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27.03.2009

Horst Bredekamp erster Richard Hamann-Preisträger

"Ohne die Marburger Jahre hätte ich nichts Preiswürdiges schaffen können", so Bredekamp. Der von den Marburger Kaufleuten Peter und Karin Ahrens gestiftet Preis würdigt hervorragende wissenschaftliche Leistungen in der Kunstgeschichte oder in der Förderung der kunstgeschichtlichen Forschung.

Bredekamp, der Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität Berlin lehrt, erhält den mit 5.000 Euro dotierten Hamann-Preis für seine Verdienste auf dem Gebiet einer interdisziplinär wirksamen und international sichtbaren Historischen Bildwissenschaft. Bredekamp habe wesentlich zur Öffnung der Kunstgeschichte beigetragen und sie in gesellschaftlich relevanten Fragen dialogfähig gemacht, so die Jury: Dies gelte für seine Forschungen zu den Bilderkämpfen als Medium sozialer Konflikte sowie zu Thomas Hobbes und dem Urbild des modernen Staates ebenso wie für seine Studie über Antikensehnsucht und Maschinenglauben . Außerdem erfülle seine Bildwissenschaft heute eine zentrale Brückenfunktion zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, da sie die Rolle des Bildes und des bildhaften Denkens im Prozess der Erkenntnis reflektiert: von der wissenschaftlichen Illustration der Renaissance bis zu den aktuellen bildgebenden Verfahren in den Humanwissenschaften und in monographischen Untersuchungen zu Galilei, Leibniz und Darwin. Schließlich begleite der ausgezeichnete Kunsthistoriker kritisch den alle Lebensbereiche erfassenden Prozess der Digitalisierung, indem er an der Theorie des digitalen Bildes arbeitet.

Bredekamp und Stifter
Preisträger Horst Bredekamp (Mitte) mit Präsident Volker Nienhaus (li.) und den Stiftern Peter und Karin Ahrens (Foto: Hellmuth Grassmann)
Durch seine Arbeit in einer Vielzahl von Beiräten und Kommissionen und als Politikberater ist Horst Bredekamp zurzeit derjenige Kunsthistoriker, der die Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland am nachdrücklichsten mitgestaltet. Dem entsprechend kündigte der Laudator Prof. Dr. Gerhard Wolf, Direktor des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, an, dass es keiner Laudatio bedürfe, da Bredekamp international und über die Fächergrenzen hinweg bekannt sei. Stattdessen versuchte Wolf, die zahlreichen Schnittpunkte zwischen Bredekamp und diesem „nicht ort- und nicht zeitlosen Hamann-Preis“ aufzuzeigen: Der 1947 in Kiel geborene Bredekamp studierte Kunstgeschichte, Archäologie, Philosophie und Soziologie in Kiel, München, Berlin und Marburg. 1974 wurde er von der Universität Marburg promoviert, nachdem er mit einem Richard Hamann-Stipendium seine Doktorarbeit in Marburg hatte schreiben können. Nach einem Ruf 1982 auf eine Professur für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg wechselte Bredekamp 1993 an die Humboldt-Universität zu Berlin, dessen Kunsthistorisches Institut Hamann nach seiner Emeritierung in Marburg 1949 maßgeblich aufgebaut hatte und das bis heute von ihm geprägt sei. Nun schlösse sich der Kreis für den „Bilderstürmer Bredekamp“ mit seiner Auszeichnung des Richard Hamann-Preises, so Wolf.

Tatsächlich gestand Bredekamp: „Ohne die Marburger Jahre hätte ich nichts Preiswürdiges schaffen können.“ Mit Freude und Dankbarkeit nehme er diesen Preis entgegen, ohne jedoch in Nostalgie zu verfallen: In einem kurzen Abriss erklärte Bredekamp, wie ihn die Marburger Promotionsjahre in seinem gesamten Denken geprägt hätten und er so aus der gesellschaftlich engagierten Kritischen Kunstgeschichte der 1970er Jahre eine Historische Bildwissenschaft habe entwickeln können, für die er nun ausgezeichnet würde. Am Beispiel von Gemälden von Jan van Eycks (Mitte des 15. Jahrhunderts) und Werken von Niki de Saint Phalle (Ende des 20. Jahrhunderts) untermauerte Bredekamp sein Plädoyer dafür, Bildern nicht nur einen sekundären Status als Illustration zuzuschreiben. Vielmehr hätte Kunst eine Doppelexistenz als Werk des Künstlers und als beseeltes Kunstwerk.

Schon der Stifter des Preises, Peter Ahrens, hatte in seinem Grußwort auf das besondere Phänomen Kunst hingewiesen, dass es zu fördern gelte. Ahrens betonte die Jahrhunderte alte Tradition, dass Kaufleute die Künste fördern und sich für öffentliche Anliegen engagieren. In diesem Sinne engagieren sich die Marburger Kaufleute Peter und Karin Ahrens seit Jahren unter anderem aktiv als Freunde und Förderer der Philipps-Universität und haben nun den Hamann-Preis gestiftet, der fortan alle zwei Jahre verliehen werden soll.

Der Richard Hamann-Preis für Kunstgeschichte ist dem Gedächtnis an den bedeutenden Kunsthistoriker und Begründer des Bildarchivs Foto Marburg geschuldet und wird in Würdigung seines wissenschaftlichen Gesamtwerkes und seines Wirkens an der Philipps-Universität vergeben: Richard Hamann (1879-1961) lehrte Kunstgeschichte in Marburg von 1913 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1949 und gründete das Bildarchiv Foto Marburg. D as heutige, von der Philipps-Universität Marburg getragene Deutsche Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte, das mit derzeit 1,7 Millionen Bildern eines der größten Bildarchive zur europäischen Kunst und Architektur ist, agiert international als Forschungs- und Serviceeinrichtung: Es sammelt, erschließt und vermittelt Fotografien zur europäischen Kunst und Architektur und erforscht die Geschichte, Praxis und Theorie der Überlieferung von visuellem Kulturgut.