14.12.2022 Ein neuer alter Krieg?

Hessischer Forschungsverbund TraCe bot in Berlin Austausch zu russisch-ukrainischem Krieg

Zwei Personen auf einem Podium im Gespräch
Foto: TraCe
Prof. Dr. Thorsten Bonacker vom Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg im Gespräch mit Prof. Herfried Münkler von der Humboldt-Universität zu Berlin bei der Kick-Off-Veranstaltung für TraCe in Berlin.

Am 13. Dezember 2022 fand die Auftaktveranstaltung „Ein neuer alter Krieg? Der russische Überfall auf die Ukraine und die Transformation politischer Gewalt“ des neuen hessischen Forschungszentrums „Transformations of Political Violence“ (TraCe) statt. In den Räumen der Hessischen Landesvertretung stellte sich TraCe damit als neuer friedenswissenschaftlicher Akteur im politischen Berlin vor. Von 9 bis 14 Uhr lud TraCe zum Austausch zwischen Wissenschaft und Politik ein. Es nehmen Vertreter:innen der Bundesregierung, des Bundestags, der hessischen Landesvertretung sowie der Zivilgesellschaft teil.

Angela Dorn, Hessische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, würdigte in ihrem digitalen Grußwort TraCe als „starkes Aushängeschild für die hessische Konfliktforschung“. Sie lobte den multiperspektivischen Ansatz der fünf Forschungsinstitutionen. „Denn es geht längst nicht mehr nur um Waffen“, so die Staatsministerin. „Konflikte werden auch ausgetragen über Narrative, Selbstdarstellung und mediale Zuschreibung.“ Sie sei froh, dass die Friedens- und Konfliktforschung stetig weiterentwickelt wird. Diese sei ein „Kompass in unruhigen Zeiten“. Dr. Jens Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, begrüßte die Teilnehmenden vor Ort.

Das erste Panel (9:30 bis 11:30 Uhr) diskutierte die Frage, ob der russisch-ukrainische Krieg für eine neue Phase gewaltsamer Konflikte steht. Es hieß lange, zwischenstaatliche Kriege seien ein Auslaufmodell und würden von asymmetrischen Kriegen verdrängt. Das Panel wurde von Prof. Dr. Christopher Daase (Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung HSFK/PRIF, TraCe) moderiert. Prof. Dr. Herfried Münkler (Prof. em., Humboldt-Universität zu Berlin) hob in seinem Statement hervor: „Ein oder zwei zwischenstaatliche Kriege falsifizieren Trends, die auf einer sehr viel größeren Anzahl innergesellschaftlicher Kriege beruhen, natürlich nicht. Aber es ist richtig, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zurzeit unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht und erhebliche politische Neuorientierungen erzwingt.“

TraCe-Mitglied Prof. Dr. Monika Wingender (Justus-Liebig-Universität Gießen) erweiterte das Panel um eine sprachpolitische Dimension: „Die Sprachenfrage in der Ukraine wird seit dem Zerfall der Sowjetunion in Wahlkampagnen politisiert. Russlands Propaganda missbraucht diese Politisierung, um einen ukrainisch-russischen Sprachkonflikt in der Ukraine als Rechtfertigung für den Krieg zu konstruieren.“ Prof. Dr. Thorsten Bonacker (Philipps-Universität Marburg, TraCe) und Prof. Dr. Thilo Marauhn (Justus-Liebig-Universität Gießen, TraCe) brachten friedenstheoretische und völkerrechtliche Perspektiven ein.

Auf dem zweiten Panel (12 bis 14 Uhr) wurde die neue deutsche Nationale Sicherheitsstrategie diskutiert. Prof. Dr. Markus Lederer (Technische Universität Darmstadt, TraCe) moderierte das Podium mit Wolfgang Hellmich (MdB), Andreas von Brandt (Referatsleiter für Grundsatzfragen der Abteilung S, Auswärtiges Amt), Dr. Karl-Heinz Kamp (Beauftragter für sicherheits- und verteidigungspolitische Schwerpunktthemen, Bundesministerium der Verteidigung), Prof. Dr. Hanna Pfeifer (Goethe-Universität Frankfurt, TraCe) und Dr. Jonas J. Driedger (HSFK/PRIF, TraCe).

Wolfgang Hellmich, MdB sprach als langjähriges Mitglied des Verteidigungsausschusses darüber, inwiefern sich der Diskurs über die Nationale Sicherheitsstrategie durch den russisch-ukrainischen Krieg gewandelt hat. Dr. Jonas J. Driedger diagnostizierte eine steigende Risikobereitschaft des russischen Regimes, die bereits seit den späten 2000ern festzustellen war.

Die Veranstaltung ist zugleich Eröffnung der Reihe „Hessische Friedensgespräche“, die ab 2022 jährlich in Berlin stattfinden soll.

Über TraCe:

TraCe ist ein Zusammenschluss des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK/PRIF) und der Universitäten Frankfurt, Darmstadt, Marburg und Gießen. Es bündelt die hessische Friedens- und Konfliktforschung und wird vom BMBF gefördert. Über dreißig Wissenschaftler:innen erforschen in dem Netzwerk von April 2022 bis März 2026 mithilfe verschiedener disziplinärer und methodologischer Ansätze die Effekte globaler Entwicklungen auf politische Gewalt. Die Ergebnisse werden in den gesellschaftlichen und politischen Diskurs eingebracht. 

Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie auf der Website von TraCe.

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