04.07.2017 Sicherheit statt Frieden: Das Ende einer Utopie?

Podiumsdiskussion des Sonderforschungsbereichs „Dynamiken der Sicherheit“ in Kooperation mit dem Hessischen Rundfunk

Abbildung: Rijksmuseum Amsterdam
Ankunft von Maria Elisabeth von Österreich in Brüssel, Leonard Schenk, Pieter Schenk (II), Staten van Holland en West-Friesland, 1727.

Mittwoch, 5. Juli 2017, 18 Uhr (c.t.)-20 Uhr in der Aula der Alten Universität, Lahntor 3

Teilnehmerinnen und Teilnehmer:

  • Ralf Beste, Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt
  • Prof. Dr. Eckart Conze, Institut für Neueste Geschichte (19./20. Jhdt.), Philipps-Universität Marburg; Stellvertretender Sprecher des SFB/TRR 138 "Dynamiken der Sicherheit"
  • Bischof Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck
  • Prof. Dr. Christoph Kampmann, Institut für Neuere Geschichte/Frühe Neuzeit, Philipps-Universität Marburg; Sprecher des SFB/TRR 138 "Dynamiken der Sicherheit"
  • Dr. Angela Marciniak, Wissenschaftliche Koordinatorin des SFB/TRR 138 "Dynamiken der Sicherheit"
  • Omid Nouripour, MdB, Außenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag
  • Moderation: Stefan Ehlert, Hessischer Rundfunk

Im Herbst vergangenen Jahres hat der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine vielbeachtete Rede zur Eröffnung des Hamburger Historikertages gehalten. Im Mittelpunkt der Rede standen die historische Erfahrung europäischer Friedensstiftung und konkret der Westfälische Friede von 1648. In eindrucksvoller Weise legte Steinmeier dar, wie sehr trotz aller unleugbarer Unterschiede von Einst und Jetzt die handelnde Politik und Diplomatie von den Erfahrungen in Westfalen profitieren können, wenn es um die Lösung aktueller Kriege und Krisen (in diesem Falle konkret der verheerenden Kriegskatastrophe in Syrien) gehe.

Die Steinmeier-Rede hat breites Echo in der Öffentlichkeit gefunden, zweifellos auch deshalb, weil durch einen führenden politischen Akteur die historische Erfahrung von Krieg und Frieden vergangener Epochen mit aktuellen Weltkrisen in Verbindung gebracht wurde. Dies war für viele überraschend: Hatte es doch lange Zeit, insbesondere nach dem Ende des Kalten Kriegs, den Anschein gehabt, dass das eine mit dem anderen nichts mehr zu tun habe, dass wir mit strukturell ganz unterschiedlichen Epochen internationaler Politik und internationalen Krisenmanagements konfrontiert werden. Die Zeit der europäischen Kriege zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert schien sehr weit weg zu sein. Ein deutlicher Indikator für diese verbreitete Haltung war und ist das Verschwinden des Begriffs Frieden aus der Diskussion internationaler Politik. Er schien Sonntagsrednern und Ostermarschierern vorbehalten, während die praktisch handelnde Politik nur noch von internationaler Sicherheit sprach. Auch in Teilen der Politikwissenschaft ist bereits seit einiger Zeit mit klarer normativer Stoßrichtung diskutiert worden, „Sicherheitslogik“ und „Friedenslogik“ zu unterscheiden und zu konstatieren, dass erstere die zweite zunehmend verdrängt. 

Jüngste Entwicklungen werfen freilich die Frage auf, ob das kein vorschneller Schluss war. Und dabei sind keineswegs nur die gerade genannten Verwerfungen im Nahen und Mittleren Osten gemeint. Zu denken ist vielmehr auch an die Konfrontationen zwischen den Mächten im Fernen Osten, aber nicht zuletzt an Vorgänge in unserer eigenen Weltregion, dem europäisch-atlantischen Raum: Sind doch auch hier unverkennbar Tendenzen zu beobachten, sich von den mühsam aufgebauten Strukturen bi- und multilateraler Zusammenarbeit zu verabschieden, ja, mit ihnen demonstrativ und radikal zu brechen und zu einer nationalstaatlich geprägten Mächtepolitik zurückzukehren. Ist es nicht dringend Zeit – so wäre vor diesem Hintergrund zu fragen – wieder stärker die klassische Frage nach der Bewahrung des Friedens und der Gefahr des Krieges in den Fokus der Betrachtung zu rücken?

Gerade der Sonderforschungsbereich „Dynamiken der Sicherheit“, der den rasanten Aufstieg von Sicherheit als Leitvorstellung epochenübergreifend und interdisziplinär untersucht, sieht es als seine Aufgabe an, auch die Frage nach der Rückkehr des Friedensthemas zu diskutieren. Dies ist der Anstoß zu einer Podiumsdiskussion, die der Sonderforschungsbereich gemeinsam mit dem Hessischen Rundfunk am Mittwoch, 5. Juli 2017, 18.00 (c.t.) in der Alten Aula der Philipps-Universität Marburg veranstaltet. In einem konstruktiven Austausch wollen Vertreter und Vertreterinnen aus Politik, Gesellschaft, Diplomatie und Wissenschaft die Thematik erörtern, wobei verschiedene, auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelte Aspekte der Problematik „Sicherheit statt Frieden: Das Ende einer Utopie?“ in den Blick genommen werden sollen.

So stellt sich zum Beispiel die Frage nach den zentralen Unterschieden zwischen „Sicherheit“ und „Frieden“ sowie nach den politisch-gesellschaftlichen Folgen, die eine sich wandelnde Präsenz der Konzepte in politischen wie auch akademischen Debatten mit sich bringen kann. Zugleich geht es darum, ob durch die jüngsten Entwicklungen die Rolle und die Verantwortlichkeiten Deutschlands und Europas für die Schaffung stabiler Friedensstrukturen gänzlich neu diskutiert werden müssen. Und schließlich ist darüber nachzudenken, was das alles für die künftige Kooperation zwischen handelnder Politik, gesellschaftlicher Gruppen wie Kirchen und (historischer) Wissenschaft heißt.

Diese Veranstaltungsankündigung wurde übernommen vom SFB "Dynamiken der Sicherheit".

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