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Projekte des Internationalen Forschungs- und Dokumentationszentrums Kriegsverbrecherprozesse

Der Forschungs- und Dokumentationsbetrieb des Zentrums lebt von der engen Einbindung von Studierenden, Promovierenden, Postdocs und Professor*innen. Das ICWC unterstützt ihre Studienarbeiten und Forschungen, stellt ihnen die benötigte Infrastruktur zur Verfügung und bietet ihnen ein Forum für diskursiven Austausch.
Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen aktuelle, mit dem Zentrum assoziierte Promotions- und Forschungsprojekte vor. Finden Sie außerdem einen Überblick über bereits abgeschlossene Projekte und gewinnen Sie einen Eindruck von der umfassenden, interdisziplinären Arbeit des ICWC.

  • Aktuelle Projekte

    Transitional Justice in Filmjournalen (1945 - 1950)

    Das Projekt Transitional Justice in Filmjournalen (1945 - 1950) ist eine Kooperation zwischen dem Institut für Medienwissenschaft (FB 09) und dem Internationalen Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse.

    Gefördert durch UMR 2027

    Projektbeschreibung

    Masterstudierende vergleichen unter Anleitung deutsche Filmzeitschriften (1945-1950), um mediale Kontexte und Mechanismen von Transitional Justice (TJ) nach dem Zweiten Weltkrieg herauszuarbeiten. Die Entwicklung von Auswertungsmodi (Metadaten) und eine relationale Datenbank sollen helfen, neue analytische Wege zu erschließen. Auf diese Weise werden medienwissenschaftliche Perspektiven und Expertisen mit der Transitional Justice-Forschung an der Philipps-Universität Marburg (ICWC) zusammengebracht.

    Zeitrahmen

    Das Projekt begann im Sommersemester 2020 mit einer zwei-semestrigen Lehrveranstaltung, die in der Medienwissenschaft und am ICWC durchgeführt wird. Als Abschluss ist die Veröffentlichung der Datenbank und eines Fachartikels mit ersten Forschungsergebnissen geplant (Sommersemester 2022).

    Alfried Krupp und der Nationalsozialismus

    Ein von der Essener Krupp-Stiftung initiiertes Forschungsprojekt über Alfried Krupp von Bohlen und Halbach ist auch am Internationalen Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse (ICWC) angesiedelt. Alfried Krupp (1907-1967), der letzte Inhaber des Unternehmens stand 1947/48 in Nürnberg vor Gericht. Ein von Professor Eckart Conze geleitetes Forschungsprojekt beschäftigt sich nun mit dem Thema „Alfried Krupp und der Nationalsozialismus“. Es geht dabei weit über das unternehmerische Handeln Krupps in den Jahren des Zweiten Weltkriegs hinaus und bezieht sowohl die Zeit vor 1933 als auch den Umgang Krupps mit der NS-Vergangenheit, einschließlich seiner eigenen, nach 1945 mit ein. Mit dem neuen Projekt, an dem auch Dr. Jens Brüggemann, Verfasser einer wichtigen Studie zur Wehrmachtsgeneralität in Nürnberg, mitwirkt, setzt das ICWC die Reihe seiner Projekte zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit fort.

    Forschungshintergrund

    Das unternehmerische Handeln Alfried Krupp von Bohlen und Halbachs im Nationalsozialismus ist im Kontext des Nürnberger Krupp-Prozesses und in späteren wissenschaftlichen Studien bereits thematisiert worden. Eine umfassende Untersuchung seines Verhältnisses zum Nationalsozialismus gibt es bislang jedoch nicht. Das gilt insbesondere für die Zeit nach seiner Begnadigung 1951. Was bedeutete die nationalsozialistische Vergangenheit für sein Wirken an der Unternehmensspitze? Reflektierte er seine Verantwortung? Hat er sich zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung mit seinem Handeln beschäftigt? Eine wissenschaftliche Biografie, die sich auch diesen Fragen zuwendet, steht bis heute aus. Das Forschungsprojekt „Alfried Krupp und der Nationalsozialismus“ geht diesen und weiteren Fragen nach. Das Vorhaben wurde von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung initiiert. Ziel des Projekts ist eine differenzierte Betrachtung der Person Alfried Krupps und seines Ver­hältnisses zum Nationalsozialismus. Es geht dabei um eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der Thematik.

    „Die Stiftung führt den Namen von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. Daraus resultiert auch eine Verantwortung, sich mit der Biografie unseres Stifters zu befassen“, sagt Prof. Ursula Gather, Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung. „Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, betrachten wir die Vergangenheit nun bewusst erneut – aus dem Blickwinkel aktueller Fragestellungen und neuer Forschungsperspektiven. Mit dem Rechercheprojekt führt die Stiftung ihre eingeschlagene Linie unabhängiger Forschung zur Krupp-Geschichte fort.“

    Projektbeschreibung

    Das Projekt umfasst zunächst die Identifizierung, Sichtung und Analyse verfügbarer Quellen zu Alfried Krupp und seiner Haltung zum Nationalsozialismus seit den 1920er Jahren. Es erweitert bewusst den Zeitraum des „Dritten Reiches“ 1933-1945 und bezieht sowohl die Haltung Alfried Krupps (1907-1967) zum Nationalsozialismus in der Weimarer Republik ein als auch den Umgang Krupps mit der NS-Vergangenheit, einschließlich seiner eigenen, in der Zeit der Bundesrepublik. Innerhalb von neun Monaten sollen dabei neue bzw. noch nicht systematisch untersuchte Quellen in nationalen und internationalen Archiven ausgewertet werden. Auch das Historische Archiv Krupp ist einbezogen. Dabei soll der Blick über das unter­neh­merische Handeln Alfried Krupps hinausgehen und auch andere Dimensionen berücksichtigen, beispielsweise politische Positionen und Meinungen oder private Äußerungen. Die aus der Quellenrecherche gewonnenen Erkenntnisse werden durch die Stiftung und externe Experten diskutiert und im Hinblick auf mögliche nächste Schritte ausgewertet. Die Ergebnisse des Recherche­projekts werden der Öffentlichkeit voraussichtlich Anfang 2023 vorgestellt.

    Seit Jahrzehnten setzt sich die Stiftung für die Aufarbeitung der Geschichte der Firma und Familie Krupp ein: Sie hat u.a. wissen­schaft­liche Projekte und Publikationen initiiert, die von renommierten Historikern wie Lothar Gall oder Harold James erfolgreich umgesetzt wurden. Am Sitz der Stiftung vermittelt die Historische Ausstellung Krupp im Kleinen Haus der Villa Hügel Informationen über die Rolle der Firma Krupp im „Dritten Reich“ ebenso wie über die Person Alfried Krupps. Das Historische Archiv Krupp, das umfangreiches Material zu Alfried Krupp verwahrt, steht allen Interessierten offen und unterstützt regelmäßig wissenschaftliche und andere Vorhaben.

    Erfahren Sie mehr über die Initiator*innen des Projektes in der Pressemeldung.

  • Promotionsprojekte

    Alexander Benz: „Reformbedürftigkeit der StPO im Hinblick auf völkerstrafrechtliche Verfahren“ (Arbeitstitel)

    In diesem Projekt liegt ein besonderes Augenmerk auf der erhobenen Forderung, die deutsche Strafprozessordnung sei im Hinblick auf völkerstrafrechtliche Verfahren zu überarbeiten, um deren besonderen Gegebenheiten besser gerecht zu werden. Zentrales Element der Dissertation ist dabei eine Untersuchung solcher Verfahren vor dem Staatsschutzsenat des OLG Frankfurt, welche im völkerstrafrechtlichen Kontext angesiedelt waren. Hierzu werden im Wege einer qualitativen Sekundäranalyse die durch das Trial-Monitoring-Projekt des ICWC an der Philipps-Universität Marburg im Rahmen der Prozessbeobachtung erstellten Tagesberichte ausgewertet. Zur Absicherung hieraus erwachsender Erkenntnisse sind qualitative Interviews mit den beteiligten Prozessparteien angedacht. Nach Auswertung des Materials wird versucht, zu den tatsächlich aufgefundenen Problemen Lösungsansätze zu entwickeln und zu diskutieren.

    Alexander Cramer: „Verstrickung, Kollaboration, Belastung? Die Rolle der Fuldaer Stadtleitung und Stadtverwaltung im Nationalsozialismus“ (Arbeitstitel)

    Dieses Projekt blickt auf die Durchsetzung nationalsozialistischer Herrschaft auf kommunaler Ebene am Beispiel der osthessischen Stadt Fulda. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Rolle, die Oberbürgermeister, Bürgermeister und Stadtverwaltung spielten. Fulda bietet sich als streng katholische Stadt, in der das Zentrum noch bei den Kommunalwahlen 1933 die absolute Mehrheit errang, als Untersuchungsgegenstand an, da auch über den lokalhistorischen Horizont hinausgehend Erkenntnisse zum Verhältnis von Nationalsozialismus und Katholizismus und der Durchdringung des katholischen Milieus gewonnen werden sollen. Dabei spielen exponierte Akteure, die den Nationalsozialismus salonfähig machen konnten, ebenso eine wichtige Rolle wie die Kooperationsbereitschaft und die Freiräume der kommunalen Verwaltung. Fragen nach individueller Belastung schließen sich dementsprechend an, wobei der Begriff als analytische Kategorie in der Geschichtswissenschaft bisher unzureichend definiert ist, weshalb diese Arbeit einen Beitrag zur Begriffsschärfung und zur Ausleuchtung eines definitorischen Vorfelds von (oft mit juristischer Schuld assoziierter) Belastung leisten will.

    Kontakt: alexander.cramer@uni-marburg.de

    Linn-Sophie Löber: „Täterinnen im völkerstrafrechtlichen Kontext: Aufarbeitung und Erinnerungsbildung nach Massengewalt“ (Arbeitstitel)

    In diesem Dissertationsprojekt steht die Frage im Mittelpunkt, ob – und falls ja, wie – der Transformationsprozess in der post conflict-Phase genutzt werden kann, um in der betroffenen Gesellschaft Frauenrechte zu stärken, Geschlechtergerechtigkeit zu fördern und die patriarchale Herrschaft in Frage zu stellen.
    Untersucht werden die Zusammenhänge zwischen der Transitional Justice-Phase und der Ausbildung des politischen Gedächtnisses, nachdem eine Gesellschaft den Ausbruch von Massengewalt erlebt hat, sowie der Einfluss beider Elemente auf die (Re-)Konstruktion des Geschlechterverhältnisses in der post conflict-Phase.
    Dabei stellt sich insbesondere die Frage, welche Rolle der Berücksichtigung bzw. Nicht-Berücksichtigung von Täterinnen, Bystanderinnen und Profiteurinnen in Völkerstrafrecht und Outreach-Programmen zukommt.
    Denn Täterinnen sind historische Realität. Sie von Geschichtspolitik und gesellschaftlichem Erinnern auszuschließen, kommt einer Verfälschung gleich, deren Ursachen in patriarchalen Deutungsmustern der Vergangenheit zu suchen sind. Schließlich könnte der Bruch mit solchen Mustern in der Geschichtspolitik langfristig Breitenwirkung entfalten und weitere Bereiche wie die Außenpolitik oder die Ausgestaltung zwischenstaatlicher Beziehungen progressiv beeinflussen.

    Kontakt: linn-sophie.loeber@uni-marburg.de

    Dirk Stolper: „Eichmanns Anwalt. Wirken und Wahrnehmung von Robert Servatius (1894-1983)“ (Arbeitstitel)

    Das Projekt beschäftigt sich mit der Tätigkeit und der Wahrnehmung des Kölner Rechtsanwalts Robert Servatius (1894-1983). Im Fokus der Untersuchung steht die Analyse der von Servatius entwickelten und angewandten Verteidigungsstrategien in NS-Prozessen zwischen den Jahren 1945 und 1968 und deren Rezeption in der westdeutschen und internationalen Öffentlichkeit. Die Untersuchung leistet damit einen Beitrag zur Erforschung der juristischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und NS-Verbrechen und insbesondere zur Rolle der Strafverteidiger in diesem Kontext. Sie zielt aber, darüber hinaus, auf die Entwicklung und Veränderung von NS-bezogenen Geschichtsbildern in der deutschen und der internationalen Öffentlichkeit in den Jahrzehnten nach 1945.

    Kontakt: dirk.stolper@gmail.com