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12.08.2013

Bewegt und in Farbe

Wie sich Virenbestandteile durch Zellen bewegen

Dem Tod auf der Spur: Wissenschaftler aus Marburg und Hannover haben beobachtet, wie sich Viren durch die Zellen ihrer Wirte bewegen. Die Krankheitserreger können vergleichsweise lange Strecken zurücklegen, indem sie sich am Gerüst der Wirtszellen entlanghangeln, stellte das Team um Professor Dr. Stephan Becker und Gordian Schudt am Beispiel des Marburg-Virus (MARV) fest. Den Forschern gelang es, die Virenbestandteile mit einem Farbstoff zu markieren, der eine leuchtende Spur hinterlässt. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in der aktuellen Online-Vorabausgabe der Wissenschaftszeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA“ (PNAS) nachzulesen.

Die gelborange leuchtenden Viruspartikel bewegen sich entlang der fingerförmigen Filopodien, wie die zeitversetzten Aufnahmen zeigen. (Fotos: Gordian Schudt / Philipps-Universität)

„Dank der Markierung mit Fluoreszenzfarbstoffen wissen wir nun, wie der Transport der Virenbestandteile vonstattengeht und an welchem Ort die infektiösen Partikel zusammengesetzt werden“, fasst Becker die Ergebnisse der Untersuchung zusammen. Viren bergen ihr Erbgut in einer mehrschichtigen Hülle, die aus dem innenliegenden Kapsid sowie einer Zwischenschicht oder Matrix besteht; wenn ein Erreger die Wirtszelle verlässt, so umgibt er sich noch mit einem Teil von deren Zellmembran, so dass die Matrix zwischen dieser und dem Kapsid zu liegen kommt.

Das Marburg-Virus und nahverwandte Erreger nutzen fingerförmige Ausstülpungen der Zellen, sogenannte Filopodien, um sich in die Umgebung auszuschleusen, so dass sie neue Opfer befallen können. Aber wie gelangen Kapsid- und Matrixproteine an die Austrittsstelle, wann und wo schließen sie sich zusammen?

Die Wissenschaftler entwickelten ein Verfahren, um die Proteine farbig aufleuchten lassen, so dass man unter dem Mikroskop den Weg der Virenbestandteile nachverfolgen kann. „Man sieht sie in Echtzeit durch die Zelle sausen“, schildert Becker das Ergebnis. Die Aufnahmen sehen aber nicht nur schön aus, betont der Virologe: Sie zeigen, dass sich die Kapsidproteine unabhängig vom Matrixprotein VP40 zur Zellmembran bewegen. Die Virenbestandteile nutzen hierfür die Aktinfilamente des Zytoskeletts. Erst nachdem sich die beiden Komponenten miteinander vereinigt haben, können sie über die Filopodien zur Austrittsstelle gelangen.

„Der Erfolg macht uns zuversichtlich, dass mit unserer Methode auch einiges über zelluläre Transportwege zu lernen ist“, sagt Becker. „Außerdem sind solche Stoffwechselwege, die von Viren benutzt werden, natürlich auch immer mögliche Ziele für antivirale Medikamente, von denen es für das Marburg-Virus ja noch keine gibt.“ Der Erreger ruft hohes Fieber und Blutungen hervor, die zum Tode führen können.

Stephan Becker leitet das Institut für Virologie der Philipps-Universität, das über eines der modernsten Hochsicherheitslabore weltweit verfügt. Der Virologe ist außerdem maßgeblich am „Deutschen Zentrum für Infektionsforschung“ (DZIF) beteiligt und amtiert als Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1021 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der sich mit RNA-Viren beschäftigt. Die vorliegende Studie wurde sowohl von der Leibniz Graduate School for Emerging Infectious Diseases“ (EIDIS) finanziell gefördert als auch von der DFG durch deren Sonderforschungsbereich 593 ("Mechanismen der zellulären Kompartimentierung und deren krankheitsrelevante Veränderungen", Sprecher: Professor Dr. Roland Lill).

Originalveröffentlichung: Gordian Schudt & al.: Live cell imaging of Marburg virus infected cells uncovers actin-dependent transport of nucleocapsids over long distances, PNAS 2013

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Stephan Becker,
Institut für Virologie
Tel.: 06421 28-66253
E-Mail: Becker@staff.uni-marburg.de
Internet: www.uni-marburg.de/fb20/virologie

Online-Ressourcen:

Medieninformation zum SFB 1021: http://www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2012d/1121a

Medieninformation zum DZIF: http://www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2012b/0629a
http://www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2012d/1214c