31.10.2025 Neuer Blick auf Schaffen der Künstlerin Hanna Korflür

Sonderausstellung und Stadtschrift „Leben. Zeit. Raum.“

Foto: Imogen Grönninger
Blick in die Ausstellung Hanna Korflür (1925 – 1993) – Leben. Zeit. Raum.

Die neue Sonderausstellung „Hanna Korflür (1925-1993) – Leben. Zeit. Raum.“ ermöglicht bis zum 15. Februar 2026 im Kunstmuseum Marburg die Begegnung mit dem vielfältigen Oeuvre der Marburger Künstlerin, die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde. Zum 100. Geburtstag lädt ab sofort außerdem ein Werkverzeichnis mit über 1000 Kunstwerken von Korflür als Stadtschrift zum Entdecken ihres künstlerischen Weges ein.

Guppenfoto im Kunstmuseum
Foto: Imogen Grönninger
Eröffnung der Hanna-Korflür-Werkschau im Kunstmuseum mit (von links): Universitätspräsident Prof. Dr. Thomas Nauss, Gisela Marie Korflür, Inger Korflür, Museumsdirektor Dr. Christoph Otterbeck und dem Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies.

Universitätspräsident Prof. Dr. Thomas Nauss, Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und der Direktor des Museums für Kunst und Kulturgeschichte, Dr. Christoph Otterbeck, eröffneten am Donnerstag gemeinsam mit der Familie von Hanna Korflür – Enkelin Inger und Tochter Gisela Marie Korflür – die Sonderausstellung und stellten das neue Werkverzeichnis vor. 
Unipräsident Prof. Dr. Thomas Nauss freut sich darüber, dass es „durch das neue Buch und die Ausstellung in den schönen Räumen des Museums jetzt möglich ist, zu beobachten, wie die herausragende Marburger Bildhauerin und Grafikerin Hanna Korflür aus den Inspirationen der Natur eigene Werke der künstlerischen Freiheit schuf, welche entschieden und überzeugend für Gestaltungsfreude und Kreativität plädieren."

Den meisten Marburger*innen ist Hanna Korflür als Bildhauerin durch ihre Werke im öffentlichen Raum der Universitätsstadt bekannt – in zwei Marburger Parks, am Eingang von Weidenhausen, in der Kapelle am Rotenberg. Sie schuf neben Skulpturen und Rauminstallationen auch Linolschnitte, Reliefs, Zeichnungen und Collagen sowie Arbeiten in Zamak und Holz. Diese Vielfalt entspricht dem Credo der Künstlerin: „Einseitigkeiten in Technik und Motivwahl gehe ich aus dem Weg, um nicht in Perfektion und Glätte zu erstarren“.

„Marburg ist stolz, dass Hanna Korflür hier gewirkt, gelebt und ihre kreativen Spuren hinterlassen hat“, so OB Dr. Thomas Spies. Ihre Kunst ist und bleibe weit mehr als nur Ästhetik. „Ihre Werke sind nicht nur Spiegel von Seele und Verstand, sondern auch einfühlsame Zeitzeug*innen der Geschichte und der Menschen, die sie geprägt haben.“ Mit dem Werkverzeichnis wolle die Stadt ihre Kunst einem breiten Publikum zugänglich machen. Erstmals werden in dem Buch ganz im Sinne der Familie Korflür öffentliche Kunst und Werke aus privaten Sammlungen zusammengeführt. Zugleich dankte Spies der Philipps-Universität für die beeindruckende Werkschau im Kunstmuseum in der Biegenstraße.

„Hanna Korflürs räumliche Kreationen sind von Rhythmus durchdrungen, ihre Reihungen drücken Progression aus, ihre Diagonalen geben dynamische Impulse“, hebt Dr. Christoph Otterbeck zum Schaffen von Hanna Korflür hervor. Ihre Impulse in der Kunst habe Korflür auch durch ihr Engagement im Marburger Kunstleben weitergegeben.

 Die Künstlerin Hanna Korflür (1925-1993)

Porträt der Künstlerin Hanna Korflür
Foto: Privatarchiv Familie Korflür
Die Künstlerin Hanna Korflür

Hanna Korflür studierte an der Kunsthochschule Giebichenstein in Halle (Saale) und an der Werkschule Offenbach. Anschließend heiratete sie 1947 den Werbegrafiker Eduard Theodor Korflür in Marburg und versorgte die Familie mit vier Kindern. Daneben war sie als Mitarbeiterin im Atelier für Gebrauchsgraphik ihres Mannes tätig. Ab 1967 entstanden verstärkt freie künstlerische Arbeiten, welche in der Sonderausstellung des Kunstmuseums zu sehen sind.
Die frühen Werke in den 60er Jahren zeugen von der Suche der Marburgerin nach ihrem Weg im damals bereits sehr breiten Spektrum der aktuellen Kunst zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Sie schuf gegenständliche, figurative Plastiken und konstruktive Plastiken aus Terrakotta und Zamak. Zu Beginn über-wogen die figürlichen, schlichten Kleinplastiken.
Von diesen sind ausgewählte Arbeiten mit Skizzen der Künstlerin im Dialog mit den in den 70er Jahren entstandenen Zamak-Güssen in der Sonderausstellung zu sehen. Korflür entwickelte ihre eigene Formsprache und beschäftigte sich intensiv mit dem Wechselspiel von Architektur und Natur. Sie formte konstruktive architektonische Gebilde, indem sie einzelne, blockhafte Elemente übereinanderstellte und ließ die Grenzen verschmelzen.

