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#strangethingschallenge: religiöse Objekte auf Instagram?

Anfang des Jahres wurde vom Historischen Museum in Speyer der Hashtag/#strangethingschallenge gestartet. Darunter wurden Museen aufgefordert, „Strange Things“ aus ihren Sammlungen auf Instagram zu posten und ihrerseits ein weiteres Museum für die Challenge zu nominieren. Bei REDIM haben wir diskutiert, ob wir uns an dieser Challenge beteiligen wollen. Zu einem eindeutigen Ergebnis ist unsere Diskussion noch nicht gekommen. Die Challenge läuft also ohne uns weiter und geht langsam auch zu Ende. Wir möchten dies zum Anlass nehmen, an dieser Stelle einige Gedanken über die Kuriosität und die Fremdheit von Objekten sowie ihrer Präsentation zu teilen und zur Diskussion stellen.

Für unser Team machte Prof.in Dr.in Bärbel Beinhauer Köhler aus der Religionsgeschichte der Philipps-Universität Marburg den Anfang. Einen Respons darauf verfassten Prof.in Dr.in Edith Franke und Ramona Jelinek-Menke aus der Religionswissenschaft der Philipps-Universität.

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    Beitrag von Prof.in Dr.in Bärbel Beinhauer-Köhler zum Thema
    #strangethingschallenge: religiöse Objekte auf Instagram?

    Das Historische Museum in Speyer hat unter #strangethingschallenge vor einigen Wochen begonnen, auf Instagram „kuriose“ oder „skurrile“ Dinge zu präsentieren. Andere Museen folgen dem Aufruf und zeigen im Netz je fünf Objekte, die aus Sicht der Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter aufmerken lassen. Oft handelt es sich um Luxusgegenstände vergangener Zeiten, deren einstige Wertschätzung ebenso aus dem Blick geraten ist, wie ihre Existenz oder komplizierte Produktion überhaupt: feinste Blumengebinde aus Haaren, lustige tierförmige Trinkgläser, wieder benutzbare Kondome, aber auch Dokumente politischen Widerstands wie Adolf Hitlers Hintern als Nadelkissen. Jedes Bild wird durch eine kurze Erläuterung ergänzt, Instagram-Nutzer können voten, und so erhalten die Museen ein Feedback darüber, was auf Interesse stößt und was nicht. Mit Recht ist damit die Aussicht verbunden, womöglich eine eigene Ausstellung aus den beliebtesten Objekten zu erstellen. Der Wettbewerb erhält durchaus mediale Aufmerksamkeit (etwa stern.de und ein SWR-Beitrag folgert: „Via Social Media Menschen neugierig machen mit skurrilen Bildern, ihnen nebenbei interessante Geschichten erzählen, sie vielleicht über beliebte Stücke abstimmen lassen und sie anschließend in eine echte Ausstellung locken: Genauso funktioniert Museum 2.0.“).

    Was bedeutet dies für ein Museum mit Exponaten aus der Welt der Religion, angesichts langjähriger religionswissenschaftlicher und postkolonialer Debatten? Können wir uns unbefangen von Objekten affizieren lassen, die annehmbar mit religiösen Gefühlen belegt sind oder im Zuge kolonialer Zugriffe auf die materielle Kultur Anderer Bestände unserer Museen sind? Und selbst wenn Fachleute nicht darüber schmunzeln, sondern einen Gegenstand durch einen Begleittext in seinem Kontext präsentieren – ist es zu verantworten, dass im Rahmen einer „challenge“ in einem halböffentlichen und letztlich kommerziellen, von Influencern beeinflussten Raum wie Instagram, darüber befunden wird, ob ein solches Objekt nun „kurios“ genug ist oder nicht?

    Die Religionswissenschaft pflegt seit Jahrzehnten eine sehr differenzierte Debatte über Zeichen und Symbole, die Gefühle wecken. Wir alle kennen die Wucht, die Muhammad-Karikaturen auslösen können, die für die einen kurios sind, für andere jedoch existenziell verletzend. Dabei spielt eine große Rolle, wer über wen lacht. Eine Lösung wäre, solche Dinge nicht zu zeigen. Ethnologische Sammlungen pflegen einen ähnlichen Usus, wenn es um Objekte geht, die unmittelbar mit der Vitalität von Menschen oder Gesellschaften verbunden sind. Schon vor rund dreißig Jahren hat die universitäre Ethnologische Sammlung in Göttingen ein Schwirrholz aus Australien magaziniert und stattdessen eine leere Vitrine gezeigt, weil eine Ethnie diesen länglichen Gegenstand mit der Potenz männlicher Initianden verband und gegen seine Sichtbarkeit für Museumsbesucherinnen protestierte. Gerade religiöse Dinge werden in ihren Ursprungskontexten oft vor Blicken verborgen. Inzwischen ist dies Teil einer breiten Debatte über die Restitution von Sammlungsbeständen in Richtung der Herkunftsgesellschaften.

