01.12.2020 4,35 Millionen Euro für Pandemienetzwerk hessische Universitätsmedizin

Wissenschaftsministerium fördert Corona-Forschung an Universitäten Frankfurt, Marburg und Gießen

Foto im Labor
Foto: Hessen schafft Wissen / Steffen Böttcher
Für die Erforschung des SARS-CoV-2-Virus und der Erkrankung Covid-19 haben die Goethe-Universität Frankfurt, die Justus-Liebig-Universität Gießen und die Philipps-Universität Marburg das „Pandemienetzwerk hessische Universitätsmedizin“ gegründet.

Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst:

Für die Erforschung des SARS-CoV-2-Virus und der Erkrankung Covid-19 stellt das Land Hessen den drei medizinführenden hessischen Universitäten in Frankfurt, Gießen und Marburg 4,35 Millionen Euro zur Verfügung. Die Goethe-Universität Frankfurt, die Justus-Liebig-Universität Gießen und die Philipps-Universität Marburg haben zu diesem Zweck das „Pandemienetzwerk hessische Universitätsmedizin“ gegründet. Professor Dr. Stephan Becker (Marburg) ist Sprecher der Steuerungsgruppe des Netzwerks, der außerdem Prof. Dr. Sandra Ciesek (Frankfurt) und Prof. Dr. John Ziebuhr (Gießen) angehören. Dr. Jürgen Graf, Leiter des Covid-19-Planungsstabes Stationäre Versorgung der Landesregierung und Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Frankfurt, ist beratend dabei.

„Die Förderung soll auch die wichtige Rolle der Forscherinnen und Forscher in der Corona-Pandemie unterstreichen: Sie kämpfen Tag für Tag gegen das Virus und für die bestmögliche Versorgung Erkrankter. Sie sollen die Politik beraten, immer sofort Antworten auf alle Fragen parat haben – und stehen doch oft in der Kritik. Es sind ihre Forschungsergebnisse, die über Leben und Tod entscheiden, von ihnen hängt die Sicherheit der noch nicht Erkrankten ab. Bei dieser wichtigen Arbeit wollen wir sie unterstützen“, betont Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Wir haben in Hessen eine besondere Kompetenz in der Erforschung des SARS-CoV-2-Virus und der Erkrankung Covid-19. Dass die Universitäten in Marburg, Gießen und Frankfurt hier schon lange so gut zusammenarbeiten, ist in der oft von Wettbewerb und Konkurrenz geprägten Welt der Wissenschaft keine Selbstverständlichkeit. Neben Virologie und Infektiologie setzen auch Pharmakologie, Mikrobiologie und Krankenhaushygiene von Anfang an ihre Ressourcen ein, um Ärztinnen und Ärzte zu unterstützen, die Krankheit besser zu verstehen und effizienter zu bekämpfen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Universitäten mit Unterstützung meines Ministeriums das Pandemienetzwerk gegründet haben, um sich noch besser zu koordinieren.“ 

„Die Zusammenarbeit der hessischen Universitätsmedizin in infektiologischen Notfällen gibt es schon seit vielen Jahren. Sie wird durch das Pandemienetzwerk noch einmal verstärkt“, stellt der Sprecher des Pandemienetzwerks, Prof. Dr. Stephan Becker von der Philipps-Universität Marburg, fest. „Schon während der ersten SARS-Pandemie 2003 gab es eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kliniken der Goethe-Universität Frankfurt und der Universität Marburg. Diese hat sich während der Ebola-Epidemie bis zur aktuellen Pandemie fortgesetzt. Wir haben in Marburg gemeinsam mit Partnern sofort nach Bekanntwerden des SARS-CoV-2 Ausbruchs mit der Entwicklung eines Impfstoffes begonnen, der jetzt in der klinischen Erprobung ist. Dabei hat die schnelle Zusage von finanzieller Förderung durch das Land Hessen sehr geholfen. In Marburg wird auch an antiviralen Wirkstoffen geforscht. Diese richten sich gegen ein zelluläres Enzym, welches das Corona-Virus in die Lage versetzt, seine Zielzellen zu infizieren. Außerdem werden Maßnahmen erforscht, die die Ausbreitung des neuen Corona-Virus im Krankenhaus eindämmen sollen.“ 

