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12.06.2015

Promotionspreise belegen Forschungsstärke

Die Philipps-Universität hat sechs Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit Promotionspreisen für das Jahr 2013 ausgezeichnet. Sie erhielten die Ehrung am Freitag (12. Juni 2015) aus den Händen von Professor Dr. Ulrich Koert, Uni-Vizepräsident für Forschung und Nachwuchsförderung. Der Festakt bildete den Höhepunkt der Jahresversammlung des Marburger Universitätsbundes, die in der Aula der Marburger Alten Universität stattfand.

Die Promotionspreisträgerinnen und -preisträger (von links) Dr. Nadine Maria Bollig, Dr. Heiko Grönitz, Dr. Hendrik Martin Reinhardt, Dr. Astrid Lohöfer sowie Dr. Veronika Schmid nahmen ihre Auszeichnungen aus den Händen von Professor Dr. Ulrich Koert, Uni-Vizepräsident für Forschung und Nachwuchsförderung, entgegen.
(Foto: Pressestelle der Philipps-Universität Marburg / Christian Stein)

Koert überreichte Urkunden und Preisgelder an die Biologin Dr. Nadine Maria Bollig, den Mathematiker Dr. Heiko Grönitz, die Anglistin Dr. Astrid Lohöfer, den Chemiker Dr. Hendrik Martin Reinhardt sowie die Soziologin Dr. Veronika Schmid; für den Biologen Dr. Johannes Freitag nahm dessen Ehefrau Annette Freitag die Auszeichnung entgegen. „Ihre Dissertationen belegen, dass Sie herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind“, sagte Koert anlässlich der Preisvergabe. „Sie tragen zu der besonderen Forschungsstärke bei, die eine Volluniversität wie die unsere auszeichnet. Ich bin gespannt auf Ihren weiteren Werdegang!“

Die Promotionspreise der Philipps-Universität werden seit dem Jahr 2005 in vier Sektionen verliehen: Biowissenschaften und Medizin, Philosophie und Kulturwissenschaften, Mathematik und Naturwissenschaften sowie Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die Auszeichnung umfasst jeweils eine Urkunde, ein Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro und einen Füllfederhalter sowie ein Training zur Wissenschaftskommunikation. Der Preis in der Sektion Biowissenschaften und Medizin sowie  Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wurde diesmal geteilt.

Die Preise im Einzelnen:

Wer die Immunabwehr startet

Dr. Nadine Maria Bollig untersuchte in ihrer Doktorarbeit ein Genprodukt, das die Immunabwehr beeinflusst – insbesondere die Wechselwirkung zwischen zwei Zelltypen, die Antikörper produzieren: B-Zellen und T-Helferzellen. Im Tiermodell wies die Nachwuchswissenschaftlerin nach, dass der Transkriptionsfaktor IRF4 das wichtigste Protein ist, das Zellen dazu bringt, Antikörper gegen Krankheitserreger zu produzieren. Außerdem entwickelte die Biologin eine Methode, mit der sich Gene gezielt an- und abschalten lassen, so dass zeitlich begrenzte Genaktivitäten untersucht werden können – „die dabei gewonnenen Erkenntnisse könnten von großem Interesse für zukünftige Therapiestrategien sein“, erklärt die Preisträgerin. Die Patentierung des Systems wird derzeit geprüft. „Es ist absehbar, dass dieses System einen sehr wesentlichen Beitrag zum Studium verschiedener primärer Zellen leisten kann“, prognostiziert ein Gutachter; „eine Arbeit, bei der in ähnlicher Weise so viel verschiedene Methoden angewendet werden, ist sicher sehr selten“.

Nadine Maria Bollig, geboren 1980 in Koblenz, absolvierte zunächst im Saarland eine Ausbildung zur Biologielaborantin, ehe sie zum Studium der Biologie nach Marburg kam. Sie verfertigte eine Diplomarbeit bei Professor Dr. Michael Lohoff am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene des Marburger Fachbereichs Medizin, an dem Sie auch als Doktorandin blieb. Derzeit ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Medizinischen Versorgungszentrum für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie Koblenz-Mittelrhein.

