29.07.2025 Antifeminismus verstehen – Demokratie stärken

LOEWE-Schwerpunkt „GenDem“ untersucht antifeministische Mobilisierungen in Europa und dem Südkaukasus

Gruppe mit Forscher*innen
Foto: Tarek Schukrallah
Die Forschenden im Loewe-Schwerpunkt GenDem (v.l.n.r.) Nurlana Jalil, Antje Johanning-Radzienė, Edith Franke, Annette Henninger, Anna-Veronika Wendland, Christine Klapeer und Funda Hülagü.

Was haben Antifeminismus, Demokratie und autoritäre Tendenzen miteinander zu tun? Dieser Frage widmet sich der neue LOEWE-Schwerpunkt „Verflechtung von Antifeminismen: Gender, Demokratie und Autoritarismus in ‚Entangled Modernities‘“ (kurz: GenDem), der unter Federführung von Prof. Dr. Annette Henniger, Politikwissenschaftlerin an der Philipps-Universität Marburg, steht. Das Forschungsprojekt untersucht erstmals vergleichend antifeministische Mobilisierungen in verschiedenen Ländern Ost- und Westeuropas sowie im Südkaukasus. Ziel ist es, systematisch herauszuarbeiten, unter welchen Bedingungen diese Bewegungen entstehen, wie sie transnational verflochten sind und welchen Einfluss sie auf Prozesse der Demokratisierung oder Autoritarisierung ausüben. Das Land Hessen fördert GenDem im Rahmen der Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) mit rund 3,6 Millionen Euro für vier Jahre (2026–2029). Eine besondere Herausforderung: Einzelne Fallstudien werden über autoritäre Regime oder Kriegsgebiete wie die Türkei, Aserbaidschan oder die Ukraine durchgeführt.

Timon Gremmels, Hessischer Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur dazu: „Ich freue mich, dass in der jüngsten Förderstaffel des LOEWE-Programms auch so ein wichtiges sozialwissenschaftliches Projekt mit dabei ist. Das Thema ist weit über die Forschung hinaus von Relevanz, zumal in Zeiten globaler Krisen, in denen freiheitlich-demokratische Systeme unter Druck geraten. Wenn wir verstehen, was antifeministische Bewegungen hervorbringt und nährt, kann es uns gelingen, dem wirkungsvoll entgegenzutreten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.“

„Forschung wie GenDem hilft, die gesellschaftlichen Kräfte zu analysieren, die demokratische Prozesse gefährden und damit unsere freiheitliche Ordnung infrage stellen“, erklärt Universitätspräsident Prof. Dr. Thomas Nauss. „Gerade in Zeiten politischer Polarisierung ist eine interdisziplinäre, international vergleichende Forschung zur Rolle von Antifeminismus in autoritären Dynamiken essenziell. Die Uni Marburg steht für diese kritische Wissenschaft.“

Im Zentrum des Projekts steht die Beobachtung, dass aktuelle antifeministische Bewegungen keine spontanen Reaktionen auf gesellschaftlichen Wandel sind, sondern das Ergebnis strategisch geplanter Kampagnen. Diese richten sich gezielt gegen die Gleichstellung der Geschlechter, die Rechte von queeren Menschen und eine liberale Sexualpolitik. Dabei bedienen sich die Akteure – von rechtskonservativen Parteien bis hin zu religiös-fundamentalistischen Gruppierungen – grenzüberschreitender Narrative, Netzwerke und Medien. In sieben Teilprojekten analysieren die Forschenden unter anderem Männerrechts-Bewegungen in Deutschland und der Türkei, Drag Panic-Diskurse in Österreich, antifeministische Rhetorik islamistischer Influencerinnen sowie historische Entwicklungen seit dem frühen 20. Jahrhundert in Osteuropa.

Getragen wird GenDem von einem breiten Forschungsverbund: Neben der Universität Marburg sind die Justus-Liebig-Universität Gießen und das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropa-Forschung beteiligt. Die Koordination liegt bei der Marburger Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Annette Henninger. Historiker*innen am Herder-Institut untersuchen die langen Linien antifeministischer Mobilisierung im östlichen Europa sowie den Einfluss des russisch-ukrainischen Krieges. In Gießen forschen Wissenschaftler*innen zu anti-queeren Mobilisierungen und zu islamistisch geprägten antifeministischen Diskursen. Die Universität Marburg verantwortet zusätzlich die Fallstudien zu Deutschland, zur Türkei und zum Südkaukasus.

„Gender ist längst ein globaler Kampfbegriff geworden – und Antifeminismus eine Strategie, mit der autoritäre Akteure demokratische Aushandlungsprozesse zurückdrängen wollen“, erklärt Projektleiterin Prof. Dr. Annette Henninger. „GenDem will diese Dynamiken sichtbar machen – nicht nur wissenschaftlich, sondern auch im öffentlichen Diskurs.“ Zu diesem Zweck sind enge Kooperationen mit dem Demokratiezentrum Hessen und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung geplant. Öffentliche Veranstaltungen, Ringvorlesungen und internationale Tagungen, etwa mit Partnerinstitutionen in Mostar und Tunis, sollen dazu beitragen, das Wissen aus der Forschung in die Gesellschaft zurückzuspielen und damit einen Beitrag zur politischen Bildung und Demokratieförderung zu leisten.

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