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07.12.2012

„Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?“

Die Ausstellung „Echt hessisch? Land Leben Märchen“ im Landgrafenschloss dokumentiert Alltagskultur mit Hilfe der Grimmschen Märchen. So lässt zum Beispiel die berühmte Zwergenfrage "Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?" auf einen Wandel in der Tischkultur hin zum eigenen Teller und weg vom gemeinschaftlichen Topf in der Mitte des Tisches schließen. Die Ausstellung ist bis zum 31.12.2014 zu sehen.

Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Diese und andere Fragen beantwortet die Ausstellung "Echt hessisch? Land Leben Märchen" (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität /Susanne Igler).
Wald
Eftelya Erbasi, eine von rund zwei Dutzend studentischen Mitwirkenden an der Ausstellung "Echt hessisch? Land Leben Märchen", erläutert den romantischen Charkter des Waldes in den Erzählungen der Brüder Grimm (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität / Susanne Igler).
Karin Stichnothe-Botschafter und Prof. Dr. Harm-Peer Zimmermann informieren sich über "Echt hessisch? Land Leben Märchen" (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität / Susanne Igler).

Die Brüder Grimm betonten den hessischen Ursprung der Märchen und deren Herkunft aus dem einfachen Volk. „Unsere Studierenden der Europäischen Ethnologie und der Kulturwissenschaft haben sich in den 14 Monaten Projektarbeit mit der Thematik auseinandergesetzt, dass die Grimmschen Märchen weder ‚stockhessisch‘ noch ‚urdeutsch‘, sondern europäisch sind“, erklärt die Marburger Ausstellungskuratorin Christina Schlag, die zusammen mit Professor Dr. Harm-Peer Zimmermann vom Institut für Populäre Kulturen der Universität Zürich das Lehrforschungsprojekt betreute, das der heute eröffneten Ausstellung „Echt hessisch? Land Leben Märchen“ im Landgrafenschloss zugrunde liegt. „Wie nebenbei geben die Märchen Auskunft über das Leben und den Alltag im 19. Jahrhundert sowie die damaligen Wert- und Moralvorstellungen,“ fügt Zimmermann hinzu. „Die Ausstellung ist daher eine Entdeckungsreise durch die Welt der Märchen und durch die Lebenswirklichkeit der hessischen Landbevölkerung im 19. Jahrhundert,“ sagt Dr. Christoph Otterbeck, Direktor des Museums für Kunst und Kulturgeschichte.

Wo schlief Dornröschen? Otto Ubbelohde verortete einst in seiner bekannten Zeichnung das Schloss der schlafenden Schönheit in Mittelhessen, indem er sich Weilburg als Vorbild nahm. „Viel entscheidender als Fragen nach geographischen Ursprüngen sind jedoch Kernfragen nach dem Alltag der Menschen in früheren Zeiten,“ erläutert Schlag, die die Ausstellung auch kuratierte. Wie lebten die Reichen? Wie ging es in einem Armenhaushalt zu? Wie beging man damals die Übergänge im Leben eines Menschen? Auf diese Fragen suchten die Studierenden im reichen Fundus der Volkskundebestände des Museums für Kunst und Kulturgeschichte sowie mittels ergänzender Leihgaben Antworten. „Anhand der berühmten Zwergenfrage „Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?“ aus „Schneewittchen“ lässt sich beispielsweise ein Wandel in der Tischkultur hin zum eigenen Teller und weg vom gemeinschaftlichen Topf in der Mitte des Tisches schließen,“ erklärt Zimmermann.

„Außerdem erlauben die Märchen Einblick in historische Moral- und Wertvorstellungen, “ führt Schlag aus. Beispielsweise erscheine der Wolf, eines der bekanntesten Märchentiere, in „Der Wolf und die sieben jungen Geißlein“ oder „Rotkäppchen“ als bösartiger Handlungsträger. Die ihm zugewiesenen Charaktereigenschaften wie Habgier, Hinterhältigkeit und Streitlust wurden dem Wolf jedoch immer zum Verhängnis. Am Ende der Märchen bezahlte er mit dem Tod.

Insgesamt 156 Märchen umfassen die beiden Bände der Erstausgabe der „Kinder- und Hausmärchen“ von 1812 und 1815. Viele von ihnen ließen sich die Brüder Grimm von jungen, gebildeten Damen am Teetisch erzählen. Manches entnahmen sie aber auch alten Schriften, die sie in Archiven und Bibliotheken in ganz Deutschland fanden. In den späteren Ausgaben wurden Texte durch andere ersetzt und es kamen weitere Märchen hinzu. Die Ausgabe letzter Hand enthielt 211 Erzählungen. Nicht alle der gesammelten Texte gelangten auch zur Veröffentlichung. Die Brüder Grimm hofften, germanische Ursprünge in der mündlichen Überlieferung ausmachen zu können. Sie berücksichtigten dabei nicht die europaweite Verbreitung vieler Märchen. Die Schreibstube als „Ort des Geschehens“ war eine entscheidende Station des Weges von der Erzählung bis zum heute bekannten Märchen.

Eine Entdeckungsreise für die Sinne in fünf Bereichen solle die Ausstellung werden und zähle daher zu den „7 Streichen“ des Grimm-Themenjahres der Stadt, erläuterte Karin

Stadträtin Dr. Kerstin Weinbach (von links), Karin Stichnothe-Botschafter vom Kulturamt, Museumsdirektor Dr. Christoph Otterbeck, Kuratorin Christina Schlag, die beiden Studierenden Eftelya Erbasli und Paulina Rinne sowie Prof. Dr. Harm-Peer Zimmermann freuen sich über den von Waltraut Theis, Regionaldirektorin der Volksbank Mittelhessen, überreichten Scheck (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität / Susanne Igler).
Professor Dr. Harm-Peer Zimmermann (von links), Kuratorin Christina Schlag,Oberbürgermeister Egon Vaupel, Karin Stichnothe-Botschafter vom Fachdienst Kultur der Stadt Marburg, Universitätspräsidentin Prof. Dr. Katharina Krause, Studentin Paulina Rinne, Museumsdirektor Dr. Christoph Otterbeck und Sven Werner, Filialbereichsleiter Marburg-Stadt der Volksbank Mittelhessen, stellten sich bei der Ausstellungseröffnung zum Gruppenfoto. (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität/Gabriele Neumann)

Stichnothe-Botschafter vom Fachdienst Kultur der Universitätsstadt Marburg. „Daher haben wir die Ausstellung, die sich zudem am Höhepunkt des Grimm-Dich-Pfads befindet, gerne mit 8000 Euro gefördert“, fügt Kulturstadträtin Dr. Kerstin Weinbach hinzu. Waltraud Theis, Regionaldirektorin der Volksbank Mittelhessen, die die Ausstellung ebenfalls mit einer Basisförderung in Höhe von 15.000 Euro unterstützt, erklärte: „Uns sind die Menschen in Mittelhessen wichtig. Daher macht es Freude, junge Leute zu unterstützen, ihre Version einer Ausstellung zu verwirklichen – umso mehr, da diese eine Strahlkraft für die Region hat.“ Als „ganz toll“ empfindet wiederum Paulina Rinne, die zusammen mit rund zwei Dutzend Mitstudierenden an der Ausstellung arbeitete, die Tatsache, dass die im Seminar gesponnenen Ideen nicht nur auf dem Papier blieben, sondern tatsächlich Gestalt annehmen konnten. Das habe einen ungeheuren Motivationsschub gegeben, fügt ihre Kommilitonin Eftelya Erbasli hinzu.

Die Ausstellung wird bis zum 31.12.2014 zu den üblichen Museumsöffnungszeiten zu sehen sein (Dienstag – Sonntag 10–16 Uhr; Sommeröffnungszeiten 1. Apr. – 31. Okt.: 10 – 18 Uhr).

Weitere Informationen:

http://www.uni-marburg.de/uni-museum

Eintritt: 4 € / 3 € (erm.), Familienkarte: 6 €

Nähere Informationen zur Ausstellung

Kontakt

Maria Kratz, Geschäftszimmer des Museums für Kunst und Kulturgeschichte der Philipps-Universität Marburg
Tel.: 06421/2822355
E-Mail