    Nun könnte man meinen, es blieben noch genug andere potenziell kuriose Dinge üblich. Denn Religionen sind nach heutigem Diskussionsstand keineswegs nur „heilig“, in ihnen selbst wird ebenso viel gelacht wie anderswo, ihre Träger führen ein Alltagsleben mit Gegenständen aller Art. Mit ihnen könnte man eine ganze counter history erzählen: Vasen mit Hirschgeweihen und Alpenpanoramen aus dem Osmanischen Reich, wo es, ähnlich der sogenannten „Türkenmode“ im nördlichen Europa im 18. Jahrhundert, im 19. eine Europa-Mode gab. Es ließe sich die Fluidität kultureller Formate darstellen, wo „Ost“ und „West“ nicht zu trennen sind: fluoreszierende Aufkleber für palästinensische Schulranzen mit Aufdrucken von Schriftzügen Allah und Muhammad – die moderne Variante der traditionellen Kalligraphie.

    Aber ist dies „kurios“ oder „skurril“? Und wenn ja, für wen?

    In dieser Zuschreibung scheint mir die eigentliche Schwierigkeit für eine religionswissenschaftliche Beteiligung zu liegen. KuratorInnen und Mitarbeitende in einem Museum wissen, dass dies und anderes völlig normal ist, ebenso wie die glücksfördernde solarbetriebene tibetische Gebetsmühle für das Fensterbrett oder die indische Gebetskette mit Dornen zur Steigerung asketischer Energie. Aber Fachleute kennen auch die Mechanismen der Konstruktion von Alterität als Schattenseite der Identität. Dinge werden schnell als „skurril“ eingeschätzt, solange man sie nicht kennt oder selbst nutzt. Eine protestantische Perspektive weist seit der Reformation gerade „kostbaren“ Paraphernalia aus Domschätzen in der Abwertung einer katholischen Tradition keinen Wert zu, Reliquien oder Ikonen gelten als ein falscher Zugang zu Gott. Aus solchen Gründen hat die Religionswissenschaft sich ein Ethos der epoché zueigen gemacht, der Zurückhaltung von eigenen Werturteilen in der wissenschaftlichen Arbeit mit Kulturen, die nicht der eigenen Weltanschauung entsprechen.

    Ein Ding kann insofern im kultur- und religionsvergleichenden Sinne nur schwerlich eine „kuriose Sache“ sein. Aus #strangethingschallenge spricht vielmehr ein typisch abendländischer Ansatz der Moderne, es ist die Zuspitzung einer Verobjektivierung passiver Dinge, die sich das handelnde Subjekt zu eigen macht – während traditionelle Kulturen diesen „Gegenständen“ u.U. eine eigene Wirkmächtigkeit zusprechen, sie transportieren oder vermitteln Kräfte (arab. baraka, jap. rei usw.) oder sie sind gar selbst magisch, heilig oder „Gott“.

    Eine postmoderne Museologie setzt auf eine Individualisierung der Zugänge zu ausgestellten Dingen. Nicht mehr die Narrative der KuratorInnen, ihre Objektauswahl und Präsentationsstrategie sollen im Vordergrund stehen, sondern die Interessen der Besucher verleihen ihnen neuen Sinn. Die Instagram-challenge folgt diesem durchaus positiv zu bewertenden, demokratischen Ansatz radikal, indem sämtliche Fotos der Objekte gleichgestellt nebeneinanderstehen. Betrachterinnen und Betrachter müssen sich ein eigenes Bild machen, sie können durch den Bestand scrollen, verweilen oder weiterklicken und sich durch ihr Votum ihren eigenen Bestand bevorzugter Gegenstände zusammenstellen.
    Es ist nicht uninteressant, dass damit ein Prinzip der abendländischen Museumsgeschichte zum Teil neu auflebt: Die sogenannte Wunderkammer als Sammlung von Privatleuten, die dort sehr subjektiv und noch nicht aufklärerischen, wissenschaftlichen Ordungsschemata gehorchend, Kostbarkeiten und Kuriositäten versammelten, die ihnen gefielen und sie zum Staunen anregten. #strangethingschallenge scheint an dieser Möglichkeit anzuknüpfen. Diese ist per se nicht zu verurteilen, sie führte und führt zu einer Wertschätzung und konkret dem Erhalt bestimmter Kulturgüter. Gleichzeitig bleibt damit die aktuelle Sammlung auf eine weitere Weise in besonderem Maße ihrer eigenen Kultur verhaftet: Diese virtuelle Ausstellung setzt, in einem sehr spezifischen Kulturmuster, in seiner zeitgenössischen Verflechtung mit modernen Medien, auf Visualität und Attraktivität eines Gegenstandes ausschließlich für den Sehsinn. Es sollte klar sein, dass damit Objekte außen vor bleiben, die mit anderen Sinnen wahrgenommen werden: Solche, die Töne erzeugen oder die einen Geruch haben oder die besonders gut haptisch wahrgenommen werden können oder aufgrund ihres Formats gar nicht gut auf ein Foto passen würden. Der derzeit stark diskutierte Ansatz der Inklusion bleibt insofern außen vor: Wie sollen sich an diesem Wettbewerb Menschen beteiligen, deren Sehsinn eingeschränkt ist?

    Nicht überraschend entstammen die auf Instagram gezeigten Objekte bisher überwiegend der europäischen Kulturgeschichte. Dabei erhalten die Dinge besondere Aufmerksamkeit, die sexuelle Vorlieben oder der Vergangenheit angehörende Körperpraktiken erahnen lassen, schaudernd an den Tod gemahnen oder niedlich sind. Insgesamt verrät dies weniger über die einzelnen Dinge als über ihre Betrachter und die Mechanismen von Instagram.

    Ich bin gespannt, wie sich dies entwickelt. #strangethingschallenge ein interessantes Dokument für kollektive Bewertungen von Gegenständen. Ein religionswissenschaftlicher Beitrag könnte hier anknüpfen und dabei ansetzen, solche Wertmaßstäbe zu hinterfragen. Neugierde („curiosity“) kann im positiven Sinne durchaus als Initialzündung für reflektierte Forschung über öffentliche Präsentation religiös konnotierter Objekte dienen.

  • Kuriosität und Kreativität: Zum vielfältigen Potenzial des Zeigens und Wahrnehmens religiöser Dinge

    Foto: Heike Luu
    Foto: Maike Sieler

    Ein Beitrag von Prof.in Dr.in Edith Franke und Ramona Jelinek-Menke zum Thema
    #strangethingschallenge: religiöse Objekte auf Instagram?

    Kuriosität ist keine Eigenschaft von Dingen. Sie ist eine Zuschreibung und hat ihren Ursprung in der Wahrnehmung und Erwartung von Menschen. Genau darum werden Dinge, die wir selbst nutzen oder gar nicht kennen – und daher überhaupt nicht einordnen können – nicht als kurios wahrgenommen. Kuriosität entsteht erst dann, wenn ein Ding unsere Erwartung irritiert – und Erwartungen können wir nur gegenüber dem haben, was wir kennen. Dinge, die uns kurios erscheinen, erinnern uns an Bekanntes, brechen aber unsere Erwartungen. Sie irritieren und stören das bisher plausible Wahrnehmungsschema. Komik oder Kuriosität wird in dem Spannungsfeld erzeugt, das zwischen den Erwartungen, die wir Dingen entgegenbringen, und ihrem Bruch entsteht.

    Kuriosität hat daher etwas mit Verfremdung zu tun, also mit dem, was uns verfremdet, nicht den Erwartungen zu entsprechen erscheint. Wenn wir über Fremdes oder Verfremdetes sprechen, dann impliziert das Vorstellungen des Eigenen und des Richtigen. Kuriosität steht also immer in Beziehung mit dem, was uns fremd, unbekannt oder unerwartet erscheint, mit dem, was im Kontrast zum Fremden, als das Eigene identifiziert wird sowie mit dem Vergleich zwischen dem Eigenen und dem Fremden – Kuriosität steht also immer in Beziehung mit der jeweils eigenen Kultur, wenn man so will.

    Ist es denn etwas Schlechtes, wenn Dinge uns kurios erscheinen oder wenn wir sie als solche bezeichnen?

