04.09.2025 Martina Preiner fragt: Wie ist das Leben entstanden?
Die Biochemikerin beschäftigt sich mit einer der größten Fragen der Wissenschaft und erhält für ihre Forschung daran einen ERC Starting Grant
Martina Preiner ist Forschungsgruppenleiterin am „Zukunftszentrum Mikrokosmos Erde (Microcosm Earth Center, MEC), einem gemeinsamen Zentrum der Philipps-Universität Marburg und des Max-Planck-Instituts für Terrestrische Mikrobiologie. Sie erforscht an der Grenze zwischen Geologie und Biologie die mögliche Rolle mineralischer Umgebungen bei der Entstehung des Lebens.
Bei der Frage, wie aus Nicht-Leben Leben entstehen kann, gibt es zwei grundlegende Forschungsprinzipien: „Bottom up” und „Top down”. „Bottom up” bedeutet beispielsweise, einfache Mineralien und geochemische Reaktionen zusammenzubringen, um zu beobachten, welche Entwicklungen sich daraus ergeben. Die andere Möglichkeit, Top-down, bedeutet, das komplexe Leben, wie wir es kennen, zu dekonstruieren. Dabei gilt es, die Komplexität schrittweise wie Zwiebelschalen abzulösen und den Kern notwendiger Prozessen freizulegen. Welche Reaktionen reichen weit in die Vergangenheit zurück und was ist der gemeinsame Vorfahre? Beide Ansätze haben bereits wichtige Erkenntnisse geliefert, sind aber auch in ihrer Aussagefähigkeit begrenzt.
Die Rolle von Coenzymen in der Evolution des Lebens
Der Sprung von unbelebten Mineralien zu den häufig hochkomplexen Enzymen, die Stoffwechselprozesse und damit Leben ermöglichen, erscheint weit. Dennoch gibt es eine Verbindung: Coenzyme sind organische Moleküle, die mit Enzymen zusammenarbeiten, um biochemische Reaktionen zu ermöglichen. Hypothesen zufolge könnten diese vergleichsweise einfach gebauten „Assistenten” die Vorläufer der Enzyme und somit der ersten Stoffwechselprozesse gewesen sein.
Martina Preiner untersucht mit ihrem Team am Marburger „Zukunftszentrum Mikrokosmos Erde (MEC)“, einem gemeinsamen Zentrum des MPI mit der Uni Marburg, die Wechselwirkungen zwischen Coenzymen und Mineralien. Konkret vermutet sie, dass Coenzyme eine zentrale Rolle beim Übergang von der mineralischen CO₂-Fixierung zum enzymatischen Kohlenstoff-Stoffwechsel gespielt haben. „Obwohl Coenzyme viel kleiner sind als Enzyme, sind sie immer noch zu komplex, um einfach zufällig aus geologischen Systemen hervorzugehen. Wie diese Moleküle entstanden, funktional wurden und sich daraus ein lebensähnliches System entwickeln konnte, ist noch ein großes Rätsel.“ Diese Fragestellung hat auch direkte Berührungspunkte mit Martina Preiners Forschung im Rahmen des Exzellenzclusters „Microbes for Climate“ (M4C), das sich unter anderem mit der frühen Evolution biochemischer CO2-Fixierung beschäftigt.
Im Fokus: die frühe Kohlenstofffixierung
Mit dem ERC Starting Grant möchte sich die Forscherin auf den wahrscheinlich ältesten Kohlenstofffixierungsweg, den Wood-Ljungdahl-Weg, konzentrieren. Dieser Stoffwechselweg nutzt die Elektronen des Wasserstoffs, um CO₂ zu fixieren. Diese Reaktion kann auch abiotisch, also ohne lebende Zellen, ablaufen. Dabei fungieren Mineralien anstelle von Enzymen als Katalysatoren.
In ihren Experimenten möchte sie die molekularen Bestandteile des Wood-Ljungdahl-Weges mit der mineralassistierten Katalyse verbinden, um zu verstehen, wie sich aus geochemischen Reaktionen Stoffwechselfunktionen entwickeln könnten. „Als die ersten Zellen entstanden, wurden die direkt Verbindung zwischen Geo- und Biochemie wahrscheinlich voneinander getrennt und das Leben entwickelte sich zu dem komplexen biochemischen Netzwerk weiter, das wir heute kennen. Mit dem ERC Starting Grant wollen wir Licht in die Zeit vor dieser Trennung bringen. Die Erforschung der wenig bekannten Wechselwirkungen zwischen chemisch aktiven Milieus und Stoffwechselprozessen könnte uns zeigen, welche mechanistischen Abhängigkeiten bestanden haben, bevor Zellen entstanden – und möglicherweise Hinweise darauf geben, was der Ursprung des Lebens war.”
ERC Starting Grants richten sich an vielversprechende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Promotion vor zwei bis sieben Jahren abgeschlossen haben. Sie beinhalten ein Projektbudget von bis zu 1,5 Millionen Euro für eine Laufzeit von fünf Jahren.
Dr. Martina Preiner hat Chemie und Biochemie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert. Nach ihrem Masterabschluss in Physikalischer Chemie begann sie eine Karriere als Wissenschaftsjournalistin. Sie war sieben Jahre lang für verschiedene deutsche Medien tätig, bis ein Interview mit einem Forscher über den Ursprung des Lebens sie zurück ins Labor führte. Im Rahmen ihrer Promotion an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf untersuchte sie die Parallelen zwischen geochemischer und biochemischer CO₂-Fixierung. Während eines Postdocs an der Universität Utrecht und am Königlich-Niederländischen Institut für Meeresforschung (NIOZ) reiste sie zu hydrothermalen Systemen in der Tiefsee, um diese zu erforschen. Seit 2023 leitet sie eine eigene Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologien und der Uni Marburg. Dort konzentriert sie sich auf organische Cofaktoren, um geochemische und biochemische CO₂-Fixierung aktiv miteinander zu verbinden.
Quelle: Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie
Kontakt
Dr. Martina Preiner
Mail: martina.preiner@uni-marburg.de
Zukunftszentrum Mikrokosmos Erde
Philipps-Universität Marburg