17.11.2023 Innovative Ideen für die Hochschullehre

Lehrpreis „Lehre@Philipp“ bei mittelhessischen Tagen der Lehre verliehen

Gruppenbild Lehrpreisträger
Foto: Markus Farnung
Die Preisträgerinnen und Preisträger des Lehrpreises „Lehre@Philipp“ 2023 mit (von links) Vizepräsidentin Kati Hannken-Illjes: Ali Kholmovaia, Daria Gubina, Timofey Ushakov, Jannis Görlach, Frieder Faiß, Thorsten Neischwander, Matthias Graefenhan, Eva Jakovleski, Alexander Zizka, Ben Weitzel, Laureen Fröhlich, Andreas Mahnken, Flavio Krug, Christian Lotzmann. Nicht auf dem Bild sind Boris Burghardt und Ulrich Lotzmann.

An zwei Tagen boten die Tage der Lehre an der Philipps-Universität Marburg in diesem Jahr vielfältige Anregungen für die Lehrpraxis und Gelegenheit zum Austausch. Unter dem Titel „Teaching Futures“ standen zukunftsfähige Konzepte zur Wissensvermittlung im Fokus. Zum ersten Mal führten die drei mittelhessischen Hochschulen die Tage der Lehre online und vor Ort in Marburg als gemeinsame hochschuldidaktische Konferenz durch. Auch die Studierenden hatten Gelegenheit, ihre Vorstellungen und Ideen für den Lehr- und Lernprozess einzubringen.

Mit dem Lehrpreis „Lehre@Philipp“ würdigte die Philipps-Universität Marburg darüber hinaus zum siebten Mal Projekte, die Lehre weiterentwickeln oder ganz neu denken. Insgesamt wurden in diesem Jahr 49.000 Euro Preisgeld vergeben und sieben Projekte ausgezeichnet, darunter zwei studentische Vorhaben und drei KI-gestützte Lehrprojekte.

„An unserer Universität gibt es viele Initiativen für neue Lehrkonzepte. Der Lehrpreis Lehre@Philipp soll helfen, besonders innovative Ansätze zu erproben und umzusetzen. Damit werden gute Ideen sichtbar und laden zum Austausch und zum Weiterdenken ein. Ich gratuliere unseren engagierten Preisträgerinnen und Preisträgern herzlich“, sagte Prof. Dr. Kati Hannken-Illjes, Vizepräsidentin für Bildung der Philipps-Universität bei der Preisverleihung am Abend.

Die Preisträger*innen des Lehrpreises „Lehre@Philipp“ 2023:

Die Studierenden Frieder Faiß und Ben Weitzel möchten digitale Lernkarten entwickeln, die Medizin-Studierende fit fürs Physikum in Biochemie machen. Dabei greifen sie zurück auf die Erfahrung als Tutoren und planen, die Lerninhalte für die Examensvorbereitung zusätzlich digital als Anki-Karten bereitzustellen. Anki ist ein Computersystem zur Erstellung von Karteikarten für Windows, Mac, iOS und Android. Das Besondere an diesem Tool sind der kostenlose Zugang und die Möglichkeit, die erstellten Karteikarten und "Decks" (Karteikartensammlungen) zu teilen, um ein effizientes Lernen für alle zu ermöglichen. Nach dem Motto „Studierende erklären Studierenden“ will das Projekt prüfungsrelevante Inhalte der Biochemie zusätzlich zum Tutorium als Lernhilfe für zuhause aufbereiten.

In einem weiteren studentischen Projekt entwickeln Ali Kholmovaia, Timofey Ushakov und Daria Gubina ein AI-Lab als Teil des Marburg-Moduls. Unterstützt durch Forschende verschiedener Fachgebiete, Projektgruppen und lokale Initiativen sollen Studierende in diesem Modul Projekte zur Frage „Wie können wir mit KI zusammen gut leben?“ entwickeln und sich dabei sowohl Kenntnisse in der Programmierung als auch in den Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) aneignen. Dadurch erhalten sie Einblicke in die Mensch-Maschine Interaktion und Anregungen zur kritischen Reflexion über die Vertrauenswürdigkeit von KI. Anhand eines konkreten Projektes gilt es dann, diesen Input umzusetzen und zu diskutieren. Dabei spielen Risiko-, Bias- oder Lückenanalysen im Bereich der Modell-Erklärbarkeit und KI-Fairness sowie die Anwendungsgrenzen und Einschränkungen von KI in der Zukunft eine wichtige Rolle. Ein wichtiges Ziel des AI-Labs ist es, den Einstieg in das Thema KI auch für Nicht-Informatiker*innen zu erleichtern. DAS AI-Lab will eine Plattform für den Austausch und die gemeinsame Reflexion zwischen Studierenden, Lehrenden und Forschenden schaffen und interdisziplinär der Frage nachgehen, wie KI zu einer positiven Zukunftsvision beitragen kann, in der sich Menschen gemeinsam mit KI den aktuellen kulturellen und gesellschaftlichen Herausforderungen stellen.

