29.06.2020 Mediziner machen Entzündungszellen dingfest

Neuentwicklung ermöglicht detaillierte Untersuchung von schwer zugänglichen Immunzellen - Pressemitteilung des Forschungscampus Mittelhessen

Der Marburger Mediziner Professor Dr. Ivica Grgic entwickelte eine Methode für die Nierenforschung.
Der Marburger Mediziner Professor Dr. Ivica Grgic entwickelte eine Methode für die Nierenforschung.

MacTRAP, eine „Mausefalle“ für Entzündungszellen: Ein Forschungsteam um den Marburger Mediziner Prof. Dr. Ivica Grgic hat eine neue genetisch veränderte Mauslinie entwickelt, die es ermöglicht, spezialisierte Immunzellen inmitten zahlreicher anderer Zellverbände der Niere nicht nur zu visualisieren, sondern darüber hinaus auch den Zustand und Dynamik ihrer Genaktivitäten nahezu in Echtzeit zu erfassen. Mit dem neuen Verfahren erstellte das Team ein hochauflösendes Profil dieser Zellen, an denen derartige Untersuchungen bisher kaum möglich waren. Die Forschungsgruppe berichtete über ihre Ergebnisse in „Scientific Reports“, einer Wissenschaftszeitschrift der Nature-Gruppe.

Makrophagen sind wichtige Zellen des Immunsystems, die an einer Vielzahl von Entzündungsprozessen in zahlreichen Geweben beteiligt sind. „Gerade deshalb finden Gewebs-Makrophagen in der Medizin besondere Beachtung“, sagt der Leiter der Studie Ivica Grgic. Diese auch als „Fresszellen“ bekannten Abwehrzellen kommen auch in gesunden Organen vor, einschließlich der Niere, wo sie unter mehr als zwei Dutzend anderen Zell arten als quasi Wächter gut verborgen sitzen und kaum zugänglich sind; „das macht es so schwierig, reine und unverzerrte Informationen über sie zu sammeln“, so Grgic.

Dabei wäre es wichtig, mehr über die biologischen Eigenschaften, Funktionen und Verhalten dieser Zellen in Erfahrung bringen zu können. Hierbei zählen Veränderungen in den Genexpressionsmustern zu den am frühesten messbaren Anzeichen für Krankheitsprozesse, die oftmals weit vor einem pathologischen – und nicht selten unumkehrbaren –  Umbau der Gewebestruktur auftreten können. „Eine zellspezifische Erfassung von Genexpressionsänderungen böte somit die Möglichkeit, frühzeitig und zielgerichtet in schädigende Vorgänge eingreifen zu können“, erläutert Erstautor Dr. Andreas Hofmeister, der an der Studie im Rahmen seiner Doktorarbeit bei Prof. Grgic maßgeblich beteiligt war.

Die Forschungsgruppe konzipierte zunächst ein künstliches Genkonstrukt, das nur in Makrophagen aktiviert wird und dann anhand eines synthetisierten Farbstoffs (eGFP) identifizierbar ist. Ein weiterer Bestandteil des Konstrukts ist das ribosomale Protein L10a, das daran beteiligt ist, wenn Gentranskripte, sogenannte mRNAs, in Proteine umgesetzt werden. Diese hochinformativen Komplexe aus Ribosomen und mRNAs werden auch als Polysomen bezeichnet. Da ausschließlich Makrophagenzellen das „eGFP-L10a“ Fusionsprotein herstellen, ist es nun möglich, mittels magnetischer Mikro-Kügelchen mit spezieller Antikörper-Ummantelung das beflaggte künstliche Protein im aufgelösten Organ zu „greifen“ und mitsamt den anhängigen, makrophagen-spezifischen Polysomen herauszuziehen; Kontamination und Verzerrung durch Genprodukte anderer Zelltypen desselben Organs werden verhindert.

Die Forschungsgruppe nennt ihr System „MacTRAP“. „Es gibt für den TRAP Ansatz ein großes Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten nicht nur in der Niere, sondern auch in anderen Geweben und Organen wie z.B. Lunge, Leber, Haut und Gefäßsystem“, erklärt Grgic, „da das System organübergreifend funktioniert, somit universell einsetzbar sein sollte“. Die neuartige MacTRAP Mauslinie ist bis dato „ausschließlich an der Philipps-Universität verfügbar und bislang auch nicht kommerzialisiert“, hebt der Marburger Hochschullehrer hervor.

Professor Dr. Ivica Grgic arbeitet an der Marburger Klinik für Innere Medizin und Nephrologie. Neben seiner Arbeitsgruppe und weiteren Wissenschaftlern der Philipps-Universität beteiligten sich Forscher der Universitäten Gießen, Würzburg und Heidelberg sowie aus den USA an der Studie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Von Behring-Röntgen-Stiftung sowie weitere Geldgeber unterstützten die Forschungsarbeit finanziell.

Die Infektions- und Entzündungsforschung gehört zu den Profilbereichen des Forschungscampus Mittelhessen (FCMH). Der FCMH ist eine hochschulübergreifende Einrichtung der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Philipps-Universität Marburg und der Technischen Hochschule Mittelhessen, deren Aufgabe in der Stärkung der regionalen Verbundbildung in der Forschung, Nachwuchsförderung und Forschungsinfrastruktur liegt. Link zum Profilbereich „Infektions- und Entzündungsforschung“: https://www.fcmh.de/infekt    

Originalveröffentlichung: Andreas Hofmeister & al.: Development of a new macrophage-specific TRAP mouse (MacTRAP) and definition of the renal macrophage translational signature, Scientific Reports  2020, DOI: https://doi.org/10.1038/s41598-020-63514-6.

https://www.nature.com/articles/s41598-020-63514-6

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