Zurück zur Übersicht

20.11.2013

"Bildung ist der Aufzug zur Freiheit"

Marburger Medizinstudentin Ümmühan Ciftci erhält Leuchtturmpreis der Stiftung Ravensburger Verlag

Ümmühan Ciftci, Trägerin des Leuchtturmpreises 2013 der Stiftung Ravensburger Verlag (Mitte) mit ihrer Schwester Hill Ciftci, Stiftungsvorsitzender Dorothee Hess-Maier, ihren Eltern Melahat und Mehmet Emit Ciftci sowie Andrea Reidt, Projektleiterin der Stiftung (Ingo Heine/Stiftung Ravensburger Verlag).
Ümmühan Ciftci, Trägerin des Leuchtturmpreis 2013 der Stiftung Ravensburger Verlag (Foto: Ingo Heine/Stiftung Ravensburger Verlag).
Die Marburger Medizinstudentin Ümmühan Ciftci (Foto) erhält den mit 8.000 Euro dotierten Leuchtturm-Preis 2013 der Stiftung Ravensburger Verlag, ein Preis „für vorbildliches Engagement im Sektor familiäre, institutionelle oder ehrenamtliche Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen“. Ümmühan Ciftci (24) gründete den Verein „InteGREATer“, in dem junge Menschen mit Migrationshintergrund in Schulen, Jugendtreffs, Mütter- und Kulturzentren vor Jugendlichen und Eltern ihre eigene Erfolgsgeschichte erzählen und Mut zu höherer Bildung machen. Der Preis wurde am 18. November in Berlin übergeben. Der Leuchtturm-Preis der Stiftung Ravensburger Verlag wird nicht öffentlich ausgeschrieben.

Die Stiftungsvorsitzende Dorothee Hess-Maier erklärte zur Auswahl der Preisträgerin 2013:Die Studentin Ümmühan Ciftci geht mit gutem Beispiel voran, indem sie ihre eigene Bildungsgeschichte an Schüler, Schulabsolventen und Eltern mit Migrationshintergrund weitergibt. Es gelang ihr damit, bis heute etwa 150 Ehrenamtliche mit Migrationshintergrund aus mehr als 35 Nationen zu finden, die sich in unserem Bildungssystem durchgesetzt haben und sich nun als Erwachsene dafür engagieren, Jüngere zu motivieren und ihnen Hoffnung zu geben. Man weiß aus der pädagogischen Forschung und eigener Erfahrung, dass die guten oder schlechten Vorbilder, die Mutter, Vater, Verwandte, ältere Geschwister und Freunde abgeben, die wichtigste Anregung für das Handeln von Kindern und Heranwachsenden darstellt. Die Studentin Ümmühan Ciftci, die trotz mancher Widerstände ihren Weg fand, die ein sehr gutes Abitur ablegte und jetzt beginnt, sich aufs medizinische Staatsexamen vorzubereiten, handelte selbst als „Leuchtturm“. Ihr Engagement, dem sich überregional immer mehr „Integreater“ anschließen, ist vorbildlich im wörtlichen Sinne.

„Wir brauchen faire und gute Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Das ehrenamtliche Engagement, vor allem Elternarbeit, spielt hierbei eine wichtige Rolle. Ümmühan Cifti zeigt als Brückenbauerin und Multiplikatorin mit ihrem Verein eindrucksvoll, wie Integration durch Bildung gelingt“, sagte der Berliner Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu (Bündnis 90/Die Grünen) in seiner Laudatio auf die Leuchtturm-Preisträgerin.

„Bildung ist der Aufzug zur Freiheit. Wenn ich meine Eltern nicht bekniet hätte, mich unbedingt auf ein Gymnasium zu schicken, hätte ich sicherlich meinen Traum, Ärztin zu werden, frühzeitig begraben müssen“, erzählt die Preisträgerin. Als Kind türkischer Eltern, mit vier weiteren Geschwistern, war sie am Ende der Grundschulzeit in Kassel von der Lehrerin nicht für den Gymnasialzweig empfohlen worden, obwohl sie gute Noten vorweisen konnte. Dieses Schlüsselerlebnis veranlasste Ümmü, wie ihre Freunde sie nennen, nach dem mit ausgezeichneten Noten absolvierten Abitur in ihre alte Schule zurückzukehren, um der Lehrerin ihr Abschlusszeugnis zu zeigen. Gemeinsam mit Freunden überzeugte sie den Schulleiter, eine Informationsveranstaltung für Eltern und Kinder mit Migrationshintergrund zu erlauben. „Der Rektor lernte dabei Väter und Mütter kennen, die er noch nie in der Schule angetroffen hatte, und noch dazu beteiligten sich diese rege mit Fragen und Diskussionsbeiträgen.“

Momentan bemüht sich der von Ümmühan Ciftci gegründete Verein InteGREATer, in dessen Frankfurter Büro eine Teamleiterin und eine Organisatorin die praktische Arbeit koordinieren, um Mitstreiter in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern. In Baden-Württemberg bildete sich eine erste InteGREATer-Gruppe in Mannheim. Alle ehrenamtlich Tätigen erhalten anfangs, bevor sie in die Schulen und Einrichtungen ausschwärmen, eine professionelle Schulung, damit sie ihre eigene Geschichte zielorientiert und verständlich zu berichten lernen. Der Verein finanziert sich bislang mit Hilfe eines Förderbetrags des Hessischen Integrationsministeriums, mit den Beiträgen von Fördermitgliedern und privaten Spenden. Wegen ihrer intensiven Tätigkeit für den Verein und ihrer Bildungsidee legte Ümmühan Ciftci ihr Physikum, den ersten Teil der medizinischen Prüfung, ein Jahr später als üblich ab, verlor dadurch ihre Förderung durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes und muss sich die letzte Phase ihres Studiums weitgehend selbst finanzieren.

Den Buchpreis 2013 der Stiftung Ravensburger Verlag, der mit 12.000 Euro versehen ist, nahm die Wiener Schriftstellerin Doris Knecht (47) für ihren Familienroman “Besser“ entgegen.

Kontakt

Andrea Reidt
Stiftung Ravensburger Verlag
E-Mail