· Nadine Maria Bollig: Die immunmodulatorische Rolle des  hämatopoetischen Transkriptionsfaktors IRF4 während einer Entzündungsreaktion

Enzyme auf Abwegen

Der Biologe Dr. Johannes Freitag ging in seiner Doktorarbeit der Frage nach, wie Proteine an ihren Zielort innerhalb der Zelle gelangen. Der gebürtige Osthesse untersuchte dies anhand spezialisierter Binnenräume der Zelle, die am Fettabbau beteiligt sind, den Peroxisomen. Freitag fand eine Reihe von Enzym-Varianten, die einen Abschnitt enthalten, der das Peroxisom als Transportziel bestimmt – ähnlich wie ein Gepäckanhänger. Offenbar werden die Moleküle in die Peroxisomen gebracht, obwohl sie für den Zuckerabbau zuständig sind; bisher dachte man, Zuckerabbau finde ausschließlich außerhalb dieser Organellen statt. „Die von Herrn Freitag erzielten Ergebnisse haben ein neues Feld eröffnet“, konstatiert ein Fachkollege; „damit hebt sich die Arbeit bereits deutlich vom normalen Standard ab“.

Johannes Freitag, Jahrgang 1982, besuchte das Gymnasium in seiner Heimatstadt Fulda und studierte von 2002 bis 2008 Biologie an der Philipps-Universität. Sowohl seine Diplomarbeit als auch seine Dissertation verfertigte er bei Professor Dr. Michael Bölker am Fachgebiet Genetik  des Marburger Fachbereichs Biologie. Anschließend verbrachte er anderthalb Jahre als Postdoktorand bei der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main, ehe er vor Kurzem an die Universität Berkeley in den USA wechselte.

· Johannes Freitag: Neue Enzyme für ein altes Organell: kryptische peroxisomale Lokalisationssignale in Pilzen

Schlüssel zur Wahrheit

Beschäftigen Sie Schwarzarbeiter? Haben Sie schon einmal Steuern hinterzogen oder Versicherungsbetrug begangen? Auf Fragen wie diese erhält man in Umfragen häufig keine Antwort – zumindest keine ehrliche. Dr. Heiko Grönitz hat in seiner Doktorarbeit ein Verfahren entwickelt, mit dem man trotzdem verlässliche Informationen über solch heikle Fragen gewinnen kann: Er nennt die Methode das „Diagonal-Modell“. „Obwohl man durch eine Datenerhebung gemäß Diagonal-Modell von keinem Befragten den Wert des sensiblen Merkmals kennt, lassen sich trotzdem aus den beobachteten verschlüsselten Antworten Rückschlüsse auf die Verteilung des sensiblen Merkmals ziehen“, erklärt der 30-jährige Preisträger. Grönitz Arbeiten seien „äußerst vielseitig, sehr anspruchsvoll und außerordentlich innovativ“, lobt ein Gutachter, der auch die hochgradige Praxisrelevanz hervorhebt.

Heiko Grönitz wurde 1984 in Altenburg geboren. Er studierte Mathematik an der Universität Gießen und verfertigte nach Erlangung des Diploms eine Dissertation bei Professor Dr. Karlheinz Fleischer in der Abteilung Statistik des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Philipps-Universität, wo er seit seiner Promotion zum Dr. rer. pol. als Wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt ist.

· Heiko Grönitz: Datenerhebung und Schätzung bei sensitiven Merkmalen

Lyrik erschließt die Welt

Wie sprachliche Gestaltung moderner Gedichte und ihre ethisch-politische Dimension voneinander abhängen – diese Frage steht im Mittelpunkt der Dissertation von Dr. Astrid Lohöfer . Die Anglistin vertritt darin die These, dass die ethischen Implikationen moderner Dichtung unmittelbar an deren Sprachgebrauch geknüpft sind. Lohhöfer bezieht sich dabei auf das Konzept der Sprache als Möglichkeit zur Welterschließung und wendet dies auf Gedichte des französischen Symbolismus sowie des kanadischen Modernismus an. „Ziel der Arbeit ist es, sowohl ästhetisch-poetologische als auch ethisch-politische Dimensionen in den untersuchten Texten aufzuzeigen, die bislang unbeachtet geblieben sind“, erklärt die Preisträgerin. „Die wesentliche Leistung der Arbeit besteht darin, dem Klischee der gesellschaftlich-ethischen Irrelevanz von Lyrik entgegenzuwirken“, konstatiert ein Gutachter.