Das Team der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie um Laureen Fröhlich, Dr. Jannis Görlach, Matthias Graefenhan und Prof. Dr. Andreas H. Mahnken schickt eine besonders innovative Idee zur Verbesserung der Lehre im Fachbereich Medizin ins Rennen. Mit einer selbst programmierten Mixed-Reality-Anwendung, bei der virtuelle Objekte in die reale Umgebung integriert werden, wollen sie Studierenden ermöglichen, mit einer MR-Brille in den Körper einzutauchen und so ihr Verständnis der Anatomie auszubauen. Mit den Daten realer Fälle lernen künftige Mediziner-Generationen interaktiv, Röntgenbilder sowie CT- und MRT-Aufnahmen zu analysieren und Krankheiten zu erkennen. Studierenden fällt oftmals der Transfer vom zweidimensionalen Bild zum dreidimensionalen Körper schwer. Die MR-Anwendung kann dies mithilfe der 3D-Modelle erheblich erleichtern und die Verknüpfung der radiologischen und anatomischen Lehre wesentlich verbessern.

Aus dem Bereich Zahnmedizin kommt die ausgezeichnete Idee von Dr. Flavio Krug, Eva Jakovleski, Christian Lotzmann und Prof. Dr. Ulrich Lotzmann. Sie möchten die Selbstwahrnehmung von simuliertem Zahnverlust und dessen Einfluss auf Kaumuskulatur und Kiefergelenke mit Hilfe von KI verbessern. Mit einer individuell angepassten abnehmbaren Kunststoff-Schiene, in der einzelne Zahnelemente entfernt werden können, erfahren die Studierenden, wie sich fehlende Zähne im Mund anfühlen. Die Kieferstellung wird zudem dreidimensional digital vermessen und anschließend diskutiert. So wie es gesunden, mobilen Personen in der Regel schwerfällt, sich in Menschen mit körperlichen Gebrechen und Einschränkungen einzufühlen, können Studierende der Zahnmedizin, die in der Regel ein gepflegtes vollbezahntes Gebiss aufweisen, Effekte, die mit dem Verlust von Seitenzähnen einhergehen können, aufgrund der mangelnden Eigenerfahrung nicht nachempfinden. Die Simulation soll Studierende der Marburger Zahnmedizin in die Lage versetzen, die Effekte von Zahnverlust nachzuvollziehen. Diese Lehrmethode soll die Entscheidungskompetenz der die künftigen Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner bei der Entscheidung über die passende Zahnprothese stärken.

In der Didaktik der Geschichte will Thorsten Neischwander bilderzeugende KI nutzen, um den Geschichtsunterricht voranzubringen. Sein Projekt verfolgt den Ansatz, bilderzeugende KI-Modelle zu nutzen, um sich den Vorstellungswelten der Lernenden über Geschichte zu nähern. Dafür soll eine Reihe von Lehrveranstaltungen angeboten werden, die sich mit der Lerndiagnostik im Geschichtsunterricht beschäftigen und die versuchen das Konzept Historische Imagination und seine Auswirkung auf geschichtskulturelle Gegenstände und historisches Lernen für die Studierenden greifbarer zu machen. Nach einem Theorie-Seminar soll gemeinsam mit Studierenden ein Verfahren entwickelt, erprobt und reflektiert werden, das die Historische Imagination von Lernenden mit Hilfe von bilderzeugender KI empirisch fassbar machen kann. Dabei soll sowohl die didaktische Forschung als auch die unterrichtliche Pragmatik in den Blick genommen werden.

Das Vorhaben des Biologen Prof. Dr. Alexander Zizka stellt die Nutzung von KI für die Artenbestimmung in den Mittelpunkt. Eine Kernkompetenz von Biologinnen und Biologen ist die Fähigkeit, Tier- und Pflanzenarten im Gelände zu erkennen. Die rasante technische Entwicklung von KI zur Bestimmung von Pflanzen- und Tierarten anhand von Fotos erlaubt es Laien, viele Arten mit dem Handy innerhalb von Sekunden zu bestimmen und verändert das künftige Berufsfeld für Biologinnen und Biologen nachhaltig. Das Pilotprojekt soll KI zur Artenbestimmung in das Studium integrieren und Studierenden die Kompetenz vermitteln, die transformative Veränderung des Berufsbildes durch KI in den nächsten Jahren aktiv zu gestalten. Bei Exkursionen im Gelände sollen die Studierenden verschiedene Methoden zur Artbestimmung mit und ohne KI selbstständig anwenden und dadurch in die Lage kommen, das Potenzial und die Schwächen der KI-Anwendung zu erklären und kritisch zu reflektieren.

Der Strafrechtler Prof. Dr. Boris Burghardt will mit seiner Forschungswerkstatt kritische Strafrechtsgeschichte den Studierenden der Rechtswissenschaften eine Möglichkeit eröffnen, sich Inhalte in Kleingruppen anzueignen und ihre Ergebnisse anderen Studierenden und einer breiteren Öffentlichkeit in Form eines Podcasts, eines Screencasts oder eines Lehrvideos vorzustellen. Damit sollen die Studierenden an die juristische Forschung herangeführt und in wissenschaftlichen Methoden geschult werden. Der Gegenstand der Forschungswerkstatt soll der unbequeme Marburger Jurist Heinz Düx sein, der am 24. April 2024 seinen 100. Geburtstag feiern würde. Er soll in einem Screencast und in einem Symposium in den unterschiedlichen Facetten seines Wirkens näher vorgestellt werden. Das Projekt bietet den Studierenden kollektive und ergebnisbezogene Arbeitsformen, die im rechtswissenschaftlichen Studium bislang fast vollständig fehlen. Außerdem erwerben die Studierenden Schlüsselkompetenzen wie die mediale Vermittlung juristischer Inhalte und den Umgang mit Präsentations- und Videoschnittprogrammen. 

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