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07.11.2011

Aufsichtsratsvergütungen fehlt es an Nachhaltigkeit

Wirtschaftswissenschaftler untersuchten börsennotierte Unternehmen

Gerade einmal 13 Prozent der wichtigsten börsennotierten Unternehmen in Deutschland setzen bei der Vergütung ihrer Aufsichtsräte auf langfristige Anreizkomponenten. Noch weniger Firmen orientieren sich an der langfristigen Entwicklung des Aktienkurses, obgleich der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ (DCGK) ausdrücklich eine erfolgsorientierte Vergütung von Aufsichtsräten anregt, die sich auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezieht. Zu diesem Ergebnis kommen Wirtschaftswissenschaftler aus Marburg und Göttingen in ihrer Studie „Vergütung deutscher Aufsichtsratsorgane 2011 – Analyse der Unternehmen des deutschen Prime Standards von 2005 bis 2010“, die von der Zeitschrift "Der Aufsichtsrat" vorgestellt worden ist.

Zwar verfügte im Jahr 2010 mit 64 Prozent eine deutliche Mehrheit der börsennotierten Unternehmen auch über erfolgsorientierte Vergütungskomponenten. Dennoch haben rein leistungsunabhängige Vergütungssysteme weiterhin eine hohe Verbreitung, insbesondere bei kleinen bis mittelgroßen Unternehmen. „Jedoch selbst in Unternehmen, welche variable Vergütungsbestandteile einsetzen, liegt der Fokus meist auf kurzfristigen Kriterien und ist damit nicht ausreichend am langfristigen Unternehmenserfolg ausgerichtet“, erklären Professor Dr. Marc Steffen Rapp von der Philipps-Universität und sein Ko-Autor Professor Dr. Michael Wolff von der Georg-August-Universität Göttingen. Zudem kritisieren die Autoren einen aktuellen Trend: Mehrere Unternehmen implementierten im Jahr 2010 Vergütungsstrukturen, die explizit eine reine Fixvergütung vorsehen. Da sich darunter auch einige große DAX-Unternehmen finden, könnten kleine und mittelgroße Unternehmen geneigt sein, ebenfalls derartige Vergütungsstrukturen zu adaptieren, vermuten die Autoren.

Die Untersuchung ist Teil gemeinsamer Forschungsaktivitäten des Instituts für Controlling der Philipps-Universität und des Instituts für Management und Controlling der Georg-August-Universität Göttingen zum Themenkomplex Corporate Governance. Im Rahmen dieser Forschungszusammenarbeit befassen sich die Autoren Yves Metzner, Marc Steffen Rapp und Michael Wolff intensiv mit dem Thema Vergütung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern.

Im Fokus der Analyse stehen die beiden grundsätzlichen Gestaltungsdimensionen der Aufsichtsratsvergütung: Struktur und Höhe der gewährten Bezüge. Durch die erhöhten Offenlegungspflichten und die umfassende Auswertung der Geschäftsberichte konnten erfolgsunabhängige und erfolgsorientierte Vergütungskomponenten ausführlich erfasst und analysiert werden. Berücksichtigung finden unter anderem Sitzungsgelder, sonstige Zahlungen sowie kurz- und langfristig erfolgsorientierte Vergütungen. Weiterhin zeigt die Studie auf, wie viele Unternehmen ihre Vergütungsstrukturen im Jahr 2010 angepasst haben und welche Strukturelemente primär betroffen waren. Auf Basis der Hauptversammlungsbeschlüsse wird hierzu auch ein Ausblick für das Jahr 2011 gegeben.

Die Studie ist mit durchschnittlich 320 analysierten Unternehmen für die Jahre 2005 bis 2010 eine der umfangreichsten Studien zum Thema Aufsichtsratsvergütung in Deutschland. Dabei werden grundsätzlich die im Prime Standard der Deutschen Börse AG gelisteten deutschen Unternehmen analysiert, sodass die größten börsennotierten Unternehmen erfasst werden; unter anderem werden dadurch die Unternehmen des DAX, MDAX, SDAX und TecDax umfassend berücksichtigt, das heißt der vier wichtigsten Börsenindices in Deutschland.

Der Studie zufolge partizipierten die Aufsichtsratsmitglieder am wirtschaftlichen Aufschwung mit einer Gesamtvergütung, die gegenüber 2009 durchschnittlich um 17 Prozent gestiegen ist. Sie lag im Jahr 2010 bei 48.000 Euro. Die erfolgsabhängige Vergütung erreichte mit 14.000 Euro fast wieder das Niveau von 2007.

Die durchschnittliche Vergütungshöhe betrug im Jahr 2010 im DAX 127.000 Euro, im MDAX: 73.000 Euro, im TecDAX: 53.000 Euro und im SDAX: 41.000 Euro. In den restlichen Unternehmen des Prime Standards erreichte sie 26.000 Euro. Vor allem in kleinen und mittelgroßen Unternehmen herrscht bei der Festlegung der Vergütungen nach dem Eindruck der Autoren noch immer das traditionelle Verständnis des „Ehrenamtes“ vor.

Eine positive Tendenz zeichnet sich bei der Transparenz der Vergütungsstrukturen und -komponenten ab. Insgesamt 79 Prozent der Unternehmen wiesen im Jahr 2010 Vergütungen individualisiert nach, was gegenüber 50 Prozent im Jahr 2005 einem spürbaren Anstieg entspricht. Allerdings ist die Bereitschaft zu mehr Transparenz nicht in allen Indices gleichermaßen ausgeprägt. Die Autoren stellten auch erhebliche Differenzen in der Qualität und Detailtiefe der offengelegten Informationen fest.
(Pressetext: Verlagsgruppe Handelsblatt)

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Professor Dr. Marc Steffen Rapp,
Institut für Controlling
Tel.: 06421 28- 22019
E-Mail: marc.rapp@wiwi.uni-marburg.de

Inhaltsverzeichnis und Bezug der Studie im Internet: www.fachverlag-shop.de