16.10.2023 Universität Marburg stärkt Forschung und Therapie zu Autismus

Institut für Autismusforschung und Therapie (MarIAT) gegründet

Spielszene von oben fotografiert, Kinder spielen mit einer Playmobil-Ritterburg
Foto: Anika Langmann
Ziel der therapeutischen Arbeit von MarIAT ist es, das soziale Miteinander – zum Beispiel im Spiel – für Menschen mit Autismus zu ermöglichen bzw. zu verbessern und repetitive, stereotype Verhaltensweisen zu reduzieren.

Menschen mit Autismus und deren Familien brauchen eine einfühlsame, zielgerichtete Begleitung, um die sich ständig verändernden Anforderungen im Alltag bewältigen zu können. Um diese Menschen zu unterstützen, hat die Philipps-Universität Marburg das Marburger Institut für Autismusforschung und Therapie (MarIAT) an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie gegründet. Bei MarIAT arbeiten Forschung und Therapie eng verzahnt zusammen.

„MarIAT bietet evidenzbasierte therapeutische Interventionen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Autismus. Die Interventionen werden effizient, zielorientiert und Leitlinien-gerecht durchgeführt“, erklärt MarIAT-Leiterin Professorin Dr. Inge Kamp-Becker. „Betroffene sollen schnell und zuverlässig individuell angepasste Hilfe bekommen und auf dem Weg in ein selbständiges Leben unterstützt werden.“

Das Hauptziel der Behandlung in MarIAT besteht in der Förderung individueller Entwicklungspotentiale. Zentral sind dabei die Förderung sozial-kommunikativer Fähigkeiten sowie die Entwicklung der Selbstständigkeit. Eltern und andere Bezugspersonen werden eng in die Behandlung mit einbezogen. Angepasst an Alter, Sprachentwicklung und Intelligenzniveau bietet MarIAT individualisierte, entwicklungsorientierte, verhaltenstherapeutische Förderung an: Von der Frühförderung für Klein- und Vorschulkinder unter engem Einbezug der Eltern, über Elternberatung und -trainings, Einzeltherapie und Gruppentrainings für Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene und therapeutische Begleitung in der beruflichen (Wieder-) Eingliederung bis zur Vernetzung der Hilfesysteme. Da die Autismus-Spektrum-Störung eine (seelische oder ggf. mehrfache) Behinderung darstellt, wird die Behandlung in MarIAT über die Eingliederungshilfe finanziert. Mit der Stadt Marburg und dem Landkreis Marburg-Biedenkopf wurden entsprechende Vereinbarungen zur Finanzierung der Therapie abgeschlossen.

„In MarIAT werden die neuesten therapeutischen Verfahren angewandt, deren Wirksamkeit bereits in wissenschaftlichen Studien belegt wurde“, erklären die Mitarbeiterinnen von MarIAT, Dr. Sanna Stroth und Dr. Anika Langmann.

Die Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Professorin Dr. Katja Becker, betont: „Durch MarIAT können auch unseren Patient*innen der Klinik und der Spezialambulanz für Autismus-Spektrum-Störungen die ambulanten Förder-Angebote gemacht werden, die sie benötigen. Außerdem eröffnen sich durch MarIAT neue Möglichkeiten für die Erforschung und Weiterentwicklung der Therapien von Autismus-Spektrum-Störungen.“

Hintergrund: Autismus-Spektrum-Störung

Die Autismus‐Spektrum‐Störung ist eine tiefgreifende und über die gesamte Lebensspanne hinweg bestehende Entwicklungsstörung. Sie ist durch anhaltende und situationsübergreifende Auffälligkeiten in der sozialen Kommunikation und Interaktion sowie stereotype Verhaltensweisen gekennzeichnet. Die Störung tritt in der Regel bereits im frühen Kindesalter auf und bleibt über die gesamte Lebensspanne bestehen. Im Kindesalter kann eine frühe und gezielte Förderung die Entwicklungsprognose deutlich verbessern. Es besteht insgesamt ein breites und komplexes Muster an Beeinträchtigungen auf verschiedenen Ebenen (Sprache, Motorik, Kommunikation, Interaktion). Das Erscheinungsbild ist sehr vielfältig und reicht von nicht‐sprechenden Personen mit Intelligenzminderung und vielen stereotypen Verhaltensweisen bis hin zu gut begabten Menschen mit altersgerechten sprachlichen Fähigkeiten, die dennoch in komplexen sozialen Situationen erheblichen Unterstützungsbedarf haben und durch stark ritualisiertes oder rigides Verhalten schwer in ein soziales Umfeld integrierbar sind. Autismus gehört mit einer international ermittelten Häufigkeit von etwa einem Prozent zu den häufigen psychischen Störungen. Für Deutschland liegen derzeit keine verlässlichen epidemiologischen Zahlen vor.

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie

An der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie besteht eine lange Tradition in der Erforschung dieses Störungsbildes. Die Arbeitsgruppe „Autismus-Spektrum-Störungen“ unter der Leitung von Prof. Dr. Inge Kamp-Becker hat zahlreiche Forschungsprojekte durchgeführt, die sich mit der Symptomatik, der Früherkennung, Diagnostik sowie Differentialdiagnosen und dem Verlauf von Autismus beschäftigen. Außerdem wurden und werden genetische und Bildgebungs-Studien zur Erforschung der Ursachen sowie auch Therapie-Studien durchgeführt, um die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen zu erforschen.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Inge Kamp-Becker
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Philipps-Universität Marburg
Telefon: 06421 58-66469
E-Mail:

Dr. Sanna Stroth
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Philipps-Universität Marburg
Telefon: 06421 58-63047
E-Mail:

MarIAT:
Tel.: 06421 58 63908
E-Mail:

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