„Die Förderung der Landesregierung im Rahmen des Pandemienetzwerks leistet einen zentralen Beitrag für verschiedene Forschungsfelder am Universitätsklinikum Frankfurt und der Goethe-Universität. Dazu zählen die Charakterisierung von potenziell antiviralen Medikamenten gegen SARS-CoV-2“, erläutert Prof. Dr. Sandra Ciesek. „Um COVID-19 gezielter bekämpfen zu können, untersuchen wir auch mögliche therapeutische Angriffspunkte in der Interaktion des Virus mit dem Wirt. Die im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 umgesetzten krankenhaushygienischen Maßnahmen werden systematisch analysiert und weiterentwickelt. Außerdem werden mobile Versorgungskonzepte und Nachsorgeprogramme im häuslichen Umfeld entwickelt und wissenschaftlich ausgewertet. Die Förderung der Landesregierung stärkt dabei nicht nur unsere Forschungsprojekte in Frankfurt, sondern auch die Kooperation mit den anderen universitätsmedizinischen Standorten."

„Die Unterstützung der Landesregierung für das Pandemienetzwerk ist ein wichtiger Pfeiler unserer Forschung zur Entwicklung neuer therapeutischer Möglichkeiten gegen SARS-CoV-2“, ergänzt Prof. Dr. John Ziebuhr. „Die Erforschung humaner Corona-Viren hat an den Universitäten Gießen und Marburg eine lange Tradition und bietet in der jetzigen Pandemie ausgezeichnete Voraussetzungen für die umfassende Aufklärung der Molekularbiologie dieses neuen Erregers und seiner Besonderheiten gegenüber den bereits früher bekannten Corona-Viren. Die geförderten Projekte an der Universität Gießen beinhalten Arbeiten zu Substanzen, die die Funktionen essentieller Proteine des SARS-CoV-2 blockieren und damit die Virusvermehrung stoppen können. Weitere Arbeiten Gießener Wissenschaftler beschäftigen sich mit den Wechselwirkungen dieses Virus mit Signalwegen der angeborenen antiviralen Immunabwehr humaner Zellen. Das Projekt wird damit einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung der molekularen Grundlagen des massiven Entzündungsgeschehens in der Lunge und anderen Organen leisten, die wir bei einigen der besonders schwer erkrankten Patienten sehen. Wir hoffen, dass die Ergebnisse dazu beitragen können, die begrenzten Therapiemöglichkeiten für diese neue Infektionserkrankung zu verbessern. Ein weiteres Gießener Projekt verfolgt die Entwicklung eines multivalenten Impfstoffs gegen SARS-CoV-2. Ich freue mich, dass die Unterstützung des Landes uns in die Lage versetzt, vorhandene Corona-Virus-Forschungskapazitäten zu bündeln, die nötige Infrastruktur dafür weiterzuentwickeln und unsere standortübergreifenden Kooperationen zu intensivieren.“

Über die Förderung für das Pandemienetzwerk hinaus hat das Land bereits im August über den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) den drei medizinführenden Universitäten und der TU Darmstadt für dringend benötigte Infrastruktur zur Erforschung des Covid-19-Virus und zur Verbesserung der Diagnostik und Behandlung insgesamt weitere drei Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die EU-Mittel werden vor allem für Forschungsgeräte und Laborequipment und für weitere Kapazitäten zur Analyse von Patientendaten eingesetzt.

„Die besondere Förderung in der Pandemie baut auf anderen Elementen, etwa der Unterstützung des Landes für die Strategiefähigkeit der Hochschulen und unser bundesweit herausragendes Forschungsförderungsprogramm LOEWE, auf“, erläutert Ministerin Dorn. „So erforschen im LOEWE-Zentrum DRUID Prof. Dr. Becker und seine Kolleginnen und Kollegen der beiden anderen Medizin-Unis, der Technischen Hochschule Mittelhessen und des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen schon lange neben anderen Erregern wie Dengue-, Hepatitis und Ebola-Viren auch Corona-Viren. Jetzt können sie auf diesen Erkenntnissen aufbauen.“ 

„Über die finanzielle Unterstützung der Corona-Forschung hinaus ist es mir wichtig, die Bedeutung von Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation in der Pandemie zu betonen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden leider auch zum Ziel von Hass und Drohungen, weil Menschen ihnen die Schuld geben an Beschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie. Dafür aber tragen wir Politikerinnen und Politiker die Verantwortung. Diese Anfeindungen müssen wir als Demokratinnen und Demokraten deshalb gemeinsam zurückweisen. Und daher ist auch Wissenschaftskommunikation so wichtig: Die Welt braucht klare Fakten, verständlich erklärt. Die Gesellschaft muss verstehen, wie Wissenschaft funktioniert, dass Versuch und Irrtum dazugehören und absolut gültige Vorhersagen bei komplexen Zusammenhängen nicht möglich sind.“