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02.04.2009

Bio-chemisches Origami

Forschungsprojekt Marburger Chemiker auf dem Titelblatt von „Angewandte Chemie“

Die Arbeitsgruppen um Professor Dr. Lars-Oliver Essen und Professor Dr. Ulrich Koert haben zwei Wege untersucht, die es ermöglichen, ein membranständiges Protein an mindestens einer Stelle gezielt chemisch zu verändern. Durch die Ankoppelung einer so genannten Kronenether-Verbindung verändern die künstlich erzeugten Ionenkanäle ihre Leitfähigkeit. Die Erkenntnisse der Marburger Forscher werden in der Mai-Ausgabe der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ veröffentlicht.

Ionenkanäle sind für den Stoffwechsel wichtige Poren in biologischen Membranen, durch die Ionen von einer Seite der Membran auf die andere gelangen. „Membranproteine sind sehr schwierig in der Handhabung, weil sie schnell ihre Form verlieren – deshalb sind auch Kristallisation und Strukturanalyse sehr problematisch“, erläutert Essen. Als Modellsystem verwendeten die Marburger Wissenschaftler das Poren formende Protein „OmpF”, das „Outer membrane protein F“.

Die Wissenschaftler wählten zwei Herangehensweisen, um synthetisch abgeänderte Ionenkanäle zu erzeugen: Bei der einen Route wurde der Großteil des Membranproteins bereits im Bakterium auf biosynthetischem Weg hergestellt, ein kleinerer Teil dagegen durch chemische Festphasensynthese. Beide Fragmente wurden sodann über eine spezielle Koppelungsreaktion miteinander verknüpft. Für diese halb biologische, halb chemische Syntheseweise ist die außerordentliche Stabilität vom „OmpF“ entscheidend, da sich das Protein nach der Verknüpfungsreaktion wieder in seine dreidimensionale Struktur zurückfalten muss. „Diese Rückfaltung eines Membranproteins ist alles andere als trivial, oder um einen Vergleich aus der japanischen Faltkunst Origami zu benutzen, nicht jedes Papier lässt sich gut falten“, so Essen. Bei der anderen Syntheseroute für veränderte Ionenkanäle wurde „OmpF“ komplett im Bakterium Escherichia coli hergestellt. Diesmal führten die Forscher die Anknüpfungsstelle für die chemische Modifikation durch eine Mutation ein.

Dem von der Volkswagen-Stiftung unterstützten Projekt kamen sehr unterschiedliche Expertisen aus Biochemie, organischer Synthese und Elektrophysiologie zugute. Essen betont, dass sich die beiden Arbeitsgruppen hervorragend ergänzt hätten – die AG Essen beschäftigt sich mit biologischen Strukturen, die AG Koert mit den Synthesen chemischer Verbindungen.

Links: Der Ionenkanal OmpF besteht aus drei identischen Einheiten, wobei jede einen Ionenleitweg durch die Membran bahnt. Die synthetisch implantierten Modulatoren (Kronenether) darin sind orange hervorgehoben (rechts oben vergrößert). Rechts unten: Die elektrische Leitfähigkeit des Ionenkanals gibt dessen Durchlässigkeit für geladene Teilchen wieder. Sie ist im abgewandelten OmpF (orange) gegenüber dem unveränderten (schwarz) herabgesetzt. Wenn sich eine Untereinheit des Kanals nach der anderen schließt, nimmt die Leitfähigkeit schrittweise ab.

Originalveröffentlichung: Simon Reitz & al.: Zur Funktion und Struktur synthetisch modifizierter Porine; „Angewandte Chemie“ Mai 2009; Online-Vorabveröffentlichung: DOI: 10.1002/ange.200900457 ( http://www3.interscience.wiley.com/journal/122278767/abstract )

Weitere Informationen:

Ansprechpartner ist Prof. Dr. Lars-Oliver Essen.
Telefon: 06421 28-22032
E-Mail: essen@chemie.uni-marburg.de