05.09.2025 „Wundermaterial“ für die Elektronik der Zukunft mit neuem Potenzial
Forschungsteam weist Floquet-Effekte in Graphen nach und ebnet Weg für zielgenaue Anwendung
Graphen ist ein außergewöhnliches Material – nur eine Atomlage dick, aber extrem leitfähig und stabil. Es kommt deshalb in vielen Bereichen zum Einsatz, etwa in flexiblen Displays, hochempfindlichen Sensoren, leistungsstarken Batterien und effizienten Solarzellen. Eine neue Studie hebt das Potenzial nun noch auf ein neues Level: Zum ersten Mal hat ein Forschungsteam der Universität Göttingen, dem auch der jetzt in Marburg neu berufene Physikprofessor Dr. Marcel Reutzel angehörte, gezeigt, wie in Graphen sogenannte Floquet-Effekte entstehen. Das belegt, was bislang umstritten war: Floquet-Engineering – eine Methode, bei der die Eigenschaften eines Materials durch Lichtpulse gezielt verändert werden – funktioniert auch in metallischen und halbmetallischen Quantenmaterialien wie Graphen. Die Studie, unterstützt von Forschenden aus Bremen, Braunschweig und der Schweiz, ist in der Fachzeitschrift Nature Physics erschienen.
Um Floquet-Zustände in Graphen experimentell zu untersuchen, nutzten die Forschenden Femtosekunden-Impulsmikroskopie. Dabei werden die Proben zunächst mit schnellen Lichtblitzen angeregt und dann mit einem verzögerten Lichtpuls untersucht, um dynamische Prozesse im Material zu verfolgen. „Unsere Messungen beweisen eindeutig, dass sogenannte Floquet-Seitenbänder im Photoemissionsspektrum von Graphen auftreten“, erklärt Dr. Marco Merboldt, Physiker an der Universität Göttingen und Erstautor der Studie. „Damit ist klar: Floquet-Engineering funktioniert tatsächlich in diesen Systemen – und das Potenzial ist riesig.“ Die Studie zeigt, dass Floquet-Engineering in vielen Materialien funktioniert. Das bringt die Forschung dem Ziel näher, Quantenmaterialien mit definierten Eigenschaften gezielt zu beeinflussen – und das mit Laserpulsen in extrem kurzer Zeit.
Materialien auf diese Weise für bestimmte Anwendungen maßzuschneidern, kann die Grundlage für die Elektronik, Computertechnik oder Sensorik der Zukunft bilden. Der Marburger Physikprofessor Dr. Marcel Reutzel, der die vormaligen Untersuchungen in Göttingen zusammen mit Prof. Dr. Stefan Mathias geleitet hat, sagt: „Unsere Ergebnisse eröffnen neue Wege, elektronische Zustände in Quantenmaterialien mit Licht zu steuern. Das kann zu Technologien führen, bei denen Elektronen gezielt und kontrolliert manipuliert werden.“ In der neuen Marburger Forschungsgruppe von Prof. Reutzel (‚Ultraschnelle und kohärente Phänomene‘) sollen zukünftig derartige Strategien weiterentwickelt werden. Dazu ergänzt Reutzel: „Besonders spannend ist, dass wir so auch topologische Materialphasen mit Licht kontrollieren können. Diese Phasen sind sehr speziell und äußerst stabil. Damit könnten die lichtgesteuerten Phasen wichtig für robuste Quantencomputer oder neue Sensoren werden.“
Die Forschung wurde vom Göttinger Sonderforschungsbereich SFB 1073 „Kontrolle von Energiewandlung auf atomaren Skalen“ finanziell unterstützt, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird.
Originalveröffentlichung: Marco Merboldt, Marcel Reutzel, Stefan Mathias et al. Observation of Floquet states in graphene. Nature Physics (2025). DOI: 10.1038/s41567-025-02889-7
Quelle: Pressemitteilung der Universität Göttingen
Kontakt
Prof. Dr. Marcel Reutzel
Tel.: 06421 28 24235
Mail: marcel.reutzel@physik.uni-marburg.de
AG Ultraschnelle und kohärente Phänomene
Fachbereich Physik
Philipps-Universität Marburg