Zurück zur Übersicht

06.05.2014

Blick ins Innerste eines Völkermords

Marburger Politikwissenschaftler wirbt um Crowdfunding für seine Feldforschung in Kambodscha

Timothy Williams (Foto: Daniel Welschenbach).
Blick auf Häftlingszellen im ehemaligen Foltergefängnis Tuol Sleng, Phnom Penh, Kambodscha (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität / Timothy Williams).
Einige von Hunderten von Totenköpfen in der Gedenks-'Stupa' (Tempel) am Choeung Ek Killing Fields Memorial Museum, Phnom Penh, Kambodscha (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität / Timothy Williams).

„Wieso gewöhnliche Menschen sich in vielen Ländern auf der Welt immer wieder an Völkermorden beteiligen, ist die Schlüsselfrage meiner Dissertation“, erklärt  der Marburger Nachwuchsforscher Timothy Williams. Aus Forschungen in der Sozialpsychologie, Soziologie und Geschichte zu Tätern im Holocaust und in Ruanda habe er ein Modell entwickelt, das diese Beteiligung erklären könne. Um dieses Modell an einem tatsächlichen Kontext zu testen, werde der Politikwissenschaftler nach Kambodscha reisen und mit ehemaligen Tätern des Genozids der Khmer Rouge sprechen. „Ich werde sechs Monate lang Interviews mit ehemaligen Tätern in vier verschiedenen Dörfern durchführen, um besser ihre Motivationen und ihre Pfade in die Beteiligung zu verstehen, und dabei quasi in das Innerste eines Völkermords schauen“, erläutert er. Dafür sei es wichtig, zunächst einmal das Vertrauen dieser Personen zu gewinnen. Das brauche es Zeit, Geduld und einen guten Übersetzer. Da die Kosten in Höhe von 6000 Euro für Transport, Kost, Logis und Honorar für einen Übersetzer nicht über Williams‘ eigenes Stipendium finanziert werden können, sucht er nun Unterstützung von Einzelpersonen über die Crowdfunding-Plattform Sciencestarter von Wissenschaft im Dialog (WiD).

Über Sciencestarter macht er sein Projekt bekannt, wirbt für seine Forschungsidee und verspricht potenziellen Unterstützern, sie regelmäßig über den Fortschritt seiner Forschung zu informieren. Zukünftige Sponsoren können sich zum Beispiel je nach Höhe der Zuwendung auf ein fotografisches Dankeschön, das Kooperationspartner Daniel Welschenbach im Feld erstellt, ein Briefchen Kampot Pfeffer oder eine Nennung in der Dissertation freuen; einem besonders großzügigen Spender hat Timothy Williams einen Vortrag über sein Forschungsprojekt oder eine Führung durch Gedenkstätten in Kambodscha versprochen.

Seine möglichen Geldgeber stellt Williams sich als gesellschaftlich engagiert vor: „Dieses Projekt könnte insbesondere für Menschen spannend sein, die eine Leidenschaft für Menschenrechte haben oder die sich schon immer gefragt haben, wie jemand seinen Mitmenschen solche Gräuel antun kann. Menschen, die sich an Völkermord beteiligen, sind nämlich ganz gewöhnlich, nicht inhärent böse oder Psychopathen. Deswegen ist es umso wichtiger zu verstehen, wieso sie das tun, und wie es dazu kommt.“

Sein Forschungsprojekt sei nur ein kleiner Teil dieses großen Vorhabens, beinhalte aber den ersten Versuch, ein übergreifendes Modell zu entwickeln, um diese gewöhnlichen Mörder im Völkermord zu verstehen, führt er aus. Es könne also langfristig Auswirkungen auf mögliche Präventionsprojekte haben. „Natürlich ist das Thema wissenschaftlich am interessantesten für Sozialwissenschaftler, aber unterm Strich  ist das Ergebnis ja relevant für uns alle!“, appelliert er. Trotz des ständigen Aufschreis 'Nie Wieder!' gäbe es immer wieder Völkermorde - und aus diesem Grund sei es so wichtig, dass zu den Dynamiken von Völkermord geforscht werde. „Nur wenn wir diese Dynamiken verstehen, werden wir eine Chance haben, sie in Zukunft zu verhindern“, ist sich der Politikwissenschaftler sicher.

Der Feldforschung sieht der Nachwuchsforscher mit gemischten Gefühlen entgegen: „Ich fürchte mich und freue mich zugleich auf den Aufenthalt in Kambodscha - die Aussicht, sechs Monate lang meiner Forschungsfrage nachzugehen, finde ich extrem spannend. Aber ein halbes Jahr im täglichen Gespräch mit ehemaligen Beteiligten am Völkermord zu verbringen und immer wieder zu versuchen, in ihre Köpfe zu dringen, sie und ihr Handeln zu ergründen, wird mir viel Kraft abverlangen.“

Timothy Williams ist  wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg und Doktorand an der Freien Universität Berlin; nebenher leitet er die Organisation hinter der Webplattform www.beyondviolence.org ,  die sich für gewaltlose Konflikttransformation einsetzt und Kampagnen mit innovativen Internet- und Mobilfunktechnologien durchführt. Er besitzt einen Bachelorabschluss in Politikwissenschaft der Universität Mannheim und einen Masterabschluss der London School of Economics in Comparative Politics. Im Rahmen des Forschungsprojekts wird es mit dem Fotografen Daniel Welschenbach eine künstlerische Kooperation zum Thema Täter in Kambodscha geben.

Wissenschaft im Dialog (WiD) bringt seit 1999 Wissenschaft und Gesellschaft miteinander ins Gespräch. Mit der Crowdfunding-Plattform Sciencestarter verfolgt WiD seit 2012 die Idee, dass Forscher und Kommunikatoren ihre Arbeit auf der Website präsentieren und in einen direkten Austausch mit Interessierten treten. Somit ermöglicht WiD kleineren wissenschaftlichen Projekten eine onlinebasierte Finanzierung über viele Einzelpersonen. Es ist die erste deutschsprachige Crowdfunding-Plattform für Projekte aus Forschung und Wissenschaftskommunikation. Sciencestarter ist insbesondere interessant für Projekte, deren anberaumte Summen zu klein für öffentliche Förderanträge sind und die schnell umgesetzt werden wollen. Insgesamt haben schon 21 junge Forscherinnen und Forscher ihre Projektideen über die Crowdfunding-Plattform finanziert. Sciencestarter wird vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gefördert.

Weitere Informationen:

http://www.sciencestarter.de/voelkermord
Projektvideos: http://youtu.be/Cm7sOaomvQs und http://youtu.be/gls6VDEQI4Y
http://www.uni-marburg.de/konfliktforschung/personal/williams/williams

Kontakt

Timothy Williams, MSc
Zentrum für Konfliktforschung
Tel.: 06421-28-24455
E-Mail