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Projekte Arbeitsgruppe Herker:
Die AG Herker erforscht Virus-Wirt-Interaktionen von RNA Viren, insbesondere von humanpathogenen Flaviviren. Die von uns untersuchten Flaviviren sind weltweit verbreitet und verursachen jährlich mehrere hundert Millionen Infektionen. Neben der chronischen Hepatitis C Virus (HCV) Infektion, mit über 70 Millionen Infizierten und über 400 000 Todesfällen jährlich, verursachen die von Mücken und Zecken übertragenen Flaviviren wie Dengue- (DENV), Gelbfieber- (YFV), Zika-, West-Nil- (WNV) und Frühsommer-Meningoenzephalitisviren (FSME/TBEV) schwerwiegende akute Infektionen, die vor allem in Entwicklungsländern erheblich zur Krankheitslast beitragen.

Verbreitung der untersuchten Flaviviren.
Viren sind für ihre Replikation auf den Stoffwechsel der Wirtszellen angewiesen. Plusstrang-RNA-Viren induzieren beispielsweise cytoplasmatische Membranveränderungen, die als Replikationszentren dienen. Es wird angenommen, dass diese vesikulären Strukturen einerseits das virale Genom vor der Erkennung durch die antivirale Abwehr der Wirtszelle schützen und andererseits genutzt werden, um für die RNA Replikation notwendige Faktoren und/oder Metabolite anzureichern. Abhängig vom Virus werden unterschiedliche Membranreorganisationen induziert und bisher ist noch unklar, welche Lipidstoffwechselwege hierfür und für die Bildung der Virushülle benötigt werden. Lipid droplets (LDs) sind die zellulären Speicherorganellen für Neutrallipide und zentrale Knotenpunkte metabolischer Prozesse. Verschiedene Krankheitserreger, wie z.B. HCV und DENV, nutzen LDs oder dort gespeicherte Lipide oder Proteine für ihre Vermehrung.
Ziel unserer Forschung ist, die Interaktion zwischen Viren und ihrem Wirt besser zu verstehen, um daraus neue Strategien für therapeutische Ansätze zu entwickeln. Hierbei liegt unser Fokus auf folgenden Projekten:
1) DRUID Projekt: Identifizierung von antiviralen Targets im Lipidmetabolismus
Das Ziel des DRUID Projekts ist die Identifizierung von Stoffwechselwegen, die für die Replikation und/oder Pathogenese verschiedener Flaviviren essentiell sind, um innovative antivirale Breitband-Strategien zu entwickeln.
Flaviviren sind wie alle intrazellulären Pathogene auf den Stoffwechsel ihrer Wirtszelle angewiesen. Im Rahmen dieses DRUID-geförderten Projekts untersuchen wir die Abhängigkeit von Flaviviren vom zellulären Lipidstoffwechsel, um potentielle Targets für antivirale Therapien zu identifizieren. Mittels RNAi und CRISPR regulieren wir gezielt Schlüsselenzyme der de novo Fettsäure- und Cholesterol-Biosynthese, des Phospholipid- und Neutrallipidstoffwechsels, sowie Enzyme der Lipid Remodellierung herunterherunter und vergleichen die Replikationkinetiken von DENV, YFV, WNV, TBEV und ZIKV in den Knockdown/Knockout-Zellen. Parallel testen wir ausgewählte Inhibitoren für die genannten Stoffwechselwege. Da Flaviviren abhängig von ihrem Tropismus sowohl neurologische als auch viszerale Erkrankungen auslösen können, validieren wir unsere Ergebnisse in verschiedenen humanen Zelltypen. Um die Analyse bei medium-throughput Ansätzen zu erleichtern, arbeiten wir an der Etablierung von Luciferase-basierten Reporterkonstrukten für die von uns untersuchten Flaviviren.
Gegen identifizierte Zielenzyme, die für die Virusinfektion eine essentielle Rolle spielen, für die aber keine spezifischen Inhibitoren verfügbar sind, werden wir im Rahmen des DRUID Konsortiums Inhibitoren herstellen und testen. In diesem Kontext sind auch weitere Kooperationen innerhalb des DRUID Konsortiums zur Testung verschiedener direkter antiviraler Substanzen geplant.

