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29.07.2015

Superschneller Wellenritt im Kristall

Elektronik auf Zeitskala einzelner Lichtschwingungen möglich

Physikern der Universitäten Regensburg und Marburg ist es gelungen, die von einem starken Lichtfeld getriebene Bewegung von Elektronen in einem Halbleiter in extremer Zeitlupe zu beobachten. Dabei konnten sie ein grundlegend neues Quantenphänomen entschlüsseln. Die Ergebnisse der Wissenschaftler sind jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht worden.

Eine intensive Lichtwelle beschleunigt Elektronen durch das Kristallgitter eines Festkörpers. Dabei überlagern sich die angeregten Elektronen auf verschiedenen Pfaden und senden ultrakurze Lichtblitze aus, die exakt an den Feldmaxima der Welle auftreten.
(Foto: Universität Regensburg – Zur ausschließlichen Verwendung im Rahmen der Berichterstattung zu dieser Pressemitteilung)

Die rasante Entwicklung in der Elektronik mit Taktraten bis in den Gigahertz-Bereich hat unser Alltagsleben revolutioniert. Sie stellt jedoch auch Forscher weltweit vor eine zentrale Frage: Gibt es eine fundamentale Grenze für Schaltgeschwindigkeiten in der Elektronik? Alle elektronischen Bauelemente basieren auf der Bewegung von Elektronen in einem Festkörper durch ein elektrisches Feld. Wie aber realisiert man elektrische Felder, die schneller oszillieren als es die derzeitige Elektronik zulässt? Die Antwort ist naheliegend und faszinierend zugleich: Man nutzt das schnellste elektrische Wechselfeld, das in der Natur zu finden ist: eine Lichtwelle.

Experimentatoren der Universität Regensburg um Prof. Dr. Rupert Huber (Lehrstuhl für Experimentalphysik) haben es in Kooperation mit Kollegen der Theoretischen Halbleiterphysik (Prof. Dr. Stephan W. Koch, Prof. Dr. Mackillo Kira, Ulrich Huttner) an der Philipps-Universität erstmals geschafft, die durch einen starken Lichtimpuls im mittleren Infrarot getriebene Elektronenbewegung in einem Halbleiter direkt zu beobachten und theoretisch zu modellieren. Das bahnbrechende Experiment an der Regensburger Terahertz-Hochfeldquelle erlaubt es damit zum ersten Mal, die von den beschleunigten Elektronen ausgesandte Strahlung - die sogenannten „Hohen Harmonischen“ – gleichzeitig mit dem treibenden Lichtfeld zu messen. Sie werden als ultrakurze Lichtblitze abgestrahlt, deren Emissionszeitpunkt nun mit einer Genauigkeit von einer Femtosekunde – dem millionsten Teil einer Milliardstel Sekunde – bestimmt werden konnte. Die Experimente an der Universität Regensburg wurden von eigens dafür entwickelten Vielteilchen-Berechnungen der Marburger Physiker begleitet.

Experimente und Theorie förderten ein überraschendes Verhalten der Elektronen zutage: Innerhalb einer extrem kurzen Zeitspanne nach ihrer Anregung durch das starke Lichtfeld ist die Energie der Elektronen zunächst nicht eindeutig bestimmt. Sie befinden sich vielmehr in oszillierenden Mischzuständen, die sich je nach Richtung des Lichtfeldes gegenseitig auslöschen oder verstärken. Während quantenmechanische Effekte dieser Art meist nur auf besonders kleinen Längenskalen und bei minimalinvasiven Messmethoden sichtbar werden, verhält sich das neu entdeckte Phänomen genau umgekehrt: Je stärker das treibende Lichtfeld, desto ausgeprägter ist der Effekt.

Diese Beobachtungen geben nicht allein erstmalig Aufschluss über die genaue zeitliche Struktur der „Hohen Harmonischen“ aus Festkörpern. Sie sind auch richtungsweisend für Konzepte zur Entwicklung einer neuartigen „Lichtwellen-Elektronik“ – der Hochgeschwindigkeitselektronik der Zukunft.
(Pressetext: Alexander Schlaak, Universität Regensburg)

Originalpublikation: M. Hohenleutner, F. Langer, O. Schubert, M. Knorr, U. Huttner, S. W. Koch, M.Kira und R. Huber, Real-time observation of interfering crystal electrons in high-harmonic generation, Nature 2015, DOI: 10.1038/nature14652

Die Publikation im Internet unter: http://dx.doi.org/10.1038/nature14652

Weitere Informationen:

Ansprechpartner für Medienvertreter:
Prof. Dr. Rupert Huber
Universität Regensburg
Lehrstuhl für Experimentalphysik
E-Mail: rupert.huber@physik.uni-regensburg.de

Prof. Dr. Stephan W. Koch
Philipps-Universität Marburg
Tel.: 06421 28-21336
E-Mail: stephan.w.koch@physik.uni-marburg.de