17.08.2018 Doppelter Durchbruch für Studien zum Ionen-Transport

Aktuelle Publikationen Marburger Physikochemiker

Physikochemiker der Philipps-Universität haben in Studien zum Transport von Ionen in Materialien, die für die Energiespeicherung relevant sind, einen doppelten Durchbruch erzielt. Die besagten Arbeiten bilden die Basis für einen Antrag auf eine Forschungsgruppe bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

In einer aktuellen Publikation, die in Advanced Energy Materials erschienen ist und mit einem Coverbild gewürdigt wurde, hat die Arbeitsgruppe von Professor Dr. Karl-Michael Weitzel einen völlig neuen Ansatz für die Beschreibung der Spannung einer Lithium-Ionenbatterie beschrieben.

Zur Erinnerung, in allen gängigen elektrischen Geräten, zum Beispiel im Haushalt, sind Elektronen die beweglichen Ladungsträger. Im Inneren des Li-Akkus sind Lithium-Ionen die beweglichen Ladungsträger, daher auch der Name für diese Batterien. Tatsächlich ist unter Forschern jedoch die Ansicht weitverbreitet, dass die Zellspannung einer Lithium-Ionenbatterie im wesentlichen durch die elektronischen Eigenschaften der Elektrodenmaterialien bestimmt ist. Mögliche Beiträge der Lithium-Ionen werden in der Regel vernachlässigt. Dies ist natürlich eine unbefriedigende Situation, die damit zusammenhängt, dass Informationen über das Energiegefälle, welches die Li+-Ionen beim Laden oder Entladen der Batterie überwinden müssen, kaum verfügbar waren.

An dieser Stelle hat die Gruppe von Professor Weitzel einen neuen Ansatz gewählt, der als Kern die Messung derjenigen Energie enthält, die man benötigt, um Li+-Ionen aus einer LiCoO2 (LCO) Elektrode (ein typisches Kathodenmaterial) herauszuziehen. Das entspricht in der Physikalischen Chemie der Austrittsarbeit. Diese wurde in der Arbeitsgruppe Weitzel nun erstmals direkt gemessen. Das Messverfahren basiert auf der sogenannten thermionischen Emission. Dieses Verfahren ist seit mehr als 100 Jahren bekannt, aber in Vergessenheit geraten und nie auf Batteriematerialien angewendet worden. Wenn man diese ionische Austrittsarbeit nun mit der zusätzlich gemessenen elektronischen Austrittsarbeit sowie einigen weiteren sehr gut bekannten Energiegrößen kombiniert, erhält man die sogenannte Leerlaufspannung einer LIB eben unter Berücksichtigung ionischer Energiebeiträge. Der erhaltene Wert erklärt die Leerlaufspannung besser als ohne Berücksichtigung der ionischen Beiträge. Noch wichtiger als diese einfachen Zahlenwerte ist jedoch, dass dieser Ansatz die Möglichkeit eröffnet, auch die Betriebsabhängigkeit von Zellspannungen nun ebenfalls unter Berücksichtigung der Variation der ionischen Austrittsarbeit als Funktion des Ladungszustandes der Batterie zu studieren. Dies ist das unmittelbare Ziel der nächsten Arbeiten. Diese Studien führen zu einem besseren Verständnis von Batterieprozessen und können letztlich auch die Herstellung besserer Batterien ermöglichen.

Die oben beschriebenen Erkenntnisse werden durch eine nahezu zeitgleich bei Materials Today Physics erschienenen Publikation komplementiert. So wie es bisher völlig unbekannt ist, wie die ionische Austrittsarbeit von Li+ aus einem Kathodenmaterial von dem Ladungszustand (also dem Lithiumgehalt) abhängt, so war es bis vor kurzem praktisch unmöglich zu erkennen, wie stark die ionische Leitfähigkeit eines Materials vom aktuellen Gehalt an zum Beispiel Lithium-Ionen abhängt. Hier hat die AG Weitzel nun ein Verfahren entwickelt, mit dem die energetische Breite der Platzenergieverteilung von Ionen in einem ionenleitenden Material quantitativ bestimmt werden kann. Dies ist wichtig zu verstehen, weil das oben erwähnte Kathodenmaterial LCO chemisch etwas genauer als LixCoO2 zu beschreiben ist, wobei beim Cyclisieren der Batterie der Anteil x zwischen 1 und 0.5 hin- und hergefahren wird. Wie die aktuelle Publikation der AG Weitzel nun zeigt, ändert sich der Energieaufwand für die Verschiebung von Ionen mit diesem Anteil x nicht nur um einen Betrag, der typischer in der Größenordnung von 0.3 V liegt (das wäre technisch nicht schlimm). Vielmehr wird der Prozess der Lithium-Ionenverschiebung mit sinkendem x deutlich langsamer, typischerweise 4 Größenordnungen langsamer. Wir meinen, dass es wichtig ist, dies genauer weiter zu untersuchen. (Text: Karl-Michael Weitzel)