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08.12.2009

Opfern eine Stimme geben

Internationale Konferenz zu Kambodscha und Uganda in Marburg

Wie können Opfer am Prozess der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen beteiligt werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Marburger Tagung, die Prof. Dr. Thorsten Bonacker (Zentrum für Konfliktforschung), Prof. Dr. Christoph Safferling (Forschungs- und Dokumentationszentrum für Kriegsverbrecherprozesse) und Prof. Dr. Christoph Weller (Universität Augsburg) durchführten. Gast war unter anderem der heute 79-jährige Chum Mey. Selbst betroffen berichtete Mey als Sprecher der Organisation der Opfer der Roten Khmer von seiner Arbeit als Nebenkläger am Gericht sowie von seinen Erlebnissen als Gefangener. Vor wenigen Tagen ging die Hauptverhandlung gegen Kaing Guek Eav, genannt Duch, vor dem kambodschanischen Kriegsverbrecher-Tribunal, das die Verbrechen der Roten Khmer strafrechtlich aufarbeitet, zu Ende. Das Urteil wird für März nächsten Jahres erwartet. Duch war in der Zeit von 1975 bis 1979 Leiter des berüchtigten Foltergefängnisses S-21 im Herzen von Phnom Penh, der Hauptstadt von Kambodscha, in dem zirka 15.000 Gefangenen gefoltert und ermordet wurden. Insgesamt kamen in den knapp vier Jahren der Herrschaft der Roten Khmer rund 1,7 Millionen Menschen ums Leben.

Teilnehmer der Tagung, die das Auswärtige Amt und das Institut für Auslandsbeziehungen finanzierten, waren jeweils 15 Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen aus Uganda und Kambodscha, die sich in ihren Ländern für Opferrechte und Opferinteressen einsetzen und Opfer juristisch und psychologisch unterstützen. In Norduganda begannen in der 1980er Jahren Kämpfe zwischen der Lord's Resistance Army und der ugandischen Armee, bei der schätzungsweise 30.000 Kindersoldaten zwangsrekrutiert wurden. Beide Seiten haben schwere Menschenrechtsverletzungen begangen. Während in Kambodscha ein mit internationalen und kambodschanischen Richtern besetztes Tribunal die Verbrechen aufarbeitet, versucht in Uganda der Internationale Strafgerichtshof die Führungsspitze der Rebellengruppe wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhaften.

In der Mitte der 79-jährige Chum Mey, gemeinsam mit Sylvia Opinia links und Bolin Laing rechts
Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Vortrag von Prof. Dr. Susanne Buckley-Zistel vom Zentrum für Konfliktforschung. Sie betonte, dass die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen mit der internationalen Unterstützung für die Entwicklung der häufig von extremer Armut betroffenen Länder zusammengehen müsse.

Im Verlauf der Tagung wurde diskutiert, welche Möglichkeiten bestehen, in beiden Ländern Opfern eine Stimme im Aufarbeitungsprozess zu verleihen. Einig war man sich darin, dass Gerichtsverfahren allein nicht ausreichen, um Frieden und Versöhnung herzustellen. In den Dörfern und Gemeinden müssen Täter und Opfer nach der Beendigung der Gewalt weiter miteinander leben. Deshalb ist es wichtig, Versöhnungsprozesse zu initiieren . Damit Opfer verzeihen können, müssen die Täter ihre Verbrechen eingestehen. Ein wichtiges internationales Vorbild dafür ist die südafrikanische Wahrheits- und Versöhnungskommission. Opfern ist es aber auch wichtig, die Hauptverantwortlichen hinter Schloss und Riegel zu wissen. Entschädigungen können ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Anerkennung der Opfer leisten.

Die meisten Teilnehmer waren zum ersten Mal in Deutschland. Sie zeigten sich sehr interessiert, auch etwas über die deutsche Vergangenheitsaufarbeitung zu erfahren. Günther Saathof als Vertreter der „Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ und der Marburger Historiker Prof. Dr. Eckart Conze berichteten vom Umgang mit Tätern und Opfern nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Die Organisatoren zeigten sich begeistert von der Atmosphäre, die während der Tagung unter den Teilnehmern entstand. Die Kontakte zwischen den ugandischen, kambodschanischen und deutschen Teilnehmern werden weiter Bestand haben und dazu genutzt werden, sich auch in Zukunft für die Rechte und Interessen der Opfer und für Frieden und Versöhnung nach dem Ende von Gewaltkonflikten einzusetzen.

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