17.09.2020 Der Beitrag Kleiner Fächer in großen Krisen

Zwei Projekte aus Marburg werden von Hochschulrektorenkonferenz gefördert

Im Frühjahr hatte die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vor allem Promovierende und frühe Postdocs aus den Kleinen Fächern zur Entwicklung neuer Kommunikations- und Vernetzungsstrategien aufgerufen. 19 Projekte haben in dem bundesweiten Wettbewerb „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“ jetzt die Möglichkeit erhalten, ihre Ideen umsetzen. Zwei Projekte kommen aus der Philipps-Universität Marburg: der Gesprächsgarten und ein interdisziplinärer Krisengipfel. Beide beschäftigen sich mit der Corona-Pandemie und dem Beitrag, den Kleine Fächer zu dem komplexen und kontroversen Diskurs zu diesem Thema leisten können.

Gesprächsgarten

Mitten in der Stadt will das Projekt Gesprächsgarten Menschen miteinander virtuell ins Gespräch bringen. Eva Maria Gauß aus der Marburger Sprechwissenschaft hat das Projekt initiiert und erklärt: „In Marburg liegt der Schwerpunkt der Sprechwissenschaft auf Rhetorik, Argumentation und Gesprächsdidaktik. Mit dem Gesprächsgarten möchten wir diese wissenschaftliche Perspektive für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Wir unterscheiden Klärungs- von Streitgesprächen und fragen, wie Gespräche gelingen. Wir hoffen natürlich auch Menschen zu erreichen, die zufällig mit unserem Projekt in Kontakt kommen.“ Rund um die Universitätsbibliothek und im Alten Botanischen Garten der Philipps-Universität Marburg soll eine Audio-Installation voraussichtlich ab Februar 2021 zum Zuhören einladen. Dort können Interessierte verschiedene Marburger Stimmen zur Corona-Krise erkunden. Der komplexe und unübersichtliche Diskurs soll dadurch begreifbarer werden, dass man ihn ‚durchschreiten‘ kann – verschiedene „Parcours“ werden einzelne Komponenten eines Diskurses ordnen und z.B. Erzählungen von Argumenten trennen. Basis dafür sind Interviews mit Marburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Vertreterinnen und Vertretern der Stadtgesellschaft. Mit Online-Karten, Wandertafeln und QR-Codes ausgerüstet kann man sich entschleunigt im Diskurs orientieren. „In Marburg gibt es bereits tolle Initiativen, die Gespräche in diesen herausfordernden Zeiten fördern wollen. Wir reihen uns da gerne ein“, betont Gauß.

Interdisziplinärer Krisengipfel

Kleine und große Fächer im Diskurs um gesellschaftliche Krisen miteinander zu vernetzen ist das Ziel eines interdisziplinären Krisengipfels, den die Indogermanistinnen Theresa Roth aus Marburg und Kristina Becker aus Würzburg realisieren wollen. Momentan seien in der Corona-Krise vor allem Expertisen aus der Virologie und Epidemiologie gefragt, führt die Projektskizze aus. Doch auch Kleine Fächer könnten wichtige Erkenntnisse dazu beitragen, wie das Leben nach einer Krise weitergeht: „Seit den frühesten Schriftkulturen sind kollektive Krisenerlebnisse dokumentiert worden – ebenso wie ihr Niederschlag in sozialen Umwälzungen, kultureller Auseinandersetzung oder wirtschaftlichen Entwicklungen“, erklärt Theresa Roth von der Universität Marburg.  Diese historische Perspektive geisteswissenschaftlicher Kleiner Fächer mit derjenigen größerer Disziplinen wie der Psychologie oder Soziologie zu vernetzen, um aktuellen Problemen zu begegnen, gehört zu den Zielsetzungen des Projekts. Die Ergebnisse des Krisengipfels sollen der Öffentlichkeit in Form von Podcasts zur Verfügung gestellt werden.

Hintergrund „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“

Mit der gemeinsamen Initiative würdigen die HRK und das Bundesministerium für Bildung und Forschung die sogenannten Kleinen Fächer, die mit ihren vielfältigen Perspektiven einen entscheidenden Beitrag zum Reichtum der deutschen Hochschullandschaft und zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen leisten. In Ergänzung der Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen tragen die ausgewählten Projekte dazu bei, die Kleinen Fächer untereinander stärker zu vernetzen und öffentlich sichtbarer zu machen. Gleichzeitig erhält der wissenschaftliche Nachwuchs bereits in einem frühen Karrierestadium die Möglichkeit, sich zu profilieren. Der Gesprächsgarten wird mit etwa 10.000 Euro gefördert, der interdisziplinäre Krisengipfel mit rund 8.000 Euro.

Weitere Informationen:

www.kleine-faecher-sichtbar-innovativ.de

Ansprechpersonen:

Eva Maria Gauß
Arbeitsgruppe Sprechwissenschaft
Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften
Philipps-Universität Marburg
Tel.: 06421 28-23030
E-Mail:

Theresa Roth
Fachgebiet Vergleichende Sprachwissenschaft
Fachbereich Fremdsprachliche Philologien
Philipps-Universität Marburg
Tel.: 06421 28-24798
E-Mail: