27.01.2022 1,3 Millionen Euro für Medizinforschung

Von Behring-Röntgen-Stiftung unterstützt acht wissenschaftliche Projekte in Gießen und Marburg

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Foto: Christian Stein
Allen Grund zur Freude hatten die Projektbeteiligten bei der Übergabe der Förderurkunden für ihre Forschungsprojekte. (v.l.n.r.:) Dr. Christine Zimmer, Dr. Fanni Fruszina Geibl, Dr. Katrin Bedenbender, Dr. Christiane Pleuger, Dr. Leona Möller, Dr. Ole Simon, Dr. Patrick Schramm, Vizepräsidentin Prof. Dr. Gabriele Krombach, Dr. Andreas Schmid, Präsident Dr. Lars Witteck, Kirsty Sophia Vowinkel, Vizepräsident Prof. Dr. Roland Lill, Marburger Medizindekanin Prof. Dr. Denise Hilfiker-Kleiner, Prof. Dr. Andreas Meinhardt, Dr. Johannes Mayer und Prof. Dr. Marek Bartkuhn. (Die Veranstaltung fand unter Berücksichtigung der 2G+-Regelung statt.)

Bewegungsstörungen, Blutvergiftung und Herz-Kreislauferkrankungen – das sind die Themen der aktuellen Forschungsprojekte der Von Behring-Röntgen-Stiftung. Bereits zum 15. Mal hat sie Fördermittel für medizinische Forschungsvorhaben an der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität Marburg bewilligt. Über insgesamt 1,3 Millionen Euro für acht Projekte mit Laufzeiten von bis zu drei Jahren können sich die Begünstigten freuen.

Stellvertretend für ihre Arbeitsgruppen nahmen die Projektleiter am 26. Januar die Förderurkunden aus den Händen von Stiftungspräsident Dr. Lars Witteck entgegen:

„Gesund bleiben, möglichst bis ins hohe Alter, dieser Wunsch steht bei Umfragen zur Lebensqualität ganz oben und ist oft abhängig von modernen Diagnosemethoden und neuen Therapiemöglichkeiten. Mit unserer Förderung wollen wir die Grundlage für den für alle wichtigen medizinischen Fortschritt legen“, verdeutlichte Dr. Witteck die Ziele der Von Behring-Röntgen-Stiftung.

Die Gelder stehen ab 2022 für sechs Forschungsprojekte von Nachwuchswissenschaftlern sowie zwei Kooperationsprojekte mit Beteiligung von Forschern beider Standorte bereit.  

Die Projekte im Einzelnen:

Die Parkinson-Krankheit ist die häufigste Bewegungsstörung und betrifft weltweit mehrere Millionen von Menschen. Trotz intensiver Forschung existiert derzeit keine Therapie, die das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen oder ihre Manifestation verhindern könnte. Ziel des Projektes von Dr. Fanni Fruszina Geibl ist es, mithilfe hochmoderner neuroanatomischer Methoden die Ausbreitung und das Fortschreiten der Erkrankung auf zellulärer Ebene zu untersuchen und besser zu verstehen. Mit 177.000 Euro wird das Projekt der Marburger Nachwuchswissenschaftlerin unterstützt.

Die Sepsis (Blutvergiftung) ist die häufigste Todesursache durch Infektionserkrankungen und wird vor allem von bakteriellen Krankheitserregern der Lunge, der Harnwege, der Haut und des Darms verursacht. Dr. Katrin Bedenbender will in ihrem Projekt den Einfluss bakterieller Vesikel von Erregern, die zu Blutvergiftungen führen, auf die Innenwand der Blutgefäße, das Endothel, untersuchen. Hierbei soll neben der Endothelfunktion insbesondere der gefäßschützenden Faktor RNase1 eine zentrale Rolle spielen. Das Ziel der Marburger Nachwuchswissenschaftlerin ist die lebensrettende Entwicklung neuer Präventions- bzw. Therapieansätze zur Behandlung krankhafter Gefäßveränderungen in der Sepsis. Ihr Projekt wird mit 150.000 Euro gefördert.

Herz-Kreislauferkrankungen stehen an der Spitze der Todesursachen. Dabei stellt Vorhofflimmern die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung dar, von der etwa 1,6 Millionen Menschen betroffen sind. Vorhof- und Kammerflimmern sind meist mit schwerwiegenden Folgen verbunden und können zu einem Schlaganfall oder plötzlichem Herztod führen. In vielen dieser ungeklärten Fälle liegt eine Genmutation in einem Ionenkanal vor. Die Marburger Nachwuchswissenschaftlerin Kirsty Sophia Vowinkel will die Rolle von Mutationen im KCNJ5 Gen bei verschiedenen genetisch bedingten Herzrhythmusstörungen aufklären und damit die Grundlage für neue Behandlungsmöglichkeiten schaffen. Das Projekt wird mit 200.000 Euro gefördert.

Intensivpatienten mit einem schweren Schlaganfall oder Hirnblutung benötigen häufig eine als künstliches Koma bezeichnete therapeutische Sedierung. Dafür werden Narkosemittel eingesetzt, die entweder inhaliert oder dem Patienten über die Vene gegeben werden. Unklar ist bisher, welches der beiden Verfahren vorteilhafter ist. Die intravenöse Gabe der Narkosemittel überzeugt durch ihre einfache Handhabung. Nachteilig ist jedoch, dass sich die Substanzen im Körper anhäufen und somit das Aufwachen verlängert wird, sowie die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten. Im Gegensatz dazu haben inhalative Narkosemittel weniger Wechselwirkungen und häufen sich im Körper nicht an. Der Gießener Dr. Patrick Schramm und sein Marburger Kooperationspartner Dr. Ole Simon und Dr. Leona Möller erhalten für einen ersten wissenschaftlichen Vergleich der beiden Verfahren 79.000 Euro.

Dendritische Zellen spielen eine entscheidende Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern. Der Marburger Forscher Dr. Johannes Mayer und sein Gießener Kooperationspartner Prof. Dr. Marek Bartkuhn gehen davon aus, dass sich Dendritische Zellen an ihre Gewebeumgebung anpassen und spezifizieren. Sie wollen jetzt untersuchen, ob diese Spezifizierung bei der Immunantwort gegen Impfstoffe eine Rolle spielt und diese positiv oder negativ beeinflusst. Durch komplexe Einzel-Zell-Analysen wollen die beiden Wissenschaftler die gewebespezifischen Entwicklungsstufen von Dendritischen Zellen in der Haut und Lunge analysieren und ihre Funktion genau definieren, um eine verbesserte Impfantwort zu erzielen. 270.000 Euro wendet die Stiftung für das Projekt auf.

Im Nebenhoden durchlaufen Spermien zahlreiche biochemische Reifungsprozesse, um ihre Zeugungsfähigkeit zu erhalten. Die Spermien müssen daher sowohl vor Reaktionen des körpereigenen Immunsystems als auch vor aufsteigenden bakteriellen Infektionen geschützt werden. Da der Nebenhoden von gewebsständigen Immunzellen, insbesondere Makrophagen, dicht besiedelt ist, möchte Dr. Christiane Pleuger in ihrem Projekt die Rolle der Makrophagen im immunologischen Gleichgewicht des Nebenhodens durch zielgerichtete Eliminierung dieser Zellen untersuchen. Das Forschungsprojekt der Gießener Nachwuchswissenschaftlerin wird mit 195.000 Euro unterstützt.

In der Leber werden verschiedene Formen von Gallensäuren gebildet, die eine entscheidende Rolle bei der Verdauung im Darm spielen und auch im Blutkreislauf vorkommen. Diese zirkulierenden Gallensäuren wirken als Hormone und beeinflussen wichtige Stoffwechselvorgänge im Körper, u. a. im Fettgewebe. Dr. Andreas Schmid und Dr. Hannah Belikan möchten die Wirkungsweise von bestimmten Gallensäuren bei Menschen mit starkem Übergewicht (Adipositas) erforschen, um neuartige Ansätze zur Förderung von Stoffwechselgesundheit und Gewichtsreduktion zu entwickeln und die Anwendung bestehender Therapieformen zu verbessern. Die Stiftung wendet 128.000 Euro für das Projekt der beiden Gießener Nachwuchswissenschaftler auf.

Pemphigus vulgaris ist eine seltene, schwere Autoimmunerkrankung, bei der Autoantikörper zelluläre Verbindungen in der Haut lösen, was zur Bildung von Blasen und Erosionen auf der Haut und den Schleimhäuten führt. Bisher wird die Erkrankung mit unspezifischen Therapien wie beispielsweise hoch dosierten Kortisonpräparaten behandelt. Bei einer Vielzahl von Patienten sind diese Standardtherapien jedoch nicht ausreichend, was den Bedarf an zielgerichteten Therapien erklärt. Die Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Christine Zimmer will in ihrem Forschungsprojekt zur Aufklärung der immunologischen Mechanismen beitragen, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Erkrankung beitragen. Ziel des mit 120.000 Euro geförderten Projektes ist es, neue Therapiestrategien zu entwickeln. (Pressetext: von Behring-Röntgen-Stiftung)

Hintergrund:

Die im Marburger Landgrafenschloss ansässige Von Behring-Röntgen-Stiftung wurde am 8. September 2006 vom Land Hessen als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts errichtet. Gegründet wurde sie im Zuge der Fusion der Universitätskliniken Gießen und Marburg im Jahr 2005 und der anschließenden Privatisierung 2006 mit dem Ziel, an beiden Standorten neue Perspektiven für die Hochschulmedizin zu sichern und zu entwickeln. Dem Stiftungsvorstand gehören als Präsident der ehemalige Regierungspräsident Dr. Lars Witteck und als Vizepräsidenten die Gießener Radiologin Prof. Dr. Gabriele Krombach und der Marburger Biochemiker und Zellforscher Prof. Dr. Roland Lill an. Ein mit 15 namhaften Wissenschaftlern aus Deutschland und Österreich besetzter wissenschaftlicher Beirat hat die Aufgabe, die der bei der Medizinstiftung eingereichten Förderanträge zu bewerten sowie Projekte und Themenschwerpunkte zu empfehlen. Antragsberechtigt sind Angehörige der medizinischen Fachbereiche der Universitäten Marburg und Gießen. Die Von Behring-Röntgen-Stiftung schreibt jedes Jahr zum 30. Juni eine Förderrunde aus. Bisher konnte sie rund 22,5 Millionen Euro für über 130 Projekte bewilligen.

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