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29.03.2012

Angehende Osteopathen mit Sehbehinderung begreifen in Marburg die Anatomie des Menschen

TransMIT und Anatomisches Institut der Philipps-Universität boten maßgeschneiderte Fortbildung an

Anatomie begreifen
Die Anatomie begreifen: Der blinde Kursteilnehmer Dirk Fleger ertastet an einem Skelett Knochstrukturen (Foto: Stephan Schienbein).
Anatomie-Kurs mit Sehbehinderten
36 angehende Osteopathen mit Sehbehinderung absolvierten einen Anatomie-Kurs an der Philipps-Universität (Foto: Stephan Schienbein).

Absolutes Neuland haben der Projektbereich für anatomische Weiterbildung und Präparation an der TransMIT – Gesellschaft für Technologietransfer mbH und das Institut für Anatomie und Zellbiologie der Marburger Philipps-Universität letzte Woche betreten: In Zusammenarbeit mit dem Berufsförderungswerk Mainz (Zentrum für Pysikalische Therapie) wurden 36 angehende Osteopathen an anatomischen Original-Präparaten fortgebildet. Die Besonderheit: Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des mehrtägigen Kurses hatten eine Sehbehinderung unterschiedlicher Ausprägung.

„Soweit wir wissen, war dies der erste Anatomie-Kurs für blinde und sehgeschädigte angehende Osteopathen“, sagte Privatdozent Dr. Reiner Westermann, einer der Kursleiter. Der Kurs habe auch die Tutoren vor große Herausforderungen gestellt. „Allein die Orientierung in den Kursräumen musste geplant werden und alles, was in anderen Kursen gezeigt wird, musste den Teilnehmerinnen und Teilnehmern intensiv erklärt werden. Auf eine anatomische Struktur zu zeigen, hat in diesem Fall nicht gereicht. Jeder Kursteilnehmer hatte die Möglichkeit, Strukturen, Muskeln oder Organe mit den Händen zu ertasten und im Wortsinne zu begreifen“, fuhr Westermann fort.

Dirk Fleger, einer der blinden Kursteilnehmer aus Mainz, war von dieser Möglichkeit der Ausbildung begeistert. „Überwindung hat es nicht gekostet, die anatomischen Präparate zu berühren. Es war hochinteressant, die Organe und Strukturen zu ertasten“, erzählte er. Dabei habe er sehr große Erkenntnisse gewonnen.

Auch Kursteilnehmerin Nicole Plaul aus Mainz fand den Kurs sehr aufschlussreich: „Wenn man weiß, wie sich ein Organ unter der Hülle, die es sonst umgibt, anfühlt und wie es im Körper gelagert ist, kann man später am Patienten viel besser darauf eingehen“, erzählte sie. Auch die Topografie, also die Lage und Position verschiedener Organe, Muskeln, Nerven oder Gefäße zueinander, sei durch diesen Kurs viel besser zu erfassen gewesen. „Am Modell kann man das so genau nicht lernen“, erläuterte Plaul.

Der Kurs im Marburger Institut für Anatomie und Zellbiologie fand unter der Leitung von PD Dr. Reiner Westermann und Jens Cordes statt.  Der ebenfalls von Westermann und Cordes geleitete TranMIT-Projektbereich für anatomische Weiterbildung und Präparation bietet eine breite Palette von Fortbildungsveranstaltungen, zum Beispiel OP-Trainings für Ärzte, Demonstrationen an humanen Präparaten für Wissenschaftler und Studierende nichtmedizinischer Fächer mit Bezügen zur Humanmedizin (etwa aus Biologie, Neurowissenschaften, Pharmakologie, Sexualwissenschaften, Physik, Linguistik, Sportwissenschaften) sowie Fortbildungen für Angehörige und Auszubildende aller medizinischen Hilfsberufe und anderer Berufsgruppen mit medizinischen Bezügen (Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk). Auch Studierende der Medizin und Doktoranden des Instituts, die über langjährige Erfahrung als Tutoren in der anatomischen Ausbildung verfügen, kamen als Unterrichtspersonal für die sehbehinderten angehenden Osteopathen zum Einsatz.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: PD Dr. Reiner Westermann und Jens Cordes, TransMIT Projektbereich für anatomische Weiterbildung & Präparation

Institut für Anatomie und Zellbiologie am Fachbereich Humanmedizin

der Philipps-Universität-Marburg

Tel.: 06421-28-64023, 28-64078

e-mail: Westermann@transmit.de , cordes@staff.uni-marburg.de

Projektbereich für anatomische Weiterbildung & Präparation im Internet: www.transmit.de