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29.03.2017

Vier Tage Viren im Fokus

Von Ebola und Zika bis zu Therapien und der Hochrisikoforschung

Rund 1.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tauschten sich auf der 27. Jahrestagung der Gesellschaft für Virologie e.V. (GfV) vergangene Woche in Marburg aus. Auf der viertägigen Veranstaltung drehte sich alles um das Verständnis jener Partikel, die in unserer Umwelt weitaus zahlreicher als andere Organismen, etwa die Bakterien, auftreten. „Es gibt mehr Viren auf der Erde als Sterne am Himmel“, erklärte Prof. Dr. Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts von der Insel Riems. Viren können als molekulare Partikel nicht eigenständig überleben. Sie brauchen eine Wirtszelle, die sie zur Verbreitung umprogrammieren. Das macht die Viren so gefährlich und führt, wie im Falle von Ebola und Zika, schnell zur Panik.

Die Interaktion von Viren und menschlichen Zellen stellt die Forscher immer wieder vor Überraschungen, meint Tagungsleiter Prof. Dr. Stephan Becker vom Institut für Virologie der Philipps-Universität Marburg. Etwa, wie gezielt Viren eine Zelle befallen, diese wie eine Marionette zur Produktion weiterer Viren dirigieren und dann abstellen und in den Tod treiben.

Die Forscherinnen und Forscher interessiert dabei, wie genau Viren an Zellen andocken, in diese eindringen und die zellulären Mechanismen umprogrammieren. Genauso spannend sind Fragestellungen, welche Strategien das Immunsystem des Menschen zur Gefahrenabwehr bereit stellt, wie Viren diese umgehen und mit welchen Methoden die Immunantwort unterstützt werden kann.

Verblüfft stellten die Forscher fest, dass das Ebola-Virus bei seinem dramatischen Ausbruch in Westafrika im März 2014 weniger infektiös war als in den Ausbrüchen zuvor. Das  konnte mit Laborversuchen, die die molekulare Ausstattung des Virus analysieren, nachgewiesen werden. Allerdings traten im Laufe der Epidemie drei entscheidende Mutationen – zufällige Veränderungen im Erbgut – auf, die das Virus, im wahrsten Sinne des Wortes, virulenter machten.

Die Ebola-Epidemie in Westafrika wurde vergangenes Jahr durch die Weltgesundheitsorganisation WHO für beendet erklärt. Sie forderte rund 11.300 Tote. Die Weltgemeinschaft hat der Ausbruch aufgerüttelt. „Erstaunlich, was sich jetzt geändert hat“, sagte Thomas Mettenleiter. Mittlerweile haben Staaten, Wissenschaft und Unternehmen Konzepte ersonnen, wie sie schnell auf Epidemien reagieren können. Für Ebola befinden sich derzeit rund 15 Wirk- und Impfstoffe in verschiedenen Phasen der Entwicklung, berichtete Dr. Marie-Paule Kieny von der WHO in Genf. Es gebe auch den Willen und die Ressourcen, Impfstoffdosen vorzuproduzieren und für Notfälle bereitzuhalten, erklärte Kieny.

Prof. Dr. Scott Weaver von der Universität Texas in Galveston berichtete vom jüngsten Ausbruch des Zika-Virus in Südamerika. Das Virus ist eigentlich ein alter Bekannter. Sein Ursprungsland ist Afrika. Es entstammt dem Zika-Forst in Uganda. Über Indien, Südostasien und dann Polynesien hat sich das Virus nach Südamerika ausgebreitet. Das Virus wird durch Moskitos übertragen und führt in manchen Fällen zur Missbildungen bei Säuglingen. Interessanterweise blieb die Infektion in Französisch-Polynesien unerkannt. Sie blieb unter der Wahrnehmungsschwelle, bis das Virus Südamerika erreichte.

Für die gestiegene Virulenz von Zika bot Weaver zwei Hypothesen an. Das Virus könnte sich an Moskitos wie Aedes albopictus angepasst haben, die in urbanen Gebieten vorkommen. Es könnte auch reiner Zufall sein, dass durch Genmutation das Virus einfachere Verbreitung erfuhr. Inzwischen soll es 40 Wirkstoffkandidaten für eine Impfung in der vorklinischen Phase geben, also in Versuchsstadien, die noch nicht am Menschen stattfinden. Drei Präparate sollen schon in der klinischen Phase I sein. Weaver betonte hier zunächst, dass für solche Präparate eigentlich kein wirtschaftlicher Markt zwischen den Ausbrüchen da sein.

Doch auch hier hat sich etwas getan. Im globalen Programm CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations) arbeiten Wissenschaftler und Förderorganisationen wie die Bill & Melinda Gates Stiftung, der Wellcome Trust, die Europäische Union und andere zusammen, um Impfstoffe schneller bereitzustellen. Im Fokus stehen MERS, Lassa und Nipah. Tagungsleiter Stephan Becker: „Alte Bekannte und neue Viren können an jedem Ort und zu jeder Zeit auftauchen. Es ist also besser, vorbereitet zu sein.“

In einer speziellen Veranstaltung diskutierten die Forscherinnen und Forscher auch Missbrauchsmöglichkeiten der Viren und des Wissens um hochgefährliche Krankheitserreger. Aufgeschreckt wurde die Wissenschaftsgemeinschaft im Jahr 2012. Zwei Forschergruppen hatten in Laborexperimenten gezeigt, dass sich das hochgefährliche aber nicht von Mensch zu Mensch übertragbare Vogelgrippevirus H5N1 durch Passage in Frettchen plötzlich durch die Luft übertragen ließ. Es wurde nun befürchtet, dass solche Viren sich auch leicht zwischen Menschen übertragen lassen und eine Grippepandemie auslösen. Unter dem Begriff DURC (Dual-Use Research of Concern) diskutieren Wissenschaft und Politik, wie mit dieser Hochrisikoforschung umgegangen werden muss.

Der Deutsche Ethikrat hatte eine Stellungnahme publiziert. Die Fachgesellschaften haben ihren Verhaltenscodices aktualisiert. Es geht um den Schutz der Keime im Labor, etwa gegen Diebstahl und bei Unfällen. Aber auch die Sensibilisierung und Eigenverantwortung der Forscher sind gefordert. „Die Wissenschaft braucht Freiheit – die Freiheit erfordert Verantwortung“, beschrieb Johannes Fritsch die Position der Wissenschaftsakademie Leopoldina.

In der Summe zeigte die Tagung, „dass die wissenschaftliche Untersuchung von Viren ein sehr attraktives und zukunftsträchtiges Feld ist, mit Ausstrahlung in viele benachbarte Disziplinen wie Immunologie oder Zellbiologie. Gerade in der Virologie ist das Verständnis grundlegender Mechanismen zur Krankheitsentstehung und deren praktische Anwendung zum Schutz vor Infektionen und deren Heilung eng verknüpft“, bilanzierte Tagungsleiter Stephan Becker (Text: Martin Schäfer).

Kontakt

Prof. Dr. Stephan Becker, Institut für Virologie, Philipps-Universität Marburg
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