Modell der Replikation von Flaviviren. Immunofluoreszenz-Mikroskopie von Zellen infiziert mit den verschiedenen Flaviviren; rot: virales E protein; grün: LDs.
Die DRUID Webseite finden Sie HIER
2) Aufklärung der Funktion von LDs während der HCV Replikation und ihre Rolle in anderen infektiösen Erkrankungen
Infektiöse HCV-Partikel bestehen aus einem umhüllten Kapsid, welches das positiv orientierte einzelsträngige RNA Genom enthält. Aufgrund der Assoziation mit Lipoproteinen und neutralen Lipiden werden HCV-Partikel auch als Lipoviropartikel bezeichnet. HCV infiziert fast ausschließlich menschliche Hepatozyten und repliziert im Cytoplasma der Wirtszelle. Das virale Genom kodiert für ein einzelnes Vorläufer-Polyprotein, das in die zehn viralen Proteine prozessiert wird: Die drei viralen Strukturproteine (das Kapsidprotein Core und die Hüllproteine E1 und E2), das Viroporin p7 und sechs Nichtstrukturproteine (NS: NS2, NS3, NS4A, NS4B, NS5A und NS5B). Die virale RNA Replikation findet in virusinduzierten vesikulären Strukturen statt, die einen hohen Anteil an Cholesterol und Sphingolipiden enthalten und Inhibitoren der Cholesterol- und der Sphingomyelinbiosynthese hemmen gleichzeitig die virale RNA Replikation. Diese Strukturen bestehen aus Einfach-, Doppel- und Mehrfachmembranvesikeln (membranous web) und es wird angenommen, dass sie die Replikationszentren vor der Erkennung durch pattern recognition Rezeptoren zu schützen. Zusätzlich finden sich in der Nähe dieser Membranstrukturen cytosolische LDs, die mutmaßlich als Assemblierungsplattform neuer HCV-Partikel dienen (Herker and Ott, Trends Endocrinol. Metab., 2011, Herker and Ott, J. Biol. Chem., 2012).
In unseren Arbeiten konnten wir zeigen, dass die LD-Biogenese notwendig für eine effiziente Virusproduktion ist. Diese Ergebnisse unterstreichen die essentielle Rolle von LDs während der viralen Replikation (Herker et al., Nat. Med., 2010). Mechanistisch erfordert die Translokation von Core und NS5A zu LDs die de novo Triglycerid Biosynthese, da Inhibitoren der Diacylglycerolacyltransferase-1 (DGAT1) den Transport der viralen Proteine zu LDs und die anschließende HCV-Assemblierung hemmen (Herker et al., Nat. Med., 2010, Camus et al., J. Biol. Chem., 2013). Zusätzlich verringert das Kapsidprotein Core an der Oberfläche von LDs ihren Abbau und induziert so sowohl in Zellkultursystemen als auch in Lebern von Mäusen die Ausbildung einer Steatose (Harris et al., J. Biol. Chem., 2011, Camus et al., J. Biol. Chem., 2014).
Mittels quantitativer LD-Proteomanalysen konnten wir zeigen, dass HCV die LDs von ihrer normalen metabolischen Funktion und Regulation abkoppelt. Außerdem haben wir das Wirtsprotein Annexin A3 (ANXA3) als neuen Wirtsfaktor für die Reifung von HCV-Partikeln identifiziert (Rosch et al., Cell Rep, 2016). Perilipin 2 (PLIN2/ADRP) ist das häufigste Protein an der Oberfläche von LDs in Hepatozyten und kürzlich haben wir die Folgen eines PLIN2-knockdowns im Zellkultursystem untersucht. Unsere Daten zeigen, dass LDs in PLIN2-defizienten Zellen in Doppelmembransäcken eingeschlossen sind und dadurch die infektiöse HCV-Partikelbildung nicht mehr unterstützen können (Lassen et al., J. Cell Sci., 2019).

Modell der HCV Replikation und Morphogenese an lipid droplets (Modifiziert nach Herker and Ott, J. Biol. Chem., 2012). Das HCV Kapsidprotein Core lokalisiert in primären Hepatozyten zu lipid droplets.
3) Analyse des Lipidmetabolismus während der Infektion mit Plusstrang-RNA-Viren
Viele Pathogene nutzen den Lipidmetabolismus für ihre Replikation und/oder Persistenz. Wir gehen davon aus, dass Plusstrang-RNA-Viren die gleichen Lipidstoffwechselwege für ihre Replikation benötigen. Wir haben kürzlich die HCV-induzierten Veränderungen der Lipidzusammensetzung eingehend untersucht und quantitative shotgun lipidomics von Zellextrakten und subzellulären Kompartimenten durchgeführt (Hofmann et al., Biochim. Biophys. Acta, 2018). Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine HCV-Infektion das Verhältnis von neutralen Lipiden zu Membranlipiden verringert. Während die Menge an Neutrallipiden unverändert war, konnten wir eine Akkumulierung von Membranlipiden, insbesondere von Cholesterol und Phospholipiden, in den mikrosomalen Fraktionen HCV-infizierter Zellen nachweisen. Zusätzlich war in den HCV-infizierten Zellen eine höhere Menge an Phospholipiden und Triglyceriden mit längerkettigen Fettsäuren nachweisbar und das gezielte Herunterregulieren von Fettsäure Elongasen führte zu einer verminderten HCV Replikation. Wir konnten ebenfalls eine Anreicherung von Ölsäurehaltigen Lipidspezies detektieren und die Inhibierung der zuständigen Desaturase verringerte die virale Replikation gleichermaßen. Diese Ergebnisse lassen uns darauf schließen, dass Elongasen und Desaturasen Wirtsfaktoren der HCV Replikation sind. In Zukunft wollen wir Veränderungen des Lipidmetabolismus, die durch HCV und Flaviviren (DENV, YFV, TBEV, WNV und ZIKV) induziert werden untersuchen.
4) Visualisierung von Infektionen und Analyse von Virus-Wirt-Interaktionen mittels hochentwickelter Mikroskopietechniken
Wir haben kürzlich Arbeitsabläufe und mikroskopische Methoden zur Untersuchung und Analyse von virusinfizierten Zellen, LDs und zugehörigen Proteinen oder zellulären Strukturen unter Verwendung von konfokaler, super-resolution und Elektronenmikroskopie entwickelt. Beispiele hierfür sind die Verwendung von hochauflösender Mikroskopie zur Analyse der subzellulären Verteilung von viralen Proteinen in Bezug auf LDs und korrelative Licht- und Elektronenmikroskopie (Lassen et al., J. Cell Sci., 2019, Eggert et al., PLoS One, 2014, Vartiainen et al., J Synchrotron Radiat, 2014).
