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02.12.2015

Die Vertiefung der europäischen Sicherheits-und Verteidigungspolitik als Antwort auf die Krisen

Der französische Botschafter Philippe Étienne sprach in Marburg

Philipp Étienne spricht in Marburg
„Die aktuellen Krisen sind komplex und intensiv – aber ich glaube, dass wir das schaffen.“ Frankreich-Botschafter Philippe Étienne sprach über europäische Sicherheitspolitik. Foto: Henrik Isenberg

„Es ist eine erschütternde Zeit für Frankreich. Und ein Angriff auf die westlichen Werte.“ So leitete Philippe Étienne, seit August 2014 fran­zösischer Botschafter in Deutschland, seinen öffentlichen Vortrag in Marburg ein. Er sprach über „Aktuelle Probleme europäischer Sicherheitspolitik“.

Der Diplomat war einer gemeinsamen Einladung von Prof. Christoph Kampmann, Neuzeithistoriker an der Philipps-Universität Marburg und Sprecher des Sonderforschungsbereichs (SFB) „ Dynamiken der Sicherheit “, und seinem Kollegen Prof. Klaus Malettke, ebenfalls vom Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften, gefolgt.

Der SFB hatte die Veranstaltung organisiert. Beteiligt war das Hessische Staatsarchiv Marburg.

Es sollte ursprünglich ein Abend zur Diskussion allgemeiner Sicherheitsfragen in Europa werden. Aus aktuellem Anlass stand er ganz im Zeichen der Pariser Anschläge vom 13. November.

Forschungszentrum Mittelhessen

Dass der Botschafter trotz der angespannten nationalen wie internationalen politischen Lage nach Marburg gekommen war, dafür dankten ihm SFB-Sprecher Christoph Kampmann genauso wie Klaus Malettke und der Dekan des Marburger Fachbereichs Geschichte und Kulturwissenschaften, Prof. Benedikt Stuchtey. Der Hausherr und Direktor des mitveranstaltenden Marburger Staatsarchivs, Dr. Andreas Hedwig, eröffnete die Veranstaltung. Er rief die zahlreichen Gäste auch zu einer Schweigeminute für die mindestens 130 Opfer der Pariser Terror-Attentate auf.

Prof. Kampmann betonte in seiner Einführung die Bedeutung der SFB-Forschung in Marburg und Gießen: „Mittelhessen bildet ein bedeutendes Forschungszentrum, wenn es um das Verstehen historischer, aber auch aktueller politischer Sicherheits- und Unsicherheitserwägungen geht. Gerade diese Aktualität unserer Arbeit, beispielsweise vor dem Hintergrund der Ereignisse im Nahen Osten oder der Ukraine, verpflichtet aber auch zum Dialog mit der Öffentlichkeit“, schloss Kampmann.

Gemeinsam Herausforderungen annehmen

Auch der französische Botschafter sprach vom Dialog, nachdem er sich für die Solidaritätsbekundungen bedankt hatte. Er meinte den Dialog zwischen Deutschland und Frankreich. Denn mit Blick auf die EU-Führungsrolle der beiden Nachbarnationen betonte Étienne: „Wir müssen schwere Krisen bewältigen. Das schaffen wir nur gemeinsam und mit unseren europäischen Partnern.“ Namentlich nannte er die Integration der Flüchtlinge, die Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staates (IS) und die Lösung der Ukraine-Krise als aktuelle Herausforderungen.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Anschläge in Paris und den kontrovers diskutierten französischen Reaktionen, etwa die Rede vom Kriegszustand, den Ausruf des Notstandes oder die Luftschläge gegen IS-Stellungen, zeigte sich der Botschafter gesprächsbereit – aber auch entschieden.

Entschiedene Reaktionen nötig

„Wir mussten auf diese Kriegserklärung entschlossen reagieren.“ Dazu gehöre auch, die Bevölkerung durch Ausgangssperren zu schützen und den IS in seinen militärischen Möglichkeiten zu schwächen, sagte Diplomat Étienne. Trotzdem: „Frankreich ist und bleibt ein demokratischer Rechtsstaat. Wir bewegen uns im europäischen Rahmen. Und keine Maßnahme erfolgte ohne Zustimmung unseres Parlaments.“ Zugleich hoffe der Diplomat, neben den dankbar aufgenommenen Solidaritätsbekundungen der europäischen Partner auch auf handfeste Unterstützung. Dafür werbe der Französische Präsident u.a. in Berlin und Moskau.

„Die Pariser Ereignisse haben gezeigt, dass wir unsere Bürgerinnen und Bürger noch besser schützen müssen. Genauso wie die EU-Außengrenzen“, warb Philippe Étienne um Verständnis und Unterstützung. Das beinhalte auch den Dialog mit Russland: „Für eine starke europäische Sicherheitsarchitektur ist Russland unerlässlich“, stellte der französische Botschafter fest. Ihm sei aber klar, dass Russland Europa zwar stärken, aber auch erheblich schwächen könne.

Radikalisierung auch durch Nahost-Politik

Klar war dem Botschafter auch, dass die militärische nicht die letzte Lösung sein könne: „Wir müssen uns mit der Wurzel des Übels auseinandersetzen“, sagte Étienne. Vor allem mit Blick auf Radikalisierung als Folge westlicher Nahost-Politik. Aber auch mit Blick auf die aktuelle Integrationspolitik. Daher sei es umso wichtiger, gemeinsam mit allen europäischen Partnern Lösungen für den Umgang mit der Flüchtlingsfrage zu finden.

„Die aktuellen Krisen sind komplex und intensiv – aber ich glaube, dass wir das schaffen“, schloss der Botschafter. Er nahm das inzwischen geflügelte Wort der deutschen Bundeskanzlerin zur Flüchtlingsfrage auf.

Der SFB „Dynamiken der Sicherheit“

In dem seit 2014 laufenden Sonderforschungsbereich „ Dynamiken der Sicherheit “ (SFB/TRR 138) arbeiten Marburger und Gießener Geistes-, Rechts- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zusammen. Ausgangspunkt ihrer Forschungen ist der Wandel des Verständnisses von Sicherheit und Unsicherheit von der Antike bis in die jüngste Zeitgeschichte.

Im Zentrum steht die Forschungsfrage, wie und mit welchen Folgen verschiedene Vorstellungen von Sicherheit ihren Weg in die jeweiligen politischen Prozesse gefunden haben.

Sonderforschungsbereiche sind langfristig und interdisziplinär angelegte Forschungseinrichtungen zur Grundlagenforschung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert werden.

Kontakt

Prof. Dr. Christoph Kampmann
SFB „Dynamiken der Sicherheit“
Philipps-Universität Marburg
Wilhelm-Röpke-Straße 6C
35032 Marburg

Tel.: +49 (0)6421 28-24604
E-Mail