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04.02.2013

Von der Notwendigkeit demokratischer Öffentlichkeit und Verfassungstreue

Professor Dr. Heribert Prantl, Jurist, Leitartikler und Redakteur der Süddeutschen Zeitung, ist am 4. Februar 2013 in der Aula der Marburger Alten Universität mit der höchsten geisteswissenschaftlichen Auszeichnung der Philipps-Universität geehrt worden.

Heribert Prantl bei seiner Dankesrede zur Verleihung des Brüder Grimm-Preises (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität Marburg / Markus Farnung).
Der Journalist Professor Dr. Heribert Prantl nahm den Brüder Grimm-Preis 2012 aus den Händen von Marburgs Unipräsidentin Professorin Dr. Katharina Krause entgegen (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität Marburg / Markus Farnung).
Verleihung des Brüder Grimm-Preises an Heribert Prantl (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität Marburg / Markus Farnung).
Nach der Begrüßung durch Uni-Präsidentin Professorin Dr. Katharina Krause ging Laudator Professor Dr. Karl Braun in seiner Rede auf die „ethnographische Exkursion in die Wirklichkeit der Gefängnisse“ ein, die der "Knastologe" Prantl 2009 in einem vielbeachteten Beitrag im Magazin der Süddeutschen Zeitung vorgelegt hatte. Ebenso wie in seinen Leitartikeln sei das Verändern zum Besseren auch hier der Beweggrund des Schreibens, führte Braun aus. „Heribert Prantl ist einer, der sich mit Engagement, Sachverstand, breitem Wissen und Wissensdurst für die Gestaltung der politischen Kultur im Sinne demokratisch verfasster Grundsätze einsetzt und nicht nachlässt, für deren Ausgestaltung zu kämpfen“.

Der zweite Laudator Dr. Peter Becker betonte ebenfalls die Notwendigkeit demokratischer Öffentlichkeit und Verfassungstreue, die er als Leitmotive Prantls ausmachte. Am Beispiel eines Beitrags des Preisträgers zum 150-jährigen Jubiläum der Paulskirchenverfassung von 1999 und einem Bericht zum 60. Geburtstag des Grundgesetztes von 2008 konstatierte er: „Prantl liebt Verfassungen“. In seinem „Liebeskummer-Brief“, erklärte Becker, habe der SZ-Redakteur den trockenen, spröden Charakter des Grundgesetztes beklagt, das weniger schwungvoll und sprachgewaltig sei als andere Verfassungen. Darum wünsche sich der Laudator ein „Verfassungslesebuch, in dem die interessantesten und lehrreichsten Kapitel des Verfassungsfans" Prantl zusammengefasst seien.

Auch dessen höchst bildhafte Sprache und die Treffsicherheit der von ihm geschaffenen Bilder prädestinierten Prantl als Preisträger, hieß es im Vorschlag an das Auswahlgremium: „Es ist auch diese Formulierungskunst, die Heribert Prantl in eine Reihe mit den Brüdern Grimm und in die beste Tradition deutscher Essayistik stellt“.

Der Geehrte legte in seiner Dankrede unter dem Titel “Die Brüder Grimm, meine Großmutter und die Kraft der Provinz“ den Einfluss von Jacob und Wilhelm Grimm auf die Kommentierung der deutschen Politik dar: „Zu  Kohl, Genscher, Strauß und Schäuble, zu Gerhard Schröder und Angela Merkel, zu Edmund Stoiber, Seehofer und Westerwelle gesellen sich da in meinen 25 Jahren als politischer Journalist ganz gern die Frau Holle, der Hans im Glück, der Froschkönig, der Teufel mit den drei goldenen Haaren und der getreue Heinrich“. Dies sei der Prägung durch seine Großmutter Maria Prantl zu verdanken, die ihm als Viereinhalbjährigen mit den berühmten Märchen das Lesen beibrachte. Mittels der „Nutzanwendung von Märchen“ habe er zahlreiche Ereignisse in der Politik illustriert. Helmut Kohl sei zum Beispiel einer gewesen, der ausgezogen sei, das Fürchten zu lernen, wie Prantl diesem in ein Albumblatt zum 70. Geburtstag schrieb.

Gleichzeitig würdigte Prantl die oft „entpolitisierten, verbiedermeierten und verniedlichten Brüder Grimm“ als „politische Professoren“, die sich dem König von Hannover mit dem Satz widersetzten: „Wenn die Wissenschaft hier kein Gewissen mehr haben darf, muss sie sich eine andere Heimstatt suchen“. Dies sei ein politischer Satz gewesen, auch wenn die Grimms keine politischen Volkslehrer gewesen seien. Anhand der „Geschichte von den drei Weisen aus dem Abendlande, ein Evangelium am Weihnachtsabend“ von 1850, das zwar nicht aus Grimmscher Feder stamme, aber die Verbundenheit mit dem "Kindlein Freiheit" illustriere, erläuterte Prantl: "Märchen sind mehr als possierliche Erzählungen". Sie zeigten, dass der Schutz von Freiheit eine Lebensaufgabe sei und in solidarischer Aktion gelingen könne.

Der 1953 geborene Heribert Prantl gehört der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung an und hat sich als Chef der innenpolitischen Redaktion und politischer Leitartikler einen Namen gemacht. Prantl studierte Rechtswissenschaften, Philosophie und Geschichte in Regensburg und war vor seiner journalistischen Laufbahn als Anwalt, Richter und Staatsanwalt tätig. Neben seiner redaktionellen Arbeit  hat der promovierte Jurist und Honorarprofessor der Universität Bielefeld zudem zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, politische Bücher und Essays vorgelegt. Zuletzt erschienen von ihm die Abhandlung „Die Welt als Leitartikel – Zur Zukunft des Journalismus“ (2012) und die Essaysammlung „Der Zorn Gottes. Denkanstöße zu den Feiertagen“ (2011). Und auch Themen wie „Die Zerstörung der sozialen Gerechtigkeit“ (2005) und „Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht“ (2008) hat Prantl in seinen Büchern erörtert.

Mit dem Brüder Grimm-Preis würdigt die Philipps-Universität Marburg alle zwei Jahre hervorragende Leistungen auf den Forschungsgebieten der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, insbesondere den Sprach- und Literaturwissenschaften, der Volkskunde / Europäischen Ethnologie, der Rechtsgeschichte und der Geschichtswissenschaft.

Der seit 1943 verliehene Preis besteht aus einer Urkunde, einer Medaille mit dem Abbild der Gebrüder Grimm sowie einem Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro. Der Auswahlkommission gehören neben der Präsidentin der Philipps-Universität die Hessische Wissenschaftsministerin, je ein Professor der relevanten Forschungsgebiete, ein Vertreter der Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel sowie der Leiter des Brüder Grimm-Museums der Stadt Kassel an.

Weitere Informationen:

Brüder Grimm-Preis im Internet

Laudatio von Prof. Dr. Karl Braun

Laudatio von Peter Becker

Dankesrede Heribert Prantls

Themenschwerpunkt zu den Brüdern Grimm auf dem in Marburg erscheinenden Portal literaturkritik.de

Kontakt

Prof. Dr. Karl Braun
Institut für Europäische Ethnologie
Tel.: 06421/28-24923
E-Mail