Nicht nur als Bildhauerin wie beim „Fächer I“ (1973) aus Bronze oder dem „Gebäude“ (1968) aus Zamak, sondern auch in der Graphik Korflürs werden die Figuren und die Natur konkretisiert. Unter anderem vermitteln zum Beispiel der Linolschnitt „Gruppe“ (1968), die Radierung „Weder Fisch noch Fleisch“ (1984) oder ausgewählte Skizzen zu Rauminstallationen (um 1991) dem Betrachtenden die spannungsvolle Auseinandersetzung der Künstlerin.

Diese zwei Themen, Natur und Architektur, begleiten die Marburgerin stetig, Skizzen aus ihrer unmittelbaren Umgebung und zum alltäglichen Geschehen bilden in der graphischen Umsetzung eine Basis für zukünftige Werke. Die präsentierten Reliefs, zum Beispiel „Gletscherspalte“ (1976), veranschaulichen den Dialog zwischen den prozesshaften Erscheinungsformen der Natur und ihrem großen Interesse für die formale Variationen von Schichtungen, Reihungen und Staffelungen.

In den 80er Jahren entstanden parallel zu den Arbeiten im Sakralen Bereich, wie der Außengestaltung der Friedhofskapelle am Rotenberg, Holzarbeiten. Aus dieser Schaffensphase sind die „Beweinung“ (1982) und das „Zwiegesicht“ (1986) im Kunstmuseum zu sehen. Korflür nutzte nun die Oberfläche als natürliches Relief und fügte durch die Verwendung unterschiedlicher Hölzer gestalterische Kontraste hinzu.

Zu Beginn der 90er Jahre setzte sie sich in ihren späten plastischen Arbeiten (ca. 1990-1993) kritisch mit der Betrachtung des Lebens und der Zeitgeschichte auseinander. Die „Sitzende“ von 1993 ist konträr zu den frühen Werken rau gearbeitet. Trotz der ruhigen, abwartenden Haltung trägt der Körper die Last eines schweren Lebens. Mit der Collagenfolge „Das alte Haus“ (1993) ist auch eine der letzten Arbeiten der Marburger Künstlerin zu sehen. Sie erzählt in den 25 kleinen Werken kurze Geschichten des gelebten Alltags und besondere Ereignisse aus der Kindheit. 1994 wurden die Collagen und der zugehörige Text als Buch „Das Alte Haus“ veröffentlicht.

Sonderausstellung und Werkverzeichnis

Die Exponate der Marburger Ausstellung zeigen nicht nur die technische Vielfalt der Künstlerin, ihre Experimentierfreude und ihr großes Können, sondern auch die entschiedene Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Themen. Sie widmete sich in ihrer Kunst der Natur, dem Leben als Wachstum, politischen Ereignissen, der Kunst ihrer Zeit und den Gegenständen des Alltags. Aus allen diesen Sphären verarbeitete sie Impulse in ihren Werken, mal naturalistisch – mal reduziert auf Flächen und Linien – mal dreidimensional: Leben. Zeit. Raum.

Für die Besuchenden ermöglicht die Ausstellung zum 100. Geburtstag der Künstlerin Hanna Korflür einen neuen Blick auf das Gesamtwerk der Marburgerin und die Betrachtung ihrer Werke im Panorama der Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart.

Titelbild eines Buchs zum Werk der Künstlerin Hanna Korflür
Foto: Universitätsstadt Marburg
Das Werkverzeichnis zeigt mehr als 1000 Beispielen der Kunst von Hanna Korflür und ist als Stadtschrift zur Marburger Geschichte und Kultur erschienen.

Die Ausstellung ist Montag und Mittwoch bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr sowie jeweils am letzten Donnerstag im Monat von 11 bis 21 Uhr zu sehen. Der Eintritt kostet fünf Euro, ermäßigt drei Euro. Zugleich stellt die Stadt Marburg mit dem aktuell erscheinenden Werkverzeichnis mehr als 1000 Beispiele für die Kunst von Hanna Korflür auf fast 300 Seiten als neue Stadtschrift zur Marburger Geschichte und Kultur vor. Das Buch lädt mit Abbildungen aller Werke dazu ein ihren spannenden künstlerischen Weg nachzuvollziehen und neu zu entdecken.
Während der Ausstellung wird es am 16. November und am 6. Dezember 2025 ab 15 Uhr eine Führung geben. Dieses Angebot ist mit gültiger Eintrittskarte kostenlos, um Anmeldung wird gebeten (bildung.museum@uni-marburg.de oder telefonisch (Di.-Do.), 06421 28-2263.

Die Stadtschrift mit allen dokumentierten Werken auf fast 300 Seiten gibt es für 16,80 Euro im Kunstmuseum, im Buchhandel sowie auf www.marburg.de/stadtschriften, publikationen@marburg-stadt.de.