    Wollen wir ein Bild eines (religiösen) Dings unter dem Hashtag strangethingschallenge auf Instagram posten, erfordert das einige Reflexion: Wir müssen antizipieren, welches Objekt den oben beschriebenen Vorgang bei den Nutzer*innen auslösen könnte. Viele der Nutzer*innen von Instagram nehmen diese Reflexion wohl meistens intuitiv, unbewusst, ad hoc vor. Sie entscheiden vermutlich häufig vor dem Hintergrund ihrer eigenen kulturgebundenen Wahrnehmungen und Einordnungsschemata, was kurios ist und was nicht.

    Als Religionswissenschaftler*innen und als diejenigen, die kritische Reflexionen zu ihrem professionellen Alltagsgeschäft gemacht haben, können wir uns bei unseren Aktivitäten auf Instagram und anderswo selbstverständlich nicht einfach von unserer kulturgebundenen Intuition leiten lassen. Es geht bei einer Aktivität wie dieser vielmehr darum, vor dem Hintergrund einer postmodernen, von einer religionswissenschaftlich differenzierten Haltung und breitem religionshistorischen Wissen getragenen Museologie, Dinge zu zeigen, die Wahrnehmungsmuster der Nutzer*innen irritieren und damit Interesse an den Dingen und deren Hintergrund wecken können.

    Insbesondere im Medium Instagram und anderer sozialer Medien ist dies kein leichtes Unterfangen: Instagram hat laut Statista mehr als eine Milliarde Nutzer*innen und die meisten von diesen leben in den USA, Brasilien, Indien, Indonesien, Russland, in der Türkei und Japan (Vgl. Statista). In dieser, allein schon geographisch äußerst multiplen Community wird sicherlich sehr Unterschiedliches als kurios wahrgenommen.

    Hinzu kommt, dass wir im Bewusstsein religionswissenschaftlicher, postkolonialer und anderer kritischer Ansätze weder religiöse Gefühle verletzen, noch Menschen, Kulturen und ihre Gegenstände exotisieren und zum Objekt abfälliger Belustigung machen wollen. Und wir wollen auch versuchen zu vermeiden, dass Instagram-Nutzer*innen unser Foto zu solchen Zwecken nutzen.

    Professionell religionswissenschaftlich auf Plattformen wie Instagram zu agieren ist zweifelsfrei eine große Herausforderung und kann nur unter Berücksichtigung der genannten Maximen erfolgen. Ein einziges Foto muss demnach nicht nur die Erfahrung der Nutzer*innen ansprechen, sondern auch all unserem Wissen und unseren kritischen Reflexionen, mit denen wir ganze Bücherregale füllen, gerecht werden – am besten sollte das Foto anderen dieses Wissen und diese Reflexionen zumindest ein Stück weit vermitteln. Wenigstens aber sollte ein Foto, das wir bei Instagram posten, keine Haltungen transportieren, die wir nicht vertreten (wollen). Das Sujet eines Fotos auf Instagram, so könnte man vielleicht sagen, sollte auf die Alltagserfahrung der Nutzer*innen bezogen sein, die Art und Weise der Darstellung unseren religionswissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden – und gerade dadurch wiederum die Alltagserfahrung irritieren und das Potential entfalten können, zum Nachdenken anzuregen.

    So groß diese Herausforderung ist, wir sollten nicht vor ihr zurückschrecken und stets nur im Hintergrund, von der Meta-Ebene aus das Geschehen beobachten und (religions-)wissenschaftsintern analysieren.

    Lassen wir einmal die grundsätzliche Frage beiseite, ob man Plattformen wie Instagram, die werbefinanziert sind und datenschutzrechtlich durchaus als problematisch bewertet werden können, überhaupt nutzen sollte, können wir Instagram und Co. als Chance begreifen. Sie bieten zum Beispiel die Chance, mit vielen Menschen in Kontakt zu treten und Interaktionen zu initiieren, in denen Menschen dazu angeregt werden, gesellschaftliche Strukturen und eigenen stereotype Vorstellungen zu hinterfragen. Sie bieten die Chance religionswissenschaftliche Perspektiven Menschen zugänglich zu machen, die aus verschiedensten Gründen nicht in die Religionskundliche Sammlung gehen, Dozierende in universitären Seminarräumen hören und/oder fachwissenschaftliche Journals lesen. Online Plattformen überwinden ganz sicher nicht alle Barrieren, aber doch einige.

