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26.01.2011

Krieg dem Krebs

Schein und Wirklichkeit der modernen Onkologie

Prof. Dr. Andreas Neubauer informiert seine Zuhörer in der voll besetzten Aula (Foto: Markus Farnung)

Die Diagnose Krebs erfahren derzeit in Deutschland jedes Jahr eine halbe Million Menschen, rund die Hälfte stirbt daran. Und die Erkrankungsrate steigt seit 40 Jahren kontinuierlich an, wenngleich inzwischen rund ein Drittel weniger Patienten an Krebs sterben.

Allein diese Zahlen zeigen, wie dringend die Erforschung der Krankheit ist. Doch wie weit ist die moderne Onkologie? Über Schein und Wirklichkeit der Krebstherapien informierte der ausgewiesene Marburger Onkologe Prof. Dr. med. Andreas Neubauer am 25. Januar. Wie breit das Interesse an der Therapierbarkeit von Krebs ist, zeigte nicht zuletzt die sehr hohe Zahl der Zuhörer des öffentlichen Vortrags, zu dem die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina eingeladen hatte.

Die Leopoldina ist die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft in Deutschland und seit 2008 zudem die Nationale Akademie der Wissenschaften. Zu Mitgliedern werden hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt gewählt - elf von ihnen kommen aus Marburg.

Da das Präsidium der Leopoldina heute in Marburg tagt, hatte deren Präsident, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Jörg Hacker, am Vorabend zur öffentlichen Leopoldina-Lecture eingeladen. Hacker dankte dem Referenten Neubauer für seinen Vortrag, in dem er die Therapie der Krebserkrankungen unter anderem in ein zeitgeschichtliches Panorama eingebettet hatte: Unter anderem hatte sich Neubauer auf die öffentliche Kriegerklärung gegen den Krebs, die der amerikanische Präsident Nixon vor genau 40 Jahren proklamiert hatte, bezogen. Mit einem zusätzlichen Geldbetrag von 100 Millionen Dollar wäre 1970 die Kampagne zur Heilung des Krebsproblems verkündet worden.

Leopoldina-Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Jörg Hacker und Uni-Präsidentin Prof. Dr. Katharina Krause (Foto: Markus Farnung)

Tatsächlich ist es anders gekommen: Heute sterben weltweit mehr Menschen an Krebs als je zuvor. Inzwischen sei es aber möglich, die Unterschiede zwischen Tumorzellen und gesunden Zellen besser zu verstehen, da unter anderem das humane Genomprojekt und andere Projekte zur komplexen Sequenzierung des menschlichen Genoms geführt haben.

Obwohl die Kenntnisse der genetischen Ursachen von Tumorzellen sehr weit fortgeschritten sind, ließen laut Neubauer die therapeutischen Konsequenzen zum größten Teil noch auf sich warten. Zwar sei es bei der Therapie einiger Krebserkrankungen zu revolutionären Fortschritten von 92 Prozent Überlebensrate gekommen. Doch bei den großen Tumorentitäten wie Brustkrebs, Lungenkrebs oder Dickdarmkrebs stünden die wirklichen Fortschritte noch aus.

Nicht zuletzt plädierte Neubauer nachdrücklich dafür, Krebserkrankungen durch verantwortliches Handeln zu verhindern: „Bei Patienten mit Lungenkrebs wissen wir, dass zu 95 Prozent das Rauchen schuld daran ist!“