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11.01.2012

Lebensgefährliche Schläfer im Knochenmark

Marburger Onkologen erforschen Resistenzmechanismus bei Krebs

AG Burchert
Professor Dr. Andreas Burchert (3. von rechts) mit seiner Arbeitsgruppe; vorne in der Mitte: Erstautorin Ashu Kumari
(Foto: Philipps-Universität / AG Burchert)

Marburger Mediziner haben einen neuen Mechanismus entdeckt, wie krebsanfällige Zellen resistent gegen eine Standardtherapie werden. Die Forscher untersuchten Knochenmarkzellen, die das krebsauslösende Gen BCR-ABL tragen. Sie stellten fest, dass diese Zellen dem Arzneimittel Imatinib erstaunlicherweise eher widerstehen, wenn sie nur geringe Mengen des Genproduktes erzeugen, als wenn dessen Konzentration hoch ist. Der Bericht über die Ergebnisse ist bereits der dritte wissenschaftliche Aufsatz, den Marburger Onkologen innerhalb des vergangenen halben Jahres in der Fachzeitschrift "Blood" veröffentlicht haben.

Das Arzneimittel Imatinib ist das Standardpräparat gegen chronische myeloische Leukämie. Die Krankheit geht mit einer unkontrollierten Vermehrung von weißen Blutkörperchen einher und führt zum Tod, wenn sie nicht behandelt wird. Imatinib hemmt die Aktivität des krebsauslösenden Gens BCR-ABL, das für die krebstypische, unkontrollierte Zellteilung verantwortlich ist. Mitunter können Krebszellen jedoch resistent gegen den Wirkstoff werden, so dass es zu Rückfällen kommt. „Die biologischen und genetischen Kennzeichen überlebender Krebszellen sind bislang weitgehend unbestimmt geblieben“, erklärt Professor Dr. Andreas Burchert, der Seniorautor der aktuellen Studie.

Die Wissenschaftler vom Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Immunologie der Philipps-Universität fanden nunmehr die Ursache für die Resistenz heraus. Sie analysierten hierfür überlebende Krebszellen. Die Ergebnisse: Eine Behandlung mit Imatinib vermindert die Anzahl von Zellen, die BCR-ABL-Genprodukte erzeugen; im Durchschnitt ist deren Menge im Knochenmark verringert. Vor allem aber: Die überlebenden Zellen wiesen weniger BCR-ABL-Genprodukte auf als Zellen zum Zeitpunkt der ersten Leukämie-Diagnose.

Die Wissenschaftler gingen diesem Befund experimentell weiter auf den Grund, indem sie ein künstliches Genkonstrukt in Knochenmarkzellen einschleusten, das zu einer geringen Produktion von BCR-ABL führt. Sie stellten fest, dass diese Zellen tatsächlich weniger auf Imatinib ansprechen als Zellen mit hohem BCR-ABL-Produktionsniveau. „Unsere Befunde könnten Bedeutung für künftige Behandlungsstrategien bei chronisch myeloischer Leukämie haben“, folgert Burchert.

„Dies ist der dritte Aufsatz innerhalb kurzer Zeit, den der Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Immunologie in der Fachzeitschrift Blood’ unterbringen konnte“, zeigt sich Professor Dr. Andreas Neubauer erfreut, der Leiter des Schwerpunkts. Vorausgegangen war unter anderem eine Publikation der Arbeitsgruppe von Conny Brendel, die beschreibt, dass für das Anwachsen von Stammzellen nach Stammzelltransplantation bestimmte Oberflächenproteine essentiell sind. Eine weitere Arbeit von Dr. Sabine Teichler identifizierte ein mikro-RNA-Molekül als Regulator bei akuten Leukämien.

Originalveröffentlichung: Ashu Kumari & al.: Low BCR-ABL expression levels in hematopoietic precursor cells enable persistence of chronic myeloid leukemia under imatinib, Blood (2012), 10.1182/blood-2010-08-303495

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Professor Dr. Andreas Burchert,
Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Immunologie
Tel.: 06421 28- 65112
E-Mail: burchert@staff.uni-marburg.de

Professor Dr. Andreas Neubauer,
Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Immunologie
Tel.: 06421 28- 66273 (Sekretariat)
E-Mail: neubauer@staff.uni-marburg.de