Zurück zur Übersicht

23.03.2017

Allgemeinmediziner der Philipps-Universität werben Forschungsmittel in Höhe von rund vier Millionen Euro ein

Forschung zu ambulanter Palliativversorgung, Herzkatheter-Untersuchungen und zur Wirkung von Bewegungsprogrammen für ältere Menschen

Die Abteilung Allgemeinmedizin am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg hat Forschungsmittel in Höhe von insgesamt rund vier Millionen Euro eingeworben: Der von den Krankenkassen finanzierte Innovationsfonds fördert zwei Projekte in den Bereichen ambulante Palliativversorgung und Linksherzkatheter-Untersuchungen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert eine Studie zur Wirkung begleiteter Bewegungsprogramme auf die Gesundheit alter, sozial isoliert lebender Menschen. Die Ergebnisse dieser Projekte können in Behandlungsrichtlinien einfließen und Impulse für gesundheitspolitische Entscheidungen geben.

Qualität in der ambulanten Palliativversorgung messen

Das Projekt ELSAH – Evaluation der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) untersucht die praktische Umsetzung der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) entwickelten SAPV-Richtlinie für die Versorgung gesetzlich krankenversicherter Palliativpatienten. Dabei geht es um die Behandlung und Versorgung unheilbar kranker Menschen mit begrenzter Lebenserwartung. In der Richtlinie sind die ärztlichen, pflegerischen, psychologischen und anderen Leistungen und deren Koordination geregelt. Im Projekt des Konsortiums, dem Prof. Dr. Stefan Bösner und Dr. Jörg Haasenritter von der Abteilung Allgemeinmedizin der Universität Marburg angehören, werden exemplarisch die Leistungen der SAPV in Hessen ausgewertet, um zu untersuchen, wie gut die Richtlinie in der Praxis funktioniert. Zum  Konsortium gehören zudem der Fachverband SAPV Hessen e.V. (Konsortialführung), das Institut für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt und das Regionalmanagement Nordhessen GmbH. Das Projektteam entwickelt eine standardisierte Methode, mit der sich die Qualität der SAPV bundesweit messen lässt. Untersucht wird auch, inwieweit die SAPV die Anforderungen und Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen berücksichtigt. Die Fördersumme für das Projekt beträgt 1,3 Millionen Euro für drei Jahre.

Entscheidungshilfe für bessere Indikationen bei Herzpatienten

In dem Projekt KARDIO untersucht ein Konsortium unter der Federführung des Marburger Allgemeinmediziners Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff, warum in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern besonders häufig Linksherzkatheter-Untersuchungen bei Patienten mit Brustschmerzen und koronaren Herzkrankheiten durchgeführt werden. „Denkbare Ursachen sind die natürliche Morbidität, ärztliche Vorstellungen, kollegiale Erwartungen, Wünsche von Patienten, materielle Fehlanreize und Überkapazitäten“, sagt Donner-Banzhoff. Drei große Krankenkassen, die Fachgesellschaft der Kardiologie und ihr Forschungsinstitut, Versorgungsforscher an den Universitäten München und Hamburg arbeiten hier zusammen. In der Studie werden anhand von Routinedaten von über 42 Millionen Versicherten regionale Variationen dargestellt und mögliche Einflussfaktoren untersucht. Befragungen von Ärzten und Patienten sollen Vorstellungen, Erwartungen und Befürchtungen im Zusammenhang mit der Indikationsstellung klären. Die Erkenntnisse fließen in eine explorative Interventionsstudie ein: In vier Hochversorgungsregionen entwickelt das Projektteam mit Hausärzten, Kardiologen und Krankenhäusern einen Behandlungspfad. „Dadurch wird das Vorgehen beim Patienten mit Brustschmerzen strukturiert“, erläutert Donner-Banzhoff. „Das Ziel ist, die Anamnese und den Einsatz nicht-invasiver Untersuchungen zu optimieren und damit die Indikationsqualität zu verbessern.“ Im Ergebnis wird das Projekt eine Entscheidungshilfe bereitstellen, die bundesweit eingesetzt wird und die Patientenperspektive stärkt. Die Fördersumme für dieses Projekt beträgt zwei Millionen Euro für drei Jahre.

Bewegungsprogramme als Gesundheitsvorsorge für alte Menschen

Das BMBF fördert ein Projekt, in dem Wissenschaftler der Universitäten Marburg und Witten-Herdecke sowie des Klinikums Nürnberg untersuchen, inwieweit ein regelmäßiges begleitetes Spazierengehen die Gesundheit älterer, sozial isoliert lebender Menschen verbessert. An dem mit 800.000 Euro für vier Jahre geförderten Projekt POWER (Prevention by Outdoor-Walking in the Elderly at Risk) nehmen von Marburger Seite Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff und der Psychologe Nikita Jegan teil. Hintergrund der Studie ist, dass alternde Menschen durch die Verschlechterung ihrer Gesundheit auch Gefahr laufen, zunehmend inaktiv und isoliert zu sein. „Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, spielen psychosoziale Interventionen und regelmäßige körperliche Aktivität eine wichtige Rolle“, erklärt Jegan. In die Interventionsstudie werden bis zu 400 Teilnehmer über 65 Jahre aus Alten- und Pflegeheimen in Witten/Herdecke sowie Patienten von Marburger Hausarztpraxen und ambulanten Pflegediensten einbezogen. Sie werden sechs Monate lang dreimal wöchentlich bis zu 30 Minuten von Laien-Spazierhelfern begleitet. Untersucht werden die Auswirkungen auf die Mobilität, Lebensqualität, Sturzangst, Aktivitätsniveau, Sturzhäufigkeit und dadurch entstandene Verletzungen sowie die Häufigkeit medizinischer Behandlung. „Wenn sich Gesundheit und Wohlbefinden der Teilnehmer deutlich verbessern, wäre die regelmäßige Spazierhilfe für gefährdete alte Menschen eine wichtige gesundheitspolitische Konsequenz“, so Donner-Banzhoff.

„Medizinische Forschung findet nicht nur im Labor statt. Wissenschaftliche Untersuchungen über die Gesundheitsversorgung, wie sie täglich in Krankenhäusern und Arztpraxen stattfindet, spielen in der Marburger Allgemeinmedizin schon lange eine wichtige Rolle“, betont Medizin-Dekan Prof. Dr. Helmut Schäfer. „Diese Forschung liefert Erkenntnisse nicht nur für eine bessere Behandlung von Patienten, sondern auch für die Gestaltung des Gesundheitssystems. Mit den neuen Projekten belegt die Marburger Allgemeinmedizin erneut ihre Forschungsstärke.“

Weitere Informationen:

Förderung der Versorgungsforschung durch das BMBF: http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/versorgungsforschung.php

Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA): https://innovationsfonds.g-ba.de/projekte/versorgungsforschung/

Abteilung Allgemeinmedizin der Philipps-Universität Marburg: http://www.uni-marburg.de/fb20/allgprmed

Kontakt

Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff, Abteilung Allgemeinmedizin am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg
E-Mail