02.07.2025 Fragenspiel zum Auftakt

Startschuss für das künstlerische Jubiläumsprojekt mit Rimini Protokoll

Die Künstler*innen Daniel Wetzel und Helgard Haug
Foto: Mattis Weber
Die Künstler*innen Daniel Wetzel und Helgard Haug im Innenhof des Marburger Schlosses vor dem Townhall-Meeting mit Menschen der Uni Marburg.

Am 26. Juni 2025 startete hoch oben über Stadt und Uni, im Landgrafenschloss, der Auftakt für das künstlerische Projekt zum 500-jährigen Jubiläum der Universität Marburg: Helgard Haug und Daniel Wetzel vom Theaterlabel Rimini Protokoll sind mit einem ungewöhnlichen, spielerischen Format in ihre Jubiläums-Recherche gestartet. Tags zuvor hatten die beiden noch in ihrer Antrittsvorlesung in der Universitätsbibliothek ihre Arbeitsweise skizziert und erklärt, dass mit diesem Tag ein Prozess startet, an dessen Ende ein Jubiläums-Kunstwerk für die Uni Marburg steht. Rimini Protokoll spielt mit Perspektiven und stellt Expert*innen des Alltags in den Mittelpunkt ihrer Projekte. Das erste Jubiläums-Townhall-Meeting erklärten sie zu einem „Blind Date“, in dem sie durch Fragen das Geburtstagskind Philipps-Universität Marburg, vertreten durch die teilnehmenden Mitglieder der Universität, näher kennenlernen möchten. Und so startete ihre Spielanordnung mit den Menschen, die die Universität ausmachen und formen – von Studierenden, über Auszubildende, Verwaltung, Technik bis hin zu Forschenden, Professor*innen und Präsidium.

Die Künstlerin Helgard Haug: „Wir stehen am Anfang unserer künstlerischen Arbeit für das Jubiläum und freuen uns jetzt erst mal auf die Begegnungen mit Menschen, die in allen möglichen Bereichen dieses komplexen Gebildes wirken. Wir werden Kontakt aufnehmen und freuen uns auch über Einladungen. Eine Herausforderung ist auch, die Studierenden zu erreichen und die Menschen, die in der Verwaltung oder den Werkstätten arbeiten und oft gar nicht so sichtbar sind.“

Performance mit 100 Fragen

In vier Sessions, die jeweils rund eine Stunde dauerten, machten sich Helgard Haug und Daniel Wetzel auf die Suche nach der „Identität“ unserer Universität – und das auf ganz eigene Weise: Mit Fragen, die quer durch Themen rund um die Universität und die Stadt Marburg reichten, manchmal auch ganz persönlich waren, forderten sie die Teilnehmenden auf, sich im Raum zu positionieren. Zwischen den beiden Polen „Ich“ und „Nicht ich“ versammelten sich die Teilnehmenden je nach persönlicher Erfahrung, Haltung oder Zugehörigkeit und positionierten sich zu den gestellten Fragen. Ein Beamer projizierte vor die Teilnehmenden ihr Stellungsbild. So entstand eine bewegte Performance zwischen Perspektiven, Rollen und Realitäten an unserer Universität. Nach ein paar Icebreaker-Fragen wie „Feiern Sie gern Ihren Geburtstag?“ machte es den einzelnen Gruppen sichtlich Spaß, sich mal spielerisch rasch, mal nachdenklich zu den Fragen zu positionieren. Zwischendurch entstanden Reaktionen bis hin zum Szenenapplaus unter den Teilnehmenden für ungewöhnliche Positionen. Am Ende bot ein „open mic“ die Möglichkeit, selbst Fragen an die Gruppe zu stellen.

Auszug aus dem Fragenkatalog

Wer kam zum Studium nach Marburg?
Wer hat hier schon Geister gesehen?
Wer hat schon einen ‚rostigen Nagel‘ getrunken?
Wer ist schon in der Lahn geschwommen?
Hast Du diese Woche schon herzhaft gelacht?
Hast Du diese Woche schon geweint?
Bist du einsam in der Uni?
Glauben Sie an außerirdisches Leben?
Bist Du religiös?
Wer ist in 10 Jahren noch an der Uni Marburg?
Wer wäre gern in einer anderen Stadt?
Arbeitest du zu viel?
Hast du schon mal für das Klima gestreikt?
Bist du schonmal für deine politische Überzeugung auf die Straße gegangen?

„Ich fand es sehr schön und interessant, dass wir uns da selber sehen konnten. Und gut, dass dort Menschen aus der ganzen Uni zusammenkamen“, freut sich Rolf Kreyer, Anglistikprofessor. Seine Frage an die Teilnehmendengruppe war „Sind Sie zufrieden mit der Lehre?“

Die Teilnehmenden hatten viel Spaß und lernten sich, die Uni und ihr Umfeld auf ganz neue Weise kennen. Auf die akademische Frage, ob eine Dokumentation der Ergebnisse ausgehändigt wird, antwortete Daniel Wetzel schlicht mit „Nö. Das ist unsere Art zu forschen“. Auf diese performative Art „wollen wir Euch kennenlernen“, erläutert Helgard Haug. Die Künstler*innen haben diese Form, sich ihren Projektraum zu erschließen schon mehrfach erprobt, etwa mit dem Konzept „100% Stadt“ in drei Dutzend Städten, wo eine Stichprobe der Bevölkerung in ihre Projekte einbezogen wurde.

Daniel Wetzel meint: „Die Universität als Organismus zu erforschen bedeutet auch, dass wir einen Ort in Marburg zwischennutzen werden, der unser Labor und der Begegnungsort sein wird, an den wir Vertreter*innen aller ‚Organe‘ und andere zu gestalteten Begegnungen einladen werden, weitere Fragen generieren und an der Konzeption für die ‚Begehung‘ des runden Jahrs weiterarbeiten.“

Rimini Protokoll begreifen die Universität dabei als ein vielschichtiges Wesen – ein „Geburtstagskind“ mit 25.000 Gesichtern, Erinnerungen, Hoffnungen und Widersprüchen. In diesem Sinne war das erste Townhall Meeting als ein „Blind Date“ zwischen Universität und Kunst konzipiert. Ziel ist es, über diese performativen Begegnungen eine künstlerische Arbeit zu entwickeln, die das Jubiläum nicht nur feiert, sondern auch befragt und reflektiert.

„Mich hat sehr gefreut, wie positiv sich die Kolleg*innen in meiner Gruppe im Fragenblock zur Zukunft der Wissenschaft platziert haben. Genau diese positive Perspektive und ein helles Scheinwerferlicht auf die Bedeutung der Universität in der Mitte der Gesellschaft sollen im Fokus des Universitätsjubiläums stehen. Dieses Scheinwerferlicht werden wir gemeinsam mit Helgard Haug und Daniel Wetzel spannend ausrichten. Darauf bin ich sehr gespannt“, sagt Prof. Dr. Evelyn Korn, Vizepräsidentin für Universitätskultur und Qualitätsentwicklung.

Begleitet wurde das Format durch das Jubiläums-Team, das im Foyer des Schlosses über den aktuellen Stand der Planungen informierte und Raum für Austausch und Anregungen bot. Teilnehmende waren eingeladen, sich aktiv in die Gestaltung des Jubiläums einzubringen, ihre Ideen auf eine Karte zu schreiben und diese an einer Wand zu sammeln.

Mit dem Townhall Meeting ist der erste Schritt gemacht – weitere Formate und Einblicke werden folgen. „Wir freuen uns auf die Fortsetzung dieses spannenden künstlerischen Prozesses und danken allen, die bereits mitgewirkt haben“, sagt Annika Pamir, die das Uni-Jubiläum als Projektmanagerin im Präsidialbüro betreut.

Weitere Informationen: https://www.uni-marburg.de/de/universitaet/profil/jubilaeum

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