06.11.2020 Fruchtbare Freundschaften

Bürger-Projekt „Urbanität und Vielfalt“ stärkt Pflanzenvielfalt in der Innenstadt und erhält weitere Förderung

Blick auf Kästen mit Wildpflanzen in einem Unterstand im Alten Botanischen Garten Marburg
Foto: Alexander Ruppel
Wildpflanzen sind im Landkreis Marburg-Biedenkopf stark gefährdet. Bürgerinnen und Bürger können eine Patenschaft für Wildpflanzen übernehmen und so aktiv die regionale Pflanzenvielfalt stärken.

Seit vier Jahren nehmen Marburgerinnen und Marburger seltene, teils gefährdete heimische Wildpflanzen wie buntes Vergissmeinnicht, Augentrost oder Katzenpfötchen bei sich zuhause auf und hegen und pflegen die jungen Pflanzen, bis sie samenreif sind. Damit unterstützen sie das Projekt „Urbanität und Vielfalt“, das einen wichtigen Beitrag zur Pflanzenvielfalt leistet und an dem der Botanische Garten der Philipps-Universität beteiligt ist. Das Bundesamt für Naturschutz fördert das Projekt nun mit fast 350.000 Euro für weitere zwei Jahre. Ziel ist, dass gefährdete Wildpflanzenarten auch in der Marburger Innenstadt stärker vertreten sind.   

Das Prinzip des Projektes ist einfach: Es werden 50 gefährdete regionale Wildpflanzenarten vom Botanischen Garten der Philipps-Universität Marburg herangezogen und zur Vermehrung an Bürgerinnen und Bürger ausgegeben. Im Blumenkasten oder Garten können Marburgerinnen und Marburger die Pflanzen kultivieren und als Patinnen und Paten weiter betreuen. Nach Möglichkeit werden die Pflanzen zur Samenreife gebracht. Dann überbringen die Marburger Patinnen und Paten ihre geernteten Samen dem Botanischen Garten der Philipps-Universität Marburg, der aus diesen wieder Jungpflanzen für populationsstützende Maßnahmen heranzieht.

„Es ist eine einfache aber auch sehr schöne Möglichkeit, einen aktiven Beitrag zur Pflanzenvielfalt zu leisten“, sagt Projektleiter Alexander Ruppel vom Botanischen Garten der Universität Marburg. „In den vergangenen vier Jahren haben uns viele Marburgerinnen und Marburger unterstützt – an dieser Stelle geht ein großes Dankeschön an alle für ihr Engagement.“

Durch die Anschlussförderung soll das Projekt nun weiter vertieft werden. „Wir möchten noch stärker im Stadtgebiet vertreten sein und Marburgerinnen und Marburgern die Möglichkeit geben, direkt vor ihrer Haustür Wildpflanzen großzuziehen“, sagt Ruppel. Dazu sollen Ortsgruppen gebildet werden, die gezielt städtische und universitäre Flächen mit Wildpflanzen bestücken und pflegen. „So können wir gemeinsam die Pflanzenvielfalt in der ganzen Stadt stärken“, ergänzt Ruppel. Außerdem sind Garten-AGs mit Kitas, Grundschulen und weiterführenden Schulen geplant. Kinder und Jugendliche können so beispielsweise die Grünflächen ihrer Schule mit Wildpflanzen bestücken und lernen, wie die Pflanzen richtig gepflegt werden.  

Hintergrund

Die natürlichen Lebensräume von Wildpflanzen gehen stetig zurück. Im Landkreis Marburg-Biedenkopf trifft es besonders Pflanzen der sauren Magerwiesen und -weiden. Diese nährstoffarmen, oft am Hang gelegenen Wiesen waren für den Ackerbau nicht geeignet und wurden daher seit Jahrhunderten mit Schafen oder Kühen bewirtschaftet. Durch die landwirtschaftliche Industrialisierung ab 1960, dem daraus erwachsenen und stetig zunehmenden Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln, konnten große Teile dieser Weidewiesen in Ackerland oder zum Anbau von Energiepflanzen umgewandelt werden. Im Vogelsbergkreis lag der Anteil der Weidewiesen in den 1960er Jahren noch bei circa 25 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Grünlandfläche, was einer Fläche von etwa 4250 Hektar entspricht. Heute sind davon noch etwa 80 Hektar übrig, was einem Rückgang von mehr als 98 Prozent entspricht. Dementsprechend nimmt die Aussterberate der Pflanzenarten, die sich an diesen Flächentypus über die Jahrhunderte angepasst haben, stetig zu. Auch die blütenbesuchenden Insekten, die für die Bestäubung und erfolgreiche Vermehrung dieser und gleichzeitig unserer Nahrungspflanzen verantwortlich sind, werden hierdurch bedroht.

Spendenkampagne „Ich blüh für dich. Spende für mich“

Das Projekt „Urbanität und Vielfalt“ leistet einen wichtigen Beitrag zur regionalen Pflanzenvielfalt. Für die Aufzucht der Jungpflanzen sind die Gewächshäuser des Botanischen Gartens unverzichtbar. Hier befinden sich außerdem vom Aussterben bedrohte Heilkräuter, exotische Nutzpflanzen, seltene Orchideen und bunte Schmetterlinge. Diese Vielfalt macht den Garten zu einer Schatzkammer der Natur und kostbar für ganz Marburg: Die Öffentlichkeit findet hier Erholung und die Forschung wichtige Erkenntnisse. Doch um diese wertvolle Pflanzenpracht weiterhin zu beherbergen, sind die in die Jahre gekommenen Gewächshäuser nicht mehr geeignet. Unter dem Motto „Ich blüh für dich. Spende für mich.“ sammelt der Botanische Garten deshalb Spenden, um die Gewächshäuser energetisch zu optimieren und zukunftsfest zu machen.

Weitere Informationen zur Spendenkampagne

Weitere Informationen:

Verbundprojekt Urbanität und Vielfalt

Bundesamt für Naturschutz: Projektbeschreibung Urbanität und Vielfalt

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