Astrid Lohöfer, geboren 1981, stammt aus Gießen. Sie studierte Englisch und Französisch auf Lehramt an der Philipps-Universität sowie an der Universität Nancy 2 und schloss eine binationale Promotion an, die von dem Marburger Anglisten Professor Dr. Claus Uhlig (†) und Professorin Dr. Claire Omhovère von der Universität Paul-Valerie Montpellier 3 betreut wurde. Lohöfer ist derzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Philipps-Universität.

· Astrid Lohöfer: Ethics and Lyric Poetry: Language as World-Disclosure in French Symbolism and Canadian Modernism

Wie Selbstorganisation gelingt

Selbstorganisation ist eine prägende Erscheinung der Natur – man denke nur an die Komplexität von Lebewesen. Die Doktorarbeit des Chemikers Dr. Hendrik Martin Reinhardt ist der Erforschung selbstorganisierender Prozesse gewidmet, die er an einem alltäglichen Material untersuchte: an Edelstahl. Dem Chemiker gelang es, durch gezielte Stimulation mit Laserstrahlen hochgeordnete Strukturen zu erzeugen. Dies ermöglicht es, die Oberflächeneigenschaften des Metalls nach Wunsch zu verändern, so einfach und effizient wie nie zuvor: Egal, ob es sich um optische, elektrische, magnetische oder chemische Eigenschaften handelt. Viele der beschriebenen Effekte setzte der Nachwuchswissenschaftler modellhaft um. „Die Verbindung von Grundlagenforschung und einem Blick für ihre Anwendbarkeit ist hier mustergültig demonstriert worden“, heißt es in der Begründung für die Auszeichnung.

Hendrik Martin Reinhardt wurde 1980 in Dresden geboren. Er studierte in den Jahren 2002-2006 Chemie an der Philipps-Universität und schloss das Studium mit einer Diplomarbeit ab, die in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Norbert Hampp am Fachbereich Chemie der Philipps-Universität entstand. Dort fertigte Reinhardt auch seine Doktorarbeit an. Derzeit ist er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Chemie beschäftigt.

· Hendrik Martin Reinhardt: Laser-directed Self-Organization and Reaction-Control in Complex Systems

Beharrungswillen fördert Vorurteile

Die Soziologin Dr. Veronika Schmid hat eine Studie über die Ursachen von Vorurteilen vorgelegt. Darin entwickelt sie ein Modell, das die Neigung zu Vorurteilen gegenüber Minderheiten ebenso erklärt, wie die Entstehung der Einstellung, dass man an den gesellschaftlichen Verhältnissen eh nichts ändern könne. Um das Konzept auf seine Plausibilität zu prüfen, führte Schmid mehrere empirische Untersuchungen durch, zum Beispiel telefonische Befragungen und Gruppendiskussionen. „Die Studien zeigen, wie sehr eine einseitige Orientierung am Bestehenden die Demokratiefähigkeit unserer Gesellschaft schädigt und zur Abwertung von Minderheiten beiträgt“, erklärt die Nachwuchswissenschaftlerin. „Die Arbeit trägt die klare Handschrift einer ungewöhnlich ausgereiften Forscherpersönlichkeit“, urteilt ein Gutachter.

Veronika Schmid stammt aus Frankfurt am Main, wo sie auch studierte. Sie absolvierte die Magisterstudiengänge Soziologie und Anglistik an der Goethe-Universität, die sie im Jahr 2005 abschloss. Anschließend fertigte sie ihre soziologische Doktorarbeit bei Professor Dr. Mathias Bös am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie der Philipps-Universität an. Derzeit ist Schmid Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Marburger Institut für Soziologie.

· Veronika Schmid: Die unerträgliche Freiheit des Anderen – Studien zum überwertigen Realismus

Weitere Informationen:

Ansprechpartnerin: Dr. Anne Holzapfel,
Referentin für wissenschaftlichen Nachwuchs
Tel.: 06421 28-2 6213
E-Mail: anne.holzapfel@verwaltung.uni-marburg.de