen des neuen Außenministers Guido Westerwelle: „Die Homosexualität von Westerwelle wird problematisiert, nicht aber die Homophobie der Länder, die er bereist.“ Schwule stünden heute unter einem enormen Anpassungsdruck: „Der Wunsch, normal zu sein und die leidige Opferrolle loszuwerden“, sind Mielchen zufolge Gründe für die Schwäche einer schwulenpolitischen Bewegung mit gesellschaftskritischem Impetus. (Bericht: Eva Berendsen)