Zurück zur Übersicht

01.04.2011

Kritik üben

Nachwuchswissenschaftler veranstalteten Konferenz anlässlich des 100. Geburtstags des Marburger Soziologen Heinz Maus

Am 21. März 2011 wäre Heinz Maus, Inhaber des ersten Lehrstuhls für Soziologie an der Philipps-Universität, 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass veranstaltete die Arbeitsgruppe Kritische Theorie des Graduiertenzentrums Geistes- und Sozialwissenschaften am vergangenen Wochenende im Hörsaal der Philosophischen Fakultät einen Kongress mit internationaler Beteiligung, der die mit Maus verbundene interdisziplinäre Tradition einer kritischen Theorie der Gesellschaft in den Mittelpunkt rückte. Unter dem Titel „Traditionalität und Aktualität. Zur Aufgabe kritischer Theorie“ konnten zahlreiche renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Referierende gewonnen werden, die aus verschiedenen Fachrichtungen und Perspektiven  der Möglichkeit einer Aktualisierung dieses an Hegel, Marx und Freud geschulten Denkmodells nachgingen.

Der erste Konferenzteil zu Heinz Maus wurde am Freitag durch ein Grußwort des Soziologen Professor Dr. Friedrich Fürstenberg eingeleitet, der zusammen mit Maus die Buchreihe „Soziologische Texte“ im Luchterhand Verlag herausgegeben hat. Durch ihn wurde der erste Referent, Professor Dr. Frank Benseler, vorgestellt. Benseler gehörte ebenfalls zum Herausgeberkreis dieser für die westdeutsche Nachkriegssoziologie so eminent wichtigen Reihe (unter anderem Herausgabe der Schriften von Herbert Marcuse, Norbert Elias, Eric Hobsbawm).

Frank Benseler erinnerte an Maus' leidenschaftlichen Verpflichtung gegenüber den Zielen der Aufklärung.

Frank Benseler verknüpfte in seinem Vortrag die persönlichen Erinnerungen an Heinz Maus mit einer Vergegenwärtigung der Motive und Ziele der undogmatisch-marxistischen Sozialwissenschaft der Nachkriegszeit. Daran knüpfte im zweiten Vortrag der Darmstädter Politikwissenschaftler Dr. David Salomon an, der tiefer in das inhaltlich und methodisch facettenreiche Wirken von Heinz Maus eindrang und die Hauptlinien seines soziologischen Schaffens herausstellte. Damit wurde ein Übergang zur kritischen Theorie eröffnet, die in zahlreichen Vorträgen nach ihrem Spannungsverhältnis zwischen traditionalisierten Elementen und aktuellen Ansätzen befragt wurde. Das Spektrum der Themen reichte dabei von traditioneller Geistesphilosophie über sprachphilosophische Überlegungen von Theodor W. Adorno und Walter Benjamin bis hin zu aktuell diskutierten sozialphilosophischen Theorien und gesellschaftlichen Konflikten.

Großes Interesse beim Abendvortrag von Alex Demirovic.

Der erste Konferenztag wurde abgeschlossen durch einen Abendvortrag des Politikwissenschaftlers Professor Dr. Alex Demirović (Berlin), in dem die „Genealogie der Kritischen Theorie“ problematisiert wurde. Demirović wies darin die Rede von aufeinander folgenden „Generationen“ der kritischen Theorie zurück, weil die Errichtung solcher Denkstrukturen selbst zu sonst kritisierten hegemonialen Deutungshoheiten führe.

Christoph Menke regte in seinem von Thorsten Bonacker moderierten Vortrag eine Revision des Begriffs der "zweiten Natur" an.

Am Samstag sprach unter anderem der Philosoph und Germanist Professor Dr. Christoph Menke (Frankfurt) über den für die kritische Theorie zentralen Begriff der Zweiten Natur, der oft für die Beschreibung verhärteter und indifferenter Wahrnehmungen von gesellschaftlichen Verhältnissen herangezogen wird. Menke schlug mit Hegel eine Revision dieses Begriffs vor, nach der die Zweite Natur als eine wiederum in sich selbst gespaltene erscheint, die eine kritische und eine affirmative Seite aufweist.

Philip Hogh, Cornelia Klinger und Alexander García Düttmann während der Podiumsdiskussion.

Die im Verlauf der Tagung aufgeworfenen Fragen und eröffneten Diskussionsstränge wurden am Samstag Abend von einer abschließenden Podiumsdiskussion aufgegriffen, die der Marburger Philosoph Professor Dr. Christoph Demmerling moderierte. An dieser Diskussion zur Frage nach der „Praxis kritischer Theorie heute“, die insbesondere die gängigen Mechanismen und Funktionsweisen des heutigen Wissenschaftsbetriebs kritisierte, nahmen unter anderem die Philosophieprofessorin Dr. Cornelia Klinger aus Wien und Professor Dr. Alexander García Düttmann teil, der in London Philosophie und Ästhetik lehrt.

Die Konferenz wurde von den Nachwuchswissenschaftlern der AG Kritische Theorie unter ehrenamtlicher Beteiligung zahlreicher Studierender eigenverantwortlich durchgeführt und neben dem Graduiertenzentrum auch von der Rosa Luxemburg-Stiftung, dem Asta der Philipps-Universität, dem Fem-Archiv, der Buchhandlung Roter Stern, dem Kulturamt der Stadt Marburg sowie dem Ursula Kuhlmann-Fonds finanziert.

Der Erfolg der Tagung lässt sich aus Sicht der Organisatorinnen und Organisatoren auch an der mit über 200 Personen hohen Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern ablesen. Die AG Kritische Theorie wertet die teilweise weiten Anreisewege vieler Besucherinnen und Besucher - unter anderem Wien, Berlin, Stuttgart und Gent - als einen Hinweis auf die überregionale Bedeutung der Konferenz.

Nähere Informationen

Homepage der Konferenz

AG Kritische Theorie


Kontakt

AG Kritische Theorie
Graduiertenzentrum Geistes- und Sozialwissenschaften
Wilhelm-Röpke-Str. 6 E
D-35032 Marburg

Tel.: 28-26141
E-Mail