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Tribut an fremde Priester - Untersuchungen zur Rolle des Kultpersonals in den Kulten nichtgriechischer Götter in Griechenland

Wikimedia Commons

Dr. Sabine Neumann (Projektleiterin)

Die antike griechische Religion ist seit jeher durch viele verschiedene Einflüsse geprägt. Insbesondere in hellenistischer Zeit sind in Griechenland Kulte und Heiligtümer für ägyptische, syrische, thrakische und phrygische Götter bezeugt, welche das lokale Pantheon bereicherten.

Hörneraltar im Sarapeion C auf Delos
Foto: Sabine Neumann
Hörneraltar im Sarapeion C auf Delos

Die Nachwuchsgruppe des MCAW untersucht, wie von Migrant*innen mitgebrachte Kulte für nicht-griechische Gottheiten die religiöse Landschaft der Host-community prägten und welchen Einfluss wiederum die politisch-religiösen Institutionen der griechischen Poleis auf die Kulte hatten. Im Zentrum der Untersuchung steht das Kultpersonal deren agency. Die Rolle und die komplexen Identitäten von Priestern, Kultintendanten, Aretalogen, Trauminterpretinnen und weiteren in den Kulten der 'fremden' Götter beteiligten Personen war bislang kaum Gegenstand von Untersuchungen. Ihre Bedeutung in der lokalen Ausprägung der Kulte, den Verhandlungen zwischen politischen Polis und Institutionen und der Gestaltung der Heiligtümer ist jedoch von kaum zu unterschätzender Bedeutung.

Der griechische Blick auf Priester in den Heiligtümern Ägyptens, Babylons und Syriens ist bei Herodot (I, 181, 5; II, 2. 3), Diodorus Siculus (II, 29, 1-4) und Lukian von Samosata (De Syria dea, 42-3) eindrucksvoll überliefert. Berichtet wird von in griechischen Augen fremden Sitten wie das Scheren des Kopfhaares, das Tragen von weißen Leinengewändern sowie Unterschieden Bezug auf Opferrituale, Purifikation und Kultregelungen.

Insbesondere in hellenistischer Zeit finden sich in Griechenland zahlreiche Hinweise auf immigrierte Priester, die private Heiligtümer gründeten und das Amt an ihre Söhne weitervererbten. Darüber hinaus engagierten sich ansässige Migranten, darunter auch Frauen, gemeinsam mit griechischen Bürger*innen in religiösen Vereinen im Kult der 'fremden' <Gottheiten. Mehrere Kulte, wie beispielsweise der der thrakischen Göttin Bendis und den aus dem Nildelta stammenden Götter Isis und Sarapis, wurden in griechischen Städten staatlich verwaltet, was zur Folge hatte, dass die offiziellen Priester unter den griechischen Magistraten demokratisch gewählt wurden und das Amt für ein Jahr innehatten. Gleichzeitig konnten in diesen staatlich verwalteten Heiligtümern neben den offiziell eingesetzten Priestern auch Kultspezialist*innen beschäftigt werden, die mit ihrer rituellen Kompetenz für den authentischen Ablauf der Riten sorgten. Der Kult unterlag folglich der Kontrolle des staatlich eingesetzten (griechischen) Priesters, der für die Bekleidung des Amtes über kein spezielles Wissen im Ablauf der Riten besitzen musste, während die religiöse Autorität bei dem (fremden) Spezialisten lag, welcher zudem häufig über die Kunst der Weissagung in Kontakt mit der Gottheit stand. 

In dem Projekt "Tribut an fremde Priester" untersuchen wir auf Grundlage epigraphischer und archäologischer Quellen

  • die Rolle und Identität des Kultpersonals in den Kulten nicht-griechischer Götter,
  • die flexiblen Aushandlungsprozesse von Machtpositionen und das Nebeneinander unterschiedlicher Vorstellungen von religiöser Autorität, und
  • die Wechselwirkungen zwischen politischen und sozialen Entwicklungen der Polis und der Administration der Kulte.

Konkret untersucht werden:

  • Formen von Exotisierung des Kultpersonals im äußeren Erscheinungsbild, wie es durch Porträtstatuen und Reliefs auf Grabstelen überliefert ist und sich in Form von Kleidung, Kopfbedeckung, ethnischen Markern etc. zeigt und teilweise stereotype Formen ausprägt
    Integration von 'fremden' Riten wie Opferritualen überliefert durch Kultregelungen in Inschriften, archäobotanische und archäozoologische Funde, Gebete in nicht-griechischer Sprache, spezifische Weihegaben, Übersetzungen von theophoren Namen auf Grabstelen, Ehreninschriften etc.
  • Rolle und Bedeutung von Gender in sakralen Ämtern, so beispielsweise Abweichungen von der griechischen Praxis, dass weibliche Gottheiten Priesterinnen und männliche Gottheiten Priester besaßen
  • Etablierung einer religiösen Autorität in Form von tradiertem Wissen, Charisma, Kommunikation mit der Gottheit durch Träume, Orakel, göttliche Befehle, welche dem Kultpersonal eine Autonomie und Macht verlieh
  • Aushandlungsprozesse und Aufgabenverteilung zwischen staatlich eingesetzten Priestern und fremden Kultspezialisten, privat verwalteten Heiligtümern und Kultvereinen
  • Auswirkungen von politischen und sozialen Entwicklungen im religiösen Leben der Poleis auf die Verwaltung der fremden Kulte. So beispielsweise der Wechsel der jährlich per Los gewählten Priesterschaft hin zu einer Vergabe der Ämter auf Lebenszeit, wie sie in zahlreichen griechischen Poleis im 2. und 1. Jh. v. Chr. vollzogen wurde.

In dem Projekt "Tribut an fremde Priester" werden durch die Untersuchung des Kultpersonals in den Kulten nicht-griechischer Gottheiten neue Facetten in der griechischen Religion in Verbindung mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen griechischer Städte  aufgezeigt. Als Quellen dienen der Untersuchung Porträtstatuen und Grabstelen von Priestern und weiterem Kultpersonal sowie die in Heiligtümern ägyptischer, syrischer, phrygischer und thrakischer Gottheiten in Griechenland gefundenen Inschriften, welche die Administration der Kulte regeln und interessante Einblicke in Aushandlungsprozesse zwischen den Institutionen der Poleis, Kultvereinen und individuellen Personen enthalten. Durch die Theoriebildung und Weiterentwicklung wissenschaftlicher Methoden zur Erforschung der Verbindungen von antiker Religion und multikultureller Prozesse stellen wir sicher, dass das Projekt einen bedeutenden Einfluss auf die Erforschung von Religion im antiken Mittelmeerraum hat.