    Hashtags wie strangethingschallenge können Irritationen erzeugen, die Ausgangspunkt für neue Einsichten sein können. Zwar birgt die kaum zu beeinflussende Verwendung durchaus das Risiko, dass Fotos in einem anderen Sinne als gewünscht verwendet werden können, aber es wird auch die die Möglichkeit eröffnet, dass dort Neues entsteht, wo man es vielleicht nicht erwartet hätte, von jemanden, der*die sonst gar keinen Zugang gehabt hätte. Um diese Möglichkeit zu eröffnen, müssen wir vielleicht jenes Risiko eingehen.

    Gegenwärtig richten sich museale Präsentationen häufig an bildungsbürgerliche Eliten, auch wenn es inzwischen vermehrt Ausstellungen (wie die „London Bridge Experience & Tombs“ oder das „Museo dei Serial Killers di Firenze“) gibt, die Gruseleffekte nutzen, um jüngere oder sonst nicht im Museum anzutreffende Besucher*innen anzuziehen. Bei der strangethingschallenge wird in der Tat ebenfalls ein emotionaler Faktor genutzt, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Es geht dabei allerdings gerade nicht um eine geschlossene Ausstellung oder das Eintauchen in eine befremdliche Welt, sondern darum, mit dem ungeordneten Nebeneinander verschiedener Dinge idealerweise das Bewusstsein für (religiös-)kulturelle Diversität der Wahrnehmung zu schärfen.

    Gerade weil wir als Religionswissenschaftler*innen darin geübt sind, uns in unterschiedliche Perspektiven hineinzuversetzen und diese angemessen darzustellen, können wir zwischen verschiedenen Perspektiven moderieren und neue Zugänge zur Wahrnehmung von Dingen, von religiös-kulturellen Mustern öffnen.

    Wir haben die inhaltliche Expertise, aber vielleicht noch nicht viel Knowhow und Erfahrung darin, unsere Expertise in modernen Medien wie Instagram und nicht-akademischen Zusammenhängen wirksam werden zu lassen. Wir sollten aber den Mut haben, uns dieser Kommunikationswege und nicht-akademischer Sprache zu bedienen.

    Die Auswahl dieses Fotos kann Teile des oben Beschriebenen verdeutlichen: Worum handelt es sich bei diesem Ding? Mit den üblichen Alltagsgewohnheiten lässt es sich vermutlich überhaupt nicht einordnen. Wir verharren in Ratlosigkeit, es erscheint uns darum auch nicht als kurios. Die Information, dass dieses Ding zum Bestand einer Sammlung von Objekten religiöser Kulturen ist, lässt fragen, welche Bedeutung dieses Objekt in einem religiösen Kontext wohl gehabt haben möge. Kurios wird die Angelegenheit, wenn wir eine weitere Information hinzufügen, nämlich die, dass es sich bei dem gezeigten Ding um ein historisches Bügeleisen aus China handelt. Kurios, weil ein Bügeleisen nicht zu den Erwartungen darüber, was religiöse Dinge sind, passt – und auch nicht dazu, was wir mit der Tätigkeit des Bügelns verbinden. So kann dieses Bild (freilich nur zusammen mit den entsprechenden Kontextinformationen) anregen zu schmunzeln und auch zu fragen, was denn überhaupt mit „Religion“ gemeint ist, wenn ein Bügeleisen in die Bestände der Religionskundlichen Sammlung gelangt. Wer hat es gegeben oder angeschafft? Warum wurde es in den Zusammenhang Religion eingeordnet?

    Auch dieses Bild kann zum Schmunzeln und zum Fragen anregen. Dieses Objekt trägt mit den Umrissen der betenden Maria die Verbindung zu Religiösem bereits (für viele Menschen wahrscheinlich erkennbar) selbst in sich. Des Weiteren ist mit der Form einer Scheibe Toast ein weiterer Kontext des Objekts angezeigt, nämlich der des (schnellen, profanen) Frühstücks. Die Erwartungen, die wir mit dem einen und dem anderen haben, passen nicht recht zusammen, lassen uns deswegen Staunen, Schmunzeln und fragen: Hat das (noch) etwas mit Religion zu tun? Was ist denn überhaupt ein religiöses Ding? Was gehört ins Museum? Und kann man das vielleicht auch anders sehen als ich selbst? Damit wäre eine Spur für wissenschaftlich kreativen Wissensdurst gelegt.

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