27.07.2017 Sicherheit hat ihre Grenzen

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat den Sonderforschungsbereich "Dynamiken der Sicherheit” mit dem Abschluss der 1. Förderphase positiv evaluiert und für weitere 4 Jahren verlängert.

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In aktuellen politischen Diskussionen wird Sicherheit als Schlüsselbegriff gerne benutzt, wenn es gilt, das eigene politische Handeln zu legitimieren. Dieser Effekt gab im Jahr 2014 den Anstoß zur Konzipierung eines eigenen interdisziplinären Sonderforschungsbereichs, in dem sich Forscherinnen und Forscher der Philipps-Universität Marburg, der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung mit der Bedeutung, des Wandels und der Interpretation politischer Sicherheit in historischer Perspektive beschäftigen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat nun die Weiterführung der Forschungsarbeit mit einem Fördervolumen von rund 11 Millionen Euro für weitere vier Jahre bewilligt. Dem Forschungscampus Mittelhessen ist damit ein Doppelerfolg gelungen, denn zeitgleich wurde an beiden Universitäten auch der Sonderforschungsbereich Transregio 135 „Kardinale Mechanismen der Wahrnehmung: Prädiktion, Bewertung, Kategorisierung“ verlängert (vgl. weitere Pressemitteilung von heute).

„Was ist Sicherheit und wann fühlen sich Gesellschaften in ihrer Sicherheit bedroht? Um Fragen wie diese zu beantworten, ist es sehr wichtig zu verstehen, wie sich in der Geschichte Vorstellungen von Sicherheit entwickelten und wie diese in den politischen Prozess gelangten“, sagt Prof. Dr. Christoph Kampmann von der Universität Marburg, Sprecher des Sonderforschungsbereichs. Mit seinem historischen Fokus nehme der Sonderforschungsbereich eine eigenständige Rolle in der Sicherheitsforschung ein. „Bereits in der ersten Förderphase
haben wir uns in diesem Themenfeld als ein zentrales wissenschaftliches Diskussions- und Kommunikationsforum etabliert“, sagt Kampmann. Dabei verbindet der Sonderforschungsbereich Transregio 138 mit dem Thema „Dynamiken der Sicherheit. Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive“ Geschichts-, Sozial- und Rechtswissenschaften sowie die Kunstgeschichte.

Ein Fokus der Forscherinnen und Forscher liegt auf dem Konzept der „Versicherheitlichung“. „Es kann vorkommen, dass politische Entscheidungsträger bestimmte gesellschaftliche Probleme bewusst dramatisieren“, sagt Kampmann. „Dabei geht es oftmals um die eigene Legitimation beziehungsweise die des Staates, der seiner Bevölkerung Schutz durch die Erhöhung der Sicherheit anbietet.“ Dadurch verstärke sich das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung letztlich jedoch immer mehr und die Forderungen nach mehr Sicherheit würden für den Staat irgendwann nicht mehr erfüllbar – denn Sicherheit hat ihre Grenzen. Ziel für die neue Förderphase wird unter anderem sein, das Konzept der „Versicherheitlichung“ zu modifizieren und weiterzuentwickeln. „Wir verstehen ‚Versicherheitlichung‘ nicht als einen stets zielgerichteten und vorgegebenen gleichbleibend ablaufenden Prozess mit vorhersagbarem Ausgang, sondern als variablen Prozess mit Überlagerungen, Inkonsistenzen, Regressionen und Diskontinuitäten“, so Kampmann. Davon ausgehend soll am Ende der gesamten Förderzeit eine umfassende Typologie von Dynamiken der Sicherheit in der Geschichte entstehen. "Der gemeinsame Sonderforschungsbereich besitzt mit seiner Ausrichtung auf historische Sicherheitsforschung schon heute weltweit ein Alleinstellungsmerkmal“, ergänzt Prof. Dr. Horst Carl von der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Anfang 2018 wird wie zwischen beiden Universitäten von Anfang an vereinbart die Federführung des Sonderforschungsbereiches an die JLU wechseln und Prof. Carl das Amt des Sprechers übernehmen. „Wir werden die nächsten vier Jahre nutzen, den Forschungsverbund unserer beiden Universitäten zum international führenden Zentrum für historische Sicherheitsforschung zu machen", kündigt er an.

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