22.01.2020 ICWC Monatskolloquium Januar 2020
Liebe Mitglieder und Freunde*innen des Zentrums,
ich freue mich sehr, Sie zum nächsten ICWC Monatskolloquium einzuladen. Es findet am 29. Januar 2020 um 16. c.t. im Savignyhaus, Raum SH 312, Universitätsstr. 6 (3. Stock) statt. Für den Termin konnten wir Nicolai Bülte (Fachbereich Rechtswissenschaften, Uni Marburg) gewinnen. Er wird über Kulturrelativismus in den Tatbeständen des Rom-Statuts referieren.
Herzliche Grüße
Wolfgang Form
Hier ein Summary:
Ein Vorwurf, der dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gemacht wird, ist es, sich in ungerechtfertigter Weise auf Afrika zu konzentrieren. In seiner Zuspitzung lautet der Vorwurf, bei dem Gericht handele es sich lediglich um ein weiteres Werkzeug westlichen Kulturimperialismus.
Die Frage eines (übermäßig) starken Einflusses westlichen Denkens auf das Völkerstrafrecht lässt sich auf mehreren Ebenen stellen. Etwa bei der Frage, ob in Transitionsprozessen überhaupt Strafrecht zur Anwendung kommen sollte, im Falle des IStGH also, ob Ermittlungen durchgeführt werden sollten oder ob diese nicht Friedensprozesse behindern. Spätestens mit der Entscheidung in The Prosecutor v. Ahmad Al Faqi Al Mahdi stellen sich kulturelle Fragen auch bei der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Rom-Statuts. Vorgeworfen wurde dem Angeklagten die Zerstörung von religiösen Bauwerken nach Art. 8(2)(e)(iv) Rom-Statut. In seinem Urteil stellte das Gericht sowohl auf die Bedeutung der Bauwerke für die Weltgesellschaft ab (neun der zehn Bauwerke galten als UNESCO-Weltkulturerbe) als auch auf die Bedeutung für die lokale Bevölkerung. Es widmete sich aber nicht der Frage, ob einer der beiden Facetten besondere Bedeutung zukommt oder ob sie gleichermaßen relevant sind. Dem soll in dem Vortrag nachgegangen werden. Denn einer möglicherweise wünschenswerten kulturspezifischen Auslegung steht der Anspruch entgegen, mit dem Rom-Statut bestimmte Verbrechen überall auf der Welt in gleichem Maße verfolgen zu können. Herunter gebrochen auf den Einzelfall stellt sich sodann die Frage, ob eine kulturspezifische Auslegung nicht etwa mit der hinreichenden Bestimmtheit von Strafnormen in Konflikt gerät.