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26.10.2015

Kontakt zwischen Gruppen reduziert Vorurteile

Internationale Psychologenvereinigung ehrt Forschungsarbeit von Marburger Sozialpsychologen

Prof. Dr. Ulrich Wagner ist Sozialpsychologe an der Philipps-Universität Marburg. Foto: Laackman Photostudios Marburg

Eine internationale Forschungsgruppe aus der Sozialpsychologie hat für ihre Veröffentlichung „Contextual effect of positive intergroup contact on outgroup prejudice” den renommierten „Gordon Allport Intergroup Relations Prize“ der Society for the Psychological Study of Social Issues erhalten.

Die Autorengruppe aus Marburg, Hagen, Göttingen, Oxford (England), Saint Andrews (Schottland), Stellenbosch (Südafrika), Montreal (Kanada) und Singapore untersuchte anhand von Umfragedaten aus Deutschland, verschiedenen Europäischen Ländern, den USA, Großbritannien und Südafrika, wie sich Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher ethnischer Gruppen auf die gegenseitigen Einstellungen auswirkt. Die Veröffentlichung ist in der internationalen Fachzeitschrift „Proceeding of the National Academy of Sciences“ erschienen.

Die ausgezeichnete Veröffentlichung mit insgesamt sieben Einzelstudien befasst sich mit der Kontakttheorie. Die Kontakttheorie, einer der Forschungsschwerpunkte in der Marburger Sozialpsychologie, geht von der Annahme aus, dass Kontakt zwischen Gruppen Feindseligkeiten, Vorurteile und Diskriminierung reduziert. Schon in der Vergangenheit hatten die Marburger wichtige Untersuchungsergebnisse zu dieser Theorie vorgelegt. Beispielsweise konnte sie zeigen, dass in Wohnbezirken mit hohem Migrantenanteil die Vorurteile geringer sind als in Wohnbezirken, in denen wenige Menschen mit Migrationshintergrund leben.

Die Befunde der jetzt ausgezeichneten Publikation gehen darüber hinaus: Die Autoren weisen nach, dass nicht nur persönlicher Kontakt diesen Effekt auslöst. Vorurteile verringern sich nachweisbar auch dann, wenn im Wohnumfeld, in dem die Befragten leben, Kontakte zwischen ethnischen Gruppen gepflegt werden, unabhängig davon, ob die Befragten selber Kontakt haben.

Wohnumfeld entscheidend für Klima der Akzeptanz

Nach den Untersuchungsergebnissen führen diese Kontaktgewohnheiten in der Nachbarschaft  dazu, dass eine soziale Norm etabliert wird, wonach der Umgang miteinander als normal und bereichernd betrachtet wird. Ein solches Klima trägt zum Abbau von gegenseitigen Vorurteilen bei. Die Autoren resümieren: Vorurteile hängen nicht nur davon ab, mit wem wir interagieren, sondern auch davon, wo wir leben, und welches soziale Klima der Akzeptanz dort herrscht.

Ulrich Wagner, Professor für Sozialpsychologie an der Philipps-Universität und einer der Autoren der ausgezeichneten Veröffentlichung, betont die Bedeutung der Ergebnisse für die Debatte über die gegenwärtige Einwanderung von Flüchtlingen: „Kontakt hilft, gegenseitige Ablehnung und Diskriminierung zu reduzieren. Aber nicht nur persönliche Begegnungen sind wichtig. Von großer Bedeutung ist auch, dass wir, Bevölkerung, Meinungsführer und Politik, gemeinsam daran arbeiten, ein entsprechendes Klima der Offenheit zu schaffen. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, wie wichtig ein akzeptierendes Meinungsklima für die Entwicklung einer gemeinsamen Zukunft ist.“

Marburger Sozialpsychologen stehen in der Tradition des Preisstifters

Der Preis, mit dem die Forschergruppe ausgezeichnet wurde, ist nach dem Begründer der Kontakttheorie, dem US-amerikanischen Psychologen Gordon W. Allport (1897-1967) benannt. Die Marburger Arbeitsgruppe steht mit ihrem Forschungsprogramm in der Tradition Allports. „Wir sind daher auf diese international hoch angesehene Auszeichnung besonders stolz“, erklärt Ulrich Wagner. Einer der international führenden Experten zur Kontakthypothese, Thomas F. Pettigrew (The University of California at Santa Cruz), Schüler von Gordon Allport, ist Träger der Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Psychologie der Philipps-Universität.

Die ausgezeichnete Veröffentlichung: Oliver Christ, Katharina Schmid, Simon Lolliot, Hermann Swart, Dietlind Stolle, Nicole Tausch, Ananthi Al Ramiah, Ulrich Wagner, Steven Vertovech, and Miles Hewstone (2014). Contextual effect of positive intergroup contact on outgroup prejudice. PNAS Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 111,  3996-4000

Kontakt

Prof. Dr. Ulrich Wagner, Arbeitsgruppe Sozialpsychologie an der Philipps-Universität Marburg
Tel.: 06421/28-23664
E-Mail