Hauptinhalt

Arbeitsgruppe Affekte

3. Förderphase (2022-2025)

Ziel der Arbeitsgruppe ist es, das in den bisherigen Förderphasen wenig adressierte Thema der Emotionen und Affekte aufzugreifen. Dafür bringt sie bislang größtenteils parallel zueinander verlaufende  emotionsgeschichtliche und affektsoziologische Ansätze zusammen.
Emotionen und Affekte haben in der historischen und soziologischen Sicherheitsforschung lange eine untergeordnete Rolle gespielt. Das ist erstaunlich, da Situationen der Sicherheit regelmäßig emotional und affektiv aufgeladen sind. Emotionen und Affekte beeinflussen maßgeblich, was überhaupt als Bedrohungsobjekt in Betracht kommt. Sie richten die Epistemologien und Problematisierungsweisen von Akteuren aus und rücken so Referenzobjekte erst als sicherheitsrelevant in den Fokus. Hier stell sich auch die Frage nach der Bedeutung der Konstruiertheit von Emotionen wie Wut, Angst oder Empathie für einzelne "emotional communities" (Rosenwein 2015) sowie für individuelle und kollektive (Un)sicherheit. Zugleich können Affekte und Emotionen auch dezidiert Gegenstand von Sicherheitsrepertoires und Politiken werden. So visualisieren Medien etwa Bedrohungslagen, um die sicherheitsbezogenen Aufmerksamkeiten und Verhaltensweisen der Bevölkerung zu kalibrieren. Schließlich sind Affekte und Emotionen Gegenstand von Trainingsprogrammen, wenn etwa durch Simulation von Krisensituationen die Antizipations- und Navigationsfähigkeit von Sicherheitsakteuren in Gefahrensituationen geschult werden (Krasmann/Hentschel 2019).
Emotionen und Affekte können aber auch selbst zu einem Sicherheitsproblem gemacht werden, da sie eine unkontrollierbare Konnektivität und Virtualität aufweisen. Gerade weil Angst, Wut oder Erregung die Grenzen bestehender Ordnungen sprengen, sind sie eine Herausforderung für Sicherheitsakteure. Sie können Individuen, Kollektive und soziale Ordnungen in ‘Schwingung’ (Luhmann) versetzen und ganz eigene soziale Dynamiken entfalten. Entsprechend lassen sich Affekte und Emotionen kaum kommunikativ einhegen. Weil insbesondere Affekte auf einer anderen Ebene liegt als die Bedrohungskommunikation, sind affizierte Körper für Verfahren der Deliberation nur bedingt zugänglich. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich dem sicherheitspolitischen Zugriff entziehen. Im Gegenteil: Viele Sicherheitsbemühungen zielen darauf ab, Affekte und Emotionen zu kontrollieren, abzumildern, umzulenken oder gar nicht erst entstehen zu lassen – von beschwichtigenden politischen Worten und medialen Informationskampagnen, über öffentlich wirksame (Gerichts-)Prozesse, die den Punitivitätsgefühlen der Öffentlichkeit Rechnung tragen sollen, bis hin zum architektonischen Design in Innenstädten, um das allgemeine Sicherheitsgefühl zu steigern.
Ein Fokus der Arbeitsgruppe liegt auf der Frage, wie sich Affekte in der Sicherheitsforschung methodologisch und theoretisch in Rechnung stellen lassen. Dabei verfolgt sie zwei miteinander verschränkte Ziele. Sie möchte das heterogene Feld der Affekt- und Emotionsforschung ordnen und systematisch auf die Sicherheitsforschung beziehen. Des Weiteren versucht sie, die bisher im SFB entwickelte pragmatistische Analytik (Situation/Heuristik/Repertoire) um eine emotions- und affekttheoretische Perspektive zu ergänzen.

Sprecher der Konzeptgruppe
Leon Wolff

